NEUES ZU THROMBOEMBOLIEN UNTER DROSPIRENON-PILLEN (IN YASMIN U.A.)
Das Thromboembolierisiko unter Drospirenon-haltigen Kontrazeptiva* (YASMIN u.a.), das bisher mit dem 1,6-fachen von so genannten Zweitgenerationspillen beziffert wurde (a-t 2009; 40: 100), könnte nach zwei soeben veröffentlichten Fallkontrollstudien firmenunabhängiger Autoren unterschätzt werden.* Drospirenon-haltige Pillen erhöhen den neuen Studien zufolge das Thromboembolierisiko im Vergleich zu Levonorgestrel auf das Zwei- bis Dreifache: In beiden Untersuchungen sind die Daten von Frauen einbezogen, die im Zeitraum ab 2002 Drospirenon- oder Levonorgestrel-haltige Kontrazeptiva eingenommen und keine relevanten identifizierbaren Risikofaktoren für venöse Thromboembolien haben. Hierdurch unterscheiden sich die neuen Untersuchungen von den älteren, in denen nichtidiopathische Ereignisse (Frauen mit anderen bekannten Risikofaktoren für venöse Thromboembolien) unzureichend ausgeschlossen waren.1 Nach Auswertung der elektronischen Krankenakten britischer Allgemeinmediziner errechnen die Autoren der ersten Studie aus 61 idiopathischen venösen Thromboembolien und 215 Kontrollen eine Odds Ratio (OR) von 3,3 (95% Konfidenzintervall [CI] 1,4-7,6).1 Zu ähnlichen Ergebnissen kommt die zweite, US-amerikanische Studie, die allerdings auf weniger zuverlässigen Versicherungsdaten beruht: Aus 186 neu diagnostizierten idiopathischen venösen Thromboembolien und 681 Kontrollen ergibt sich eine Odds Ratio von 2,3 (95% CI 1,6-3,2). Die Inzidenz venöser Thromboembolien unter Drospirenon wird auf 23,0 bzw. 30,8 pro 100.000 Frauenjahre (95% CI 13,4-36,9 bzw. 25,6-36,8), unter Levonorgestrel auf 9,1 bzw. 12,5 (CI 6,6-12,2 bzw. 9,61-15,9) geschätzt.1,2
Der Hersteller Bayer versucht die Relevanz der Daten herunterzuspielen. Das Thromboembolierisiko sei „vergleichbar mit anderen empfängnisverhütenden Mitteln”. Bayer verweist dabei auf für Drosperinon günstige, von der Firma gesponserte Beobachtungsstudien wie EURAS** und INGENIX**.3 Diese erachten wir aufgrund massiver methodischer Mängel als nicht aussagefähig (a-t 2007; 38: 95-6). Auffällig ist, dass vier herstellerunabhängige Studien gleich lautend einen Anstieg der Thromboemboliegefährdung um das 1,6- bis 3,3-Fache ergeben, während firmengesponserte Daten keinen signifikanten Risikoanstieg erkennen lassen. Klinisch relevante Vorteile sind für Drospirenon nicht auszumachen.
Zwei aktuelle herstellerunabhängige Fallkontrollstudien lassen für Drospirenon-haltige Kontrazeptiva (YASMIN u.a.) ein zwei- bis dreifach höheres Thromboembolierisiko erkennen als für Pillen mit Levonorgestrel (LEIOS u.a.).
Erneut raten wir von der Verordnung Drospirenon-haltiger Kontrazeptiva ab. Wir ziehen niedrig dosierte Levonorgestrel-haltige Pillen vor.
1 | PARKIN, L. et al.: BMJ 2011; 342: d2139 (7 Seiten) |
2 | JICK, S.S., HERNANDEZ, R.K.: BMJ 2011; 342: d2151 (8 Seiten) |
3 | Bayer: Bayer Affirms Benefit-Risk Profile of Its Oral Contraceptives, Pressemitteilung vom 21. Apr. 2011 |
* | Im April 2011 hat sich eine „Selbsthilfegruppe Drospirenon Geschädigter” gegründet: www.risiko-pille.de |
** | EURAS = European Active Surveillance Study INGENIX = Name des privaten Forschungsunternehmens, das die Studie durchgeführt hat |
© 2011 arznei-telegramm, publiziert am 6. Mai 2011
Autor: Redaktion arznei-telegramm - Wer wir sind und wie wir arbeiten
Diese Publikation ist urheberrechtlich geschützt. Vervielfältigung sowie Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen ist nur mit Genehmigung des arznei-telegramm® gestattet.