STRONTIUMRANELAT: EINFLUSS AUF NICHTVERTEBRALE FRAKTUREN BELEGT? | ||
In a-t 12/2004 hatten Sie geschrieben, dass Strontiumranelat (PROTELOS) keinen Einfluss auf nichtvertebrale Frakturen hat. Der Hersteller behauptet nun, dass auch Hüft- sowie periphere Frakturen reduziert werden. Ich bitte um Stellungnahme, ob dies stimmt und welche neuen Studienerkenntnisse es seit Ihrer Stellungnahme 2004 gibt. Dr. med. J. WALTER (Facharzt für Innere Medizin) Unsere Einschätzung in a-t 2004; 35: 137-8, dass ein Einfluss von Strontiumranelat (PROTELOS) auf nichtvertebrale Frakturen nicht belegt ist, basiert auf dem öffentlichen
Beurteilungsbericht der europäischen Arzneimittelbehörde (European Public Assessment Report, EPAR), der eine Zusammenfassung der
wissenschaftlichen Erkenntnisse der Zulassungsbehörde beinhaltet.1 Strontiumranelat wurde auf der Grundlage der Drei-Jahres-Daten aus zwei
Phase-III-Studien, der kleineren SOTI*-Studie2 mit 1.649 Patientinnen und der größeren TROPOS*-Studie mit 5.091 Patientinnen, zur Behandlung
der postmenopausalen Osteoporose zugelassen. In beiden Studien werden laut EPAR vertebrale Frakturen signifikant gemindert, nichtvertebrale Frakturen jedoch
nicht, auch nicht in der primär auf diesen Endpunkt angelegten TROPOS-Studie (relatives Risiko [RR] 0,85; 95% Konfidenzintervall [CI] 0,71-
1,01).1
Wir gehen davon aus, dass die primäre Analyse des primären Endpunkts in der TROPOS-Studie so definiert war, wie sie im EPAR beschrieben ist, und dass die in der Publikation gebrauchten Adjustierungen sekundär sind oder möglicherweise erst post hoc definiert wurden. Die Unterschiede zwischen den Ergebnissen im EPAR und dem Zeitschriftenartikel sind medizinisch zweifellos ohne Relevanz. Die in der Publikation erzielte nominelle Signifikanz dürfte jedoch verkaufsfördernde Bedeutung haben. Hüftfrakturen werden in der Gesamtgruppe der TROPOS-Studie ebenfalls nicht signifikant beeinflusst (RR 0,85; 95% CI 0,61-1,19). Die Studie war allerdings auf diesen Endpunkt nicht primär angelegt und somit auch nicht hinreichend dafür gepowert. In einer nachträglich definierten Subgruppe aller Frauen von mindestens 74 Jahren und mit erniedrigter Knochendichte an der Hüfte ergibt sich für Strontium ein nominell knapp signifikanter Vorteil (RR 0,64; 95% CI 0,412-0,997).1,3 Als nachträglich definierte Subgruppenanalyse in einer primär negativ ausgefallenen Studie hat dieses Ergebnis unseres Erachtens jedoch keine Aussagekraft. In beiden Phase-III-Studien fällt der hohe Anteil der in der Nachbeobachtung verlorengegangenen Patientinnen auf: In der SOTI-Studie sind es 23,6%, in der TROPOS-Studie sogar 34,8%.2-4 Nach einer Faustregel für die kritische Studienbewertung ist ein Ergebnis bei einem Verlust von mehr als 20% der Patienten wegen zu großer Verzerrungsmöglichkeiten nicht mehr hinreichend vertrauenswürdig. Zuverlässige Aussagen über einen klinischen Effekt von Strontiumranelat insbesondere auf nichtvertebrale Frakturen lassen sich schon aus diesem Grund nicht treffen. Dies gilt auch für eine gepoolte Auswertung von SOTI- und TROPOS-Studie in der Subgruppe der mindestens 80-jährigen Frauen, bei denen Strontiumranelat das Risiko nichtvertebraler Frakturen signifikant senken soll.5 Derzeit wird mit 5-Jahres-Auswertungen aus der TROPOS-Studie geworben,6 die bislang nur als Kongressabstract verbreitet werden7 und somit nicht beurteilbar sind. Da bereits nach drei Jahren mehr als ein Drittel der Teilnehmerinnen verlorengegangen war, sind von diesen 5-Jahres-Auswertungen erst recht keine zuverlässigen Aussagen zu erwarten. Strontiumranelat geht mit potenziell lebensbedrohlichen thromboembolischen Komplikationen sowie zentralnervösen Störungen einschließlich Krampfanfällen einher. Angesichts des unzureichend nachgewiesenen klinischen Nutzens erachten wir die Nutzen-Schaden-Bilanz des Mittels als negativ. Ein günstiger Einfluss von Strontiumranelat (PROTELOS) auf nichtvertebrale Frakturen ist nicht nachgewiesen. Aufgrund der hohen Verluste in der Nachbeobachtung in den beiden Phase-III-Studien lassen sich zuverlässige Aussagen über einen klinischen Nutzen von Strontiumranelat überhaupt nicht treffen. Angesichts lebensbedrohlicher thromboembolischer und schwerwiegender zentralnervöser Komplikationen bei nicht hinreichend nachgewiesenem klinischen Nutzen erachten wir die Nutzen-Schaden-Bilanz von Strontium unverändert als negativ. |
| (R= randomisierte Studie, M = Metaanalyse) | |
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1 |
EMEA: Europ. Beurteilungsbericht (EPAR) PROTELOS, Stand Okt. 2004; http://www.emea.europa.eu/humandocs/Humans/EPAR/protelos/protelos .htm (aktueller Stand mit unveränderten Angaben zur TROPOS-Studie vom März 2007) |
R |
2 |
MEUNIER, P.J. et al.: N. Engl. J. Med. 2004; 350: 459-68 |
R |
3 |
REGINSTER, J.Y. et al.: J. Clin. Endocrinol. Metab. 2005; 90: 2816-22 |
M |
4 |
O'DONNELL, S. et al.: Strontium ranelate for preventing and treating postmenopausal osteoporosis. The Cochrane Database of Systematic Reviews 2007, Issue 3; Stand Aug. 2006 |
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5 |
SEEMAN, E. et al.: J. Bone Miner. Res. 2006; 21: 1113-20 |
6 |
Ärzte Zeitung vom 25. Mai 2007 | |
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7 |
REGINSTER, J.Y. et al.: Calcif. Tissue Internat. 2007; 80 (Suppl. 1): S47 |
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