KOPFLAUSMITTEL ETOPRIL - A-T-AUSSAGE FALSCH UND IRREFÜHREND?
An einer für Deutschland geplanten Vergleichsstudie des Dimeticon-haltigen Kopflausmittels ETOPRIL mit Standardtherapie habe der Hersteller Dr. Wolff kein Interesse, schrieben wir in a-t 2008; 39: 42. Dazu äußert sich die Firma:
Ich würde mich freuen, wenn Sie mir mitteilen könnten, wer Ihnen über eine bereits geplante Studie berichtet hat, bzw. wer auf mehrfache Nachfrage ... kein Interesse an einer solcher Studie gezeigt hat. Leider ist diese Aussage nämlich falsch und irreführend. Eine solche Studie ist zurzeit nur deshalb nicht geplant, weil bereits zwei Studien aus England vorliegen, die durchaus vergleichbar sind. Wie aus diversen Publikationen bekannt ist, gibt es nämlich hinsichtlich der Wirksamkeit zwischen Pyrethroiden, im Speziellen auch zwischen Phenothrin und Permethrin, keine signifikanten Unterschiede. Eine Notwendigkeit für weitere Studien gibt es deshalb nicht.
E. R. DÖRRENBERG (Geschäftsf. Gesellschafter von Dr. Wolff)
D-33611 Bielefeld
Interessenkonflikt: keiner
Uns liegt ein Schreiben von B. MÜHLBAUER, Leiter des Instituts für Klinische Pharmakologie des Klinikums Bremen-Mitte, vor, in dem dieser bestätigt, im Frühjahr 2007 bei der Firma Wolff "eine vergleichende, randomisierte Studie zur Wirksamkeit des Präparates angeregt und eine konzeptionelle Unterstützung bei der Planung und Durchführung einer solchen Studie angeboten" zu haben, da ihm "die Effektivität des Präparates unter Alltagsbedingungen in Deutschland nicht ausreichend belegt schien".1
Irreführend sind unseres Erachtens vielmehr die Aussagen des Herstellers: In den beiden erwähnten Studien2,3 wird Dimeticon mit Phenothrin und Malathion verglichen. Beide Wirkstoffe sind hierzulande nicht im Handel. Da bereits die Art der Zubereitung eines Wirkstoffes im fertigen Produkt die Wirksamkeit stark beeinflussen kann, gelten die Ergebnisse ausschließlich für die getesteten Produkte und lassen sich schon gar nicht auf die hierzulande erhältlichen Wirkstoffe übertragen (a-t 2006; 37: 79-83). Dies gilt auch für die Verträglichkeit, da sich die Produkte in der Art der Anwendung (z.B. Verweildauer im Haar) unterscheiden. Zudem ist bekannt, dass in Großbritannien - im Gegensatz zu Deutschland - Resistenzen gegenüber Pyrethroiden verbreitet sind. In der Vergleichsstudie mit Phenothrin2 bestand der Kopflausbefall bei der Mehrzahl der Teilnehmer bereits seit Monaten, viele hatten zuvor erfolglos Insektizide verwendet.
Abgesehen von der fehlenden Übertragbarkeit der Ergebnisse auf Deutschland schränken methodische Mängel die Aussagekraft beider Studien ein (fehlerhafte Zuteilung der Prüfpräparate u.a., vgl. auch a-t 2008; 39: 42 und 2007; 38: 104-5). Die Wirksamkeit von ETOPRIL - mit dokumentierter Läusefreiheit bei 65%2 bzw. 58%3 ohnehin unbefriedigend - ist daher unseres Erachtens unzureichend belegt. Dies gilt ebenso für die anderen beiden Dimeticon-haltigen Kopflausmittel, NYDA L und JACUTIN PEDICUL Fluid, die das Silikon in anderer Zubereitung enthalten, als in den britischen Studien geprüft. Zu diesen beiden Präparaten gibt es überhaupt keine vollständig veröffentlichten klinischen Studien.
Umso unverständlicher ist es, dass der Gemeinsame Bundesausschuss sämtliche Dimeticon-haltigen Kopflausmittel zum 1. Juli 2008 in die Liste verordnungsfähiger Medizinprodukte aufgenommen hat. Die dafür erforderlichen Voraussetzungen - unter anderem muss der therapeutische Nutzen des Medizinproduktes dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnis entsprechen und eine andere, zweckmäßigere Behandlungsmöglichkeit nicht verfügbar sein4 - sind unseres Erachtens nicht erfüllt, -Red.
(R = randomisierte Studie) | ||
1 | MÜHLBAUER, B.: Schreiben vom 15. Juni 2008 | |
R | 2 | BURGESS, I.F. et al.: BMJ 2005; 330: 1423 (4 Seiten) |
R | 3 | BURGESS, I.F. et al.: PloS ONE 2007; 2: e1127 |
4 | Gemeinsamer Bundesausschuss: Tragende Gründe zum Beschluss über eine Änderung der Arzneimittel-Richtlinie (AMR)/Anlage 12 - verordnungsfähige Medizinprodukte; 19. Juni 2008; zu finden unter http://www.g-ba.de |
© 2008 arznei-telegramm, publiziert am 4. Juli 2008
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