Das IQWiG und die Cholinesterasehemmer: Anfang September veröffentlichte das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im
Gesundheitswesen (IQWiG) seinen Vorbericht zum Nutzen von Cholinesterasehemmern bei ALZHEIMER-Demenz. Das Institut ist für Überraschungen gut:
Es zieht nämlich ein grundsätzlich positives Fazit. Für Donepezil (ARICEPT), Galantamin (REMINYL) und Rivastigmin (EXELON) wird ein Nutzen
"bezüglich des Therapieziels Besserung bzw. Erhalt der kognitiven Leistungsfähigkeit" konstatiert. Zudem gebe es für alle drei Substanzen
"Hinweise auf einen Nutzen im Hinblick auf das Therapieziel Besserung bzw. Verhinderung der Beeinträchtigung der Aktivitäten des täglichen
Lebens". Keinen Beleg finden die Autoren für einen Einfluss auf die Lebensqualität der Erkrankten und Angehörigen sowie auf Heimunterbringung
oder Mortalität (http://www.iqwig.de/index.403.html). Die Ergebnisse und
Schlussfolgerungen des Berichts haben Widerspruch ausgelöst (DEGAM: http://www.degam.de), da die fast ausschließlich durch die Hersteller durchgeführten Studien von
überwiegend schlechter methodischer Qualität sind. Zudem werden in ihnen lediglich Veränderungen auf verschiedenen Testskalen untersucht. Die
AD2000-Studie, die einzige, die mit der Häufigkeit von Heimeinweisungen einen klinisch relevanten Endpunkt untersucht - mit negativem Ergebnis (a-t 2004; 35: 67-8) -, bleibt aufgrund methodischer Mängel unberücksichtigt. Dagegen finden
sämtliche in dem Vorbericht als "grob mangelhaft" klassifizierten Studien Eingang in die Bewertung, immerhin acht von 22 Arbeiten. Hohe Abbruchrate,
Unklarheiten bei der Zuteilung der Patienten und bei der Erfassung der Endpunkte durch nicht verblindete Untersucher sind regelmäßige Mängel der
eingeschlossenen Studien. Letztlich beruht die positive Bewertung vor allem auf einem Vorteil von durchschnittlich 3 Punkten auf einer 70 Punkte umfassenden
kognitiven Leistungsskala (ADAS-cog) gegenüber Plazebo. Was diese jedoch in der Praxis bedeuten, wird nicht erklärt und ist vermutlich fern von
praktischer Relevanz. Konkret könnte es das Reproduzieren von drei zusätzlichen Begriffen in einem zum ADAS-cog gehörigen Gedächtnistest
bedeuten. Ist das relevant? Störwirkungen sind unter den Demenzmitteln häufig. Von gastrointestinalen Beschwerden sind 5% bis 40% der Patienten
betroffen. Die Nutzen-Schaden-Bilanz wird im Vorbericht jedoch unzureichend diskutiert. Werden mindestens 4 Punkte auf der ADAS-cog-Skala als "Ansprechen"
definiert, so müssen nach Daten aus einer Metaanalyse mit Auswertung von 16 Studien zehn Patienten behandelt werden, um dieses Ziel zu erreichen (Number
needed to treat). Dies entspricht aber in etwa der in der Metaanalyse errechneten Zunahme an Störwirkungen (Number needed to harm = 12; LANCTÔT,
K.L. et al.: CMAJ 2003; 169: 557-64). Die Ressourcen im Gesundheitswesen müssen sinnvoll auf Maßnahmen mit nachgewiesenem Nutzen verteilt
werden. Ein Nutzenbeleg steht für Cholinesterasehemmer nach wie vor aus, -Red.
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