WEITERE EXTERNA BEI HERPES LABIALIS
In Ihrer Mai-Ausgabe (a-t 2008; 39: 58-9) geben Sie einen guten Überblick über äußerliche antivirale Mittel bei Herpes labialis. Zur Ergänzung für die tägliche Praxis wäre auch ein Vergleich mit anderen im Handel befindlichen Topika wie Zinksulfat, Heparin oder auch den neuen Pflastern COMPEED Herpesbläschen-Patch wünschenswert.
A. MÖCK (Apothekerin)
D-86316 Friedberg
Interessenkonflikt: keiner
Zinksulfat (1%; VIRUDERMIN) wird als Adstringens zur Frühbehandlung von Herpes labialis angeboten. Zinkionen sollen antiviral wirken, indem sie sich an die Membran der Herpesviren anlagern und so den Befall gesunder Zellen unterbinden.1 In einem randomisierten doppelblinden Vergleich mit 79 Patienten wird Zinksulfat im Vergleich zur Gelgrundlage vom Arzt als signifikant besser wirksam beurteilt,2 ohne dass definiert wird, was beispielsweise "sehr gute" oder "mäßige" Wirksamkeit bedeuten. Zudem wurde das Mittel deutlich häufiger aufgetragen als in der VIRUDERMIN-Fachinformation empfohlen (tagsüber alle 2 Stunden, entsprechend etwa 8 x/Tag, Fachinfo: bis 4 x täglich). Die Therapiekosten (berechnet für 0,1 g Gel/Anwendung) betragen bei vier- bzw. achtmaliger Applikation 0,40 € bzw. 0,80 €/ Tag.
Für die Zinksulfat-Heparin-Kombination LIPACTIN behauptet der Anbieter eine dreifache Wirkung: Sie soll die Bindung des Herpesvirus an die Zellwand verhindern, die Viren inaktivieren und das Durchdringen der Zellmembran und damit die Replikation hemmen.3 Das Mittel wird bei den ersten Zeichen einer akuten Attacke drei- bis sechsmal täglich aufgetragen. Plazebokontrollierte doppelblinde Studien, die den klinischen Nutzen von LIPACTIN belegen, gibt es nach Aussage eines Reviews,4 auf die der Hersteller explizit verweist,5 nicht. In zwei randomisierten Studien mit 91 beziehungsweise 131 ausgewerteten Patienten, die an akuten Herpesrezidiven verschiedener Lokalisation leiden, soll sich die Zinksulfat-Heparin-Kombination hinsichtlich einer Vielzahl untersuchter Parameter (z.B. Zeitpunkt des Wirkungseintritts, diverse subjektive und objektive Symptome, globale therapeutische Wirkung) gegenüber den Einzelsubstanzen6 beziehungsweise dem Amantadinabkömmling Tromantadin (VIRU-MERZ Serol)7 als überlegen erwiesen haben. Die Aussagekraft der Untersuchungen ist allerdings aufgrund gravierender methodischer Mängel gering: Beispielsweise werden Behandlungsgruppen und verwendete statistische Verfahren nicht beschrieben, Endpunkte nicht definiert und die verschiedenen Lokalisationen nicht getrennt ausgewertet. In einer der beiden Untersuchungen7 wird nicht einmal erwähnt, ob sie verblindet durchgeführt wurde oder nicht. Die andere Studie war offen. Für LIPACTIN sind bei fünfmal täglicher Anwendung von jeweils 0,1 g Gel pro Tag 1,26 € aufzuwenden.
Der Amantadin-Abkömmling Tromantadin fehlte in unserer Auflistung antiviraler Lokaltherapeutika (a-t 2008; 39: 59). 1980 erwog das damalige Bundesgesundheitsamt ein Verkaufsverbot Tromantadin-haltiger Präparate und begründete dies mit einem Missverhältnis zwischen dem verhältnismäßig geringen Nutzen und der hohen Kontaktallergierate (bis 7%; a-t 1980; Nr. 12: 102). Die Kontaktdermatitiden hatten teilweise einen so schweren Verlauf, dass eine stationäre Behandlung erforderlich wurde. Die Reaktionen lassen sich zudem schwer von einer Herpesläsion unterscheiden und können deshalb bei scheinbarer Verschlechterung der Grunderkrankung zu verstärkter Lokalbehandlung verleiten.8 1982 wurde der Wirkstoff verschreibungspflichtig. Wegen der Gefahr der Sensibilisierung darf Tromantadin zudem nicht angewendet werden, wenn bereits Bläschen aufgetreten sind.9,10 Auch nach Einführung der Rezeptpflicht wird weiterhin über kontaktallergische Reaktionen berichtet. Unseres Erachtens gehört Tromantadin vom Markt, zumal es auch in späteren Untersuchungen11,12 keinen Vorteil gegenüber externem Aciclovir (ZOVIRAX, Generika) erkennen lässt.
Neuerdings wird auch ein Hydrokolloid-haltiges Pflaster (COMPEED Herpesbläschen-Patch) zur Behandlung von Lippenherpes angeboten. Die transparenten Pflaster sollen einerseits die Läsionen weniger sichtbar machen und andererseits vor Verschmutzung und weiteren Infektionen schützen, für optimale Heilungsbedingungen sorgen, die Symptome lindern und einer Verkrustung und damit einer Narbenbildung vorbeugen.13 Plazebokontrollierte Studien finden wir per Datenbankrecherche (PubMed, Cochrane) nicht. Nach einem aktuell publizierten Vergleich mit 728 randomisierten Patienten, von denen 351 im Studienzeitraum ein Herpesrezidiv erleiden und die Pflaster oder externes Aciclovir anwenden, unterscheidet sich die mittlere Zeit bis zur Abheilung der Läsion nicht signifikant (wichtigster sekundärer Endpunkt; COMPEED: 7,57 Tage; Aciclovir: 7,03 Tage).14 Das Ergebnis einer Nichtunterlegenheitsanalyse, die für den Fall eines fehlenden signifikanten Unterschieds geplant war, wird nicht berichtet. Die Differenz von 0,5 Tagen zu Gunsten von Aciclovir entspricht zudem exakt dem Vorteil, der in zwei Studien für das Nukleosidanalogon gegenüber Plazebo dokumentiert ist. Unseres Erachtens ist ein klinischer Nutzen der Pflaster nicht hinreichend belegt. Lokalreaktionen kommen unter ihnen aber häufiger vor als unter Aciclovir.14 Die Pflaster sollen durchschnittlich acht bis zehn Stunden haften. Bei einem Packungspreis von 8,95 € für 15 Stück sind für 3 Pflaster pro Tag 1,79 € aufzuwenden.
(R = randomisierte Studie) | ||
1 | Robugen: Fachinformation VIRUDERMIN, Stand April 2008 | |
R | 2 | KNEIST, W. et al.: Arneim.-Forsch./Drug Res. 1995; 45: 624-6 |
3 | Louis Widmer: Fachinformation LIPACTIN, Stand Okt. 2003 | |
4 | DUMMER, R.: hautnah schweiz 2004; Nr. 3: 1-6 | |
5 | Louis Widmer: E-Mail vom 30. Mai 2008 | |
R | 6 | HOLZMANN, H. et al.: Akt. Dermatol. 1988; 14: 64-7 |
R | 7 | BRISCH, J. et al.: Z. Allg. Med. 1987; 63: 928-31 |
8 | Dtsch. Apoth. Ztg. 1982; 122: 1559 | |
9 | Arzneimittelkommission der dt. Ärzteschaft: Dtsch. Ärztebl. 1982; 79: B46 | |
10 | Merz: Fachinformation VIRU-MERZ Serol, Stand März 2006 | |
R | 11 | DIEZEL, W. et al.: Arzneim.-Forsch./Drug Res. 1993; 43: 491-6 |
R | 12 | OSTHEIMER, K.E. et al.: Arzneim.-Forsch./Drug Res. 1989; 39: 1152-5 |
13 | Johnson & Johnson: Werbung; http://www.compeed.de | |
R | 14 | KARLSMARK, T. et al.: J. Eur. Acad. Dermatol. Venereol. 2008; publ. am 6. Mai 2008 (9 Seiten) |
© 2008 arznei-telegramm, publiziert am 4. Juli 2008
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