* Vorversion am 30. Sept. 2005 als blitz-a-t veröffentlicht.
Das seit März 2005 zur Behandlung des Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätssyndroms (ADHS) angebotene Atomoxetin (STRATTERA) steigert die Suizidalität bei Kindern und Jugendlichen.1-4 Nach einer Metaanalyse von
12 Kurzzeitstudien mit mehr als 2.200 Patienten entwickeln unter Atomoxetin 6 von 1.357 Teilnehmern (0,44%) Suizidtendenzen, dagegen keiner von den 851 unter
Plazebo. Fünf Kinder unter Verum haben Suizidgedanken, eines unternimmt einen Suizidversuch.1,2 Seit Markteinführung wurde in Europa nach
Herstellerangaben 14-mal über suizidbezogene Verhaltensweisen in Verbindung mit Atomoxetin berichtet. Diese umfassen Suizidgedanken, Suizidversuch und
vollendeten Suizid.1 Da nur maximal jedes zehnte Ereignis spontan gemeldet wird, entspricht dies bei etwa 28.000 behandelten Patienten1 einer
Häufigkeit von 1:200 und somit der Inzidenz in den kontrollierten Studien.
Patienten, die Atomoxetin einnehmen, sollen vom verschreibenden Arzt, aber auch von den Eltern und anderen Betreuern sorgfältig auf Entwicklung suizidaler
Gedanken oder Verhaltensweisen und auf andere ungewöhnliche Veränderungen des Verhaltens wie Agitation oder Reizbarkeit hin beobachtet
werden.1-3 Dies gilt besonders in den ersten Behandlungsmonaten sowie bei Steigerung oder Reduktion der Dosis.2,3
Dass Atomoxetin die Suizidalität von Kindern steigert, überrascht nicht: Es handelt sich um einen selektiven Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer, der in
seiner chemischen Struktur mit dem Antidepressivum Fluoxetin (FLUCTIN u.a.) verwandt ist. Atomoxetin wurde ursprünglich selbst als Antidepressivum
geprüft (a-t 2005; 36: 33-5). Die neueren Antidepressiva vom Typ selektive Serotonin- beziehungsweise
Serotonin- und Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer sind seit längerem für die Förderung aggressiver, feindseliger und suizidaler Verhaltensweisen
bei Kindern und Jugendlichen bekannt (a-t 2003; 34: 114; 2004; 35: 45-
6 und 2005; 36: 1-2). Auch in Verbindung mit Atomoxetin ist auffälliges feindseliges Verhalten bereits vor
Markteinführung in Deutschland beschrieben worden.5 Dennoch fand sich in der deutschen Fachinformation bislang kein entsprechender
Hinweis.6 Er ist erst jetzt, zusammen mit der Warnung vor Suizidalität, aufgenommen worden.7
Suizidalität ist auch in Verbindung mit dem älteren ADHS-Mittel Methylphenidat (RITALIN u.a.) beschrieben. Die Fachinformation des retardierten
Methylphenidat-Präparates CONCERTA nennt Suizidversuche als gelegentliche unerwünschte Wirkung in klinischen Studien (Häufigkeit 1 : 1.000
bis 1 : 100).8 Die FDA hat kürzlich aufgrund von Spontanberichten über psychiatrische Reaktionen einschließlich Suizidgedanken und
gewalttätigem Verhalten unter CONCERTA und anderen Methylphenidat-Produkten Sicherheitsbedenken geäußert und plant entsprechende
Warnhinweise in den Produktinformationen.9
Das ADHS-Mittel Atomoxetin (STRATTERA) steigert die Suizidalität bei Kindern und Jugendlichen. Wegen der erheblichen Sicherheitsbedenken, die auch schwere
Leberfunktionsstörungen einschließen und die teilweise schon bei Markteinführung erkennbar waren, raten wir weiterhin von der Anwendung des
Mittels ab.
Suizidalität ist auch in Verbindung mit dem älteren ADHS-Mittel
Methylphenidat (CONCERTA u.a.) beschrieben. Die Indikation für Methylphenidat ist sehr streng zu stellen.
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