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Korrespondenz

CILOSTAZOL (PLETAL): NEUE DATENLAGE?

In der deutschen Leitlinie der Angiologen werden zu Cilostazol (PLETAL, zweimal täglich 100 mg) bei Patienten mit Claudicatio intermittens sechs randomisierte plazebokontrollierte Studien aufgeführt. Die maximale Gehstrecke nehme im Mittel um 76% zu gegenüber 20% unter Plazebo. Auch die Lebensqualität werde durch Cilostazol verbessert. Hat sich die Studienlage seit der Neueinführung 2007 (a-t 2007; 38: 27-8) verändert?

B. HOFMEIER (Facharzt für Allgemeinmedizin)
D-98527 Suhl
Interessenkonflikt: keiner

Einer aktuellen Metaanalyse zufolge wird die Wirksamkeit des Phosphodiesterase-III-Hemmers Cilostazol (PLETAL; a-t 2007; 38: 27-8) in zehn randomisierten Doppelblindstudien in einer Dosis von zweimal täglich 100 mg bei Claudicatio intermittens mit der von Plazebo verglichen. Sieben Positivstudien wurden vollständig publiziert,1-7 drei Negativstudien nicht (vgl. a-t 2010; 41: 1-3). Vier Studien, darunter eine Negativstudie, dauern lediglich 12 oder 16 Wochen. Da deren Ergebnisse aufgrund der kürzeren Nachbeobachtung nicht direkt mit denen der sechs 24-wöchigen Studien vergleichbar sind, werden sie von der Auswertung ausgeschlossen.8 Auch die europäische Arzneimittelbehörde EMA fordert für Zulassungsstudien bei peripherer arterieller Verschlusskrankheit (pAVK) eine minimale Dauer von sechs Monaten.9 Für die maximale Gehstrecke wird für Cilostazol eine mittlere Verlängerung um 24,6% gegenüber Plazebo errechnet. Die schmerzfreie Gehstrecke wird im Mittel nur um 13,4% gesteigert. Daten zur Lebensqualität sind in den Studien unvollständig und wahrscheinlich selektiv berichtet. Sie deuten zwar eine Verbesserung der körperlichen Funktion durch Cilostazol an, insgesamt wird die Lebensqualität aber nicht verbessert.8 In den Studien gehören anscheinend weder Therapiestandards wie überwachtes Gehtraining und Thrombozytenaggregationshemmung zur Basistherapie noch werden ausschließlich Patienten mit erheblich eingeschränkter Lebensqualität und einer Gehstrecke unter 200 m eingeschlossen, die ein Gehtraining nicht oder nur eingeschränkt durchführen können. Die Ergebnisse sind somit auf optimal therapierte Patienten bzw. auf solche, auf die die erwähnte Leitlinie10 zielt, nicht übertragbar.

Die Sicherheit von Cilostazol ist inzwischen besser untersucht. Die Therapie einer Herzinsuffizienz mit Phosphodiesterase-III-Hemmern erhöht die Mortalität.11 Cilostazol ist daher bei Herzinsuffizienz kontraindiziert. Da zum Zeitpunkt der Zulassung in den USA 1999 nicht ausgeschlossen werden konnte, dass Cilostazol bei Patienten mit pAVK ohne Herzinsuffizienz die Mortalität steigert, forderte die US-amerikanische Arzneimittelbehörde FDA damals eine Sicherheitsstudie. In dieser randomisierten plazebokontrollierten Doppelblindstudie werden 1.435 Patienten mit Claudicatio intermittens, aber ohne Herzinsuffizienz, im Mittel 23 Monate nachbeobachtet. Gehtraining ist nicht vorgesehen. 72% nehmen Azetylsalizylsäure (ASPIRIN, Generika), 27% Clopidogrel (PLAVIX, Generika) und 12% Warfarin (COUMADIN). Mehr als 60% brechen die Therapie ab. Bei geringeren Ereignisraten als erwartet wird die Studie vorzeitig beendet. Einen Hinweis auf Übersterblichkeit findet die Studie zwar nicht, bei weitem Konfidenzintervall kann aber unter Cilostazol eine Erhöhung der Mortalität um 88% nicht ausgeschlossen werden (Hazard Ratio 0,99; 95% Konfidenzintervall 0,52-1,88). Schwere Blutungen treten unter Cilostazol nicht häufiger auf als unter Plazebo.11 Einer nachträglich durchgeführten Auswertung dieser Studie zufolge sollen zerebrovaskuläre Ereignisse (Schlaganfall, transitorisch ischämische Attacke oder Karotis-Revaskularisierung) unter Cilostazol zwar signifikant seltener auftreten als unter Plazebo (3,2% versus 6,1%).12 Das Ergebnis bedarf jedoch der Bestätigung.

∎  Einer aktuellen Metaanalyse zufolge verlängert der Phosphodiesterase-III-Hemmer Cilostazol (PLETAL) in einer Dosis von zweimal täglich 100 mg die maximale Gehstrecke gegenüber Plazebo um 24,6% und die schmerzfreie Gehstrecke um 13,4%.

∎  Welche symptomatische Wirkung Cilostazol bei Anwendung von Therapiestandards wie überwachtem Gehtraining und Thrombozytenaggregationshemmung hat sowie bei Patienten, die ein Gehtraining nicht oder nur eingeschränkt durchführen können, ist unklar.

∎  Eine Langzeitsicherheitsstudie kann eine relevante Steigerung der Mortalität nicht ausschließen. Wir raten von der Anwendung von Cilostazol ab.

  (R =randomisierte Studie, M = Metaanalyse)
R  1 DAWSON, D.L. et al.: Circulation 1998; 98: 678-86
R  2 ELAM, M.B. et al.: Arterioscler. Thromb. Vasc. Biol. 1998; 18: 1942-7
R  3 MONEY, S.R. et al.: J. Vasc. Surg. 1998; 27: 267-74
R  4 BEEBE, H.G. et al.: Arch. Intern. Med. 1999; 159: 2041-50
R  5 STRANDNESS, D.E. et al.: Vasc. Endovascular Surg. 2002; 36: 83-91
R  6 DAWSON, D.L. et al.: Am. J. Med. 2000; 109: 523-30
R  7 O´DONNELL, M.E. et al.: Eur. J. Vasc. Endovasc. Surg. 2009; 37: 326-35
M  8 SQUIRES, H. et al.: School of Health and Related Research (ScHARR) Technology Assessment Group: Cilostazol, naftidrofuryl oxalate, pentoxifylline and inositol nicotinate for the treatment of intermittent claudication in people with peripheral arterial disease – Assessment Report, Stand 21. Okt. 2010; http://www.nice.org.uk/nicemedia/live/12265/51580/51580.pdf
9 EMA: Note for Guidance on Clinical Investigation of Medicinal Products in the Treatment of Peripheral Arterial Occlusive Disease, Stand 25. April 2002 http://www.ema.europa.eu/docs/en_GB/document_library/Scientific _guideline/2009/09/WC500003341.pdf
10 Deutsche Gesellschaft für Angiologie, Gesellschaft für Gefäßmedizin: Leitlinien zur Diagnostik und Therapie der peripheren arteriellen Verschlusskrankheit (PAVK), Stand 27. April 2008 http://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/065-003_S3_Diagnostik_und_ Therapie_der_peripheren_arteriellen_Verschlusskrankheit__PAVK__03-2009_05-2012.pdf
R  11 HIATT, W.R. et al.: J. Vasc. Surg. 2008; 47: 330-336
R  12 STONE, W.M. et al.: J. Stroke Cerebrovasc. Dis. 2008; 17: 129-33

© 2011 arznei-telegramm, publiziert am 14. Januar 2011

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