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Erhöht kardiovaskuläre Prophylaxe mit B-Vitaminen das Krebs- und Sterberisiko?

B-Vitamine (Vitamin B12, Folsäure [B9] und Vitamin B6) senken erhöhte Homozysteinspiegel, die mit erhöhter Sterblichkeit und gesteigertem kardiovaskulären Risiko assoziiert sind. Dass mild bis mäßig erhöhte Spiegel, die bei 5% bis 7% der Bevölkerung vorkommen sollen, tatsächlich einen Risikofaktor darstellen, hat sich bisher jedoch nicht bestätigt. Die präventive Einnahme von B-Vitaminen hat nach den konsistenten Ergebnissen der vorliegenden großen randomisierten Langzeitstudien keinen Einfluss auf schwere kardiovaskuläre Erkrankungen wie Herzinfarkt oder Schlaganfall. Zu diesem Schluss kommt auch ein im Oktober publiziertes Cochrane-Review, in dem acht Interventionsstudien von mindestens zwölfmonatiger Dauer mit insgesamt 24.210 Teilnehmern ausgewertet werden (MARTI-CARVAJAL, A.J. et al.: Homocysteine lowering interventions for preventing cardovascular events. The Cochrane Database of Systematic Reviews 2009, Issue 4; Stand Aug. 2008; vgl. a-t 2008; 39: 70-1). Eine gepoolte Nachauswertung von zwei dieser randomisierten Langzeitstudien (NORVIT, WENBIT*), die in Norwegen durchgeführt und 2004 bzw. 2005 beendet wurden, weckt dagegen zusätzlich Zweifel an der Sicherheit dieser Prävention. Mit Hilfe des norwegischen Krebsregisters und des norwegischen Registers für Todesursachen überprüfen die Autoren bei allen Studienteilnehmern (insgesamt 6.837) mit Ausnahme derjenigen, die emigrieren (0,6%) oder die Nachbeobachtung verweigern (0,9%), Krebserkrankungen und Todesfälle bis Dezember 2007. Innerhalb einer medianen Nachbeobachtung von 6,5 Jahren finden sie unter mehrjähriger Einnahme von täglich 0,8 mg Folsäure plus 0,4 mg Vitamin B12 gegenüber Nichteinnahme ein erhöhtes Risiko für Krebserkrankungen (Hazard ratio [HR] 1,21; 95% Konfidenzintervall [CI] 1,03-1,41), Krebssterblichkeit (HR 1,38; 95% CI 1,07-1,79) und Sterblichkeit insgesamt (HR 1,18; 95% CI 1,04-1,33). Das im faktoriellen Design ebenfalls geprüfte Vitamin B6 zeigt keine derartigen Effekte (EBBING, M. et al.: JAMA 2009; 302: 2119-26). Dass die Analyse nachträglich geplant wurde, schränkt ihre Aussagekraft ein. Zwei weitere große randomisierte Langzeitstudien zur kardiovaskulären Prävention mit B-Vitaminen und insgesamt knapp 11.000 Teilnehmern, in denen die Krebsinzidenz prospektiv erfasst wurde, finden kein erhöhtes Risiko (The HOPE** 2 Investigators: N. Engl. J. Med. 2006; 354: 1567-77; ZHANG, S.M. et al.: JAMA 2008; 300: 2012-21). Da diese beiden Studien überwiegend oder ausschließlich in den USA durchgeführt wurden, ist zumindest denkbar, dass die dortige Anreicherung von Getreide mit Folsäure einen negativen Effekt der Studienmedikation verdeckt haben könnte. In Norwegen gibt es eine solche Anreicherung nicht. Wir erachten die Ergebnisse der norwegischen Studien als Risikosignal für die Prävention kardiovaskulärer Erkrankungen mit Folsäure und Vitamin B12. Da ein Nutzen nicht belegt ist, ist von dieser Prophylaxe abzuraten, -Red.

* NORVIT = Norwegian Vitamin
WENBIT = Western Norway B Vitamin Intervention Trial
** HOPE = Heart Outcomes Prevention Evaluation

© 2009 arznei-telegramm, publiziert am 4. Dezember 2009

Autor: Redaktion arznei-telegramm - Wer wir sind und wie wir arbeiten

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