RABATTIERTE GRIPPEIMPFSTOFFE: AOK-NORDWEST ZIEHT ENDLICH DIE RICHTIGEN KONSEQUENZEN
Einen Tag nach Drucklegung des Oktober-a-t, in dem wir über den Skandal um die rabattierten Grippeimpfstoffe in Hamburg, Schleswig-Holstein und Bayern berichten (Link zum Beitrag: http://www.arznei-telegramm.de/blitz-pdf/B121012_Blickpunkt), hat die AOK-Nordwest gestern beschlossen, den Rabattvertrag mit der Firma Novartis einseitig auszusetzen: Wie schon in Bayern können jetzt auch in Hamburg und Schleswig-Holstein Ärzte auf Impfstoffe anderer Hersteller zurückgreifen, solange Novartis BEGRIPAL ohne Kanüle nicht liefern kann. Was in Bayern bereits vor einer Woche bekannt war, dass nämlich Novartis frühestens Ende November lieferfähig ist, lässt sich jetzt auch im Norden nicht mehr schönreden: Offiziell wird zwar Mitte November als „möglicher Liefertermin“ genannt (1), intern geht man aber offensichtlich bereits davon aus, dass die volle Lieferfähigkeit nicht vor Anfang Dezember gegeben ist (2). Über die Gründe für die Lieferprobleme schweigt sich Novartis aus (3).
Wir begrüßen die von uns bereits am 26. September 2012 (blitz-a-t vom 26. Sept. 2012) geforderte Freigabe des Impfstoffmarktes. Ob die Grippeimpfung in Hamburg und Schleswig-Holstein jetzt tatsächlich reibungslos beginnen kann, ist allerdings fraglich: Da andere Hersteller auf die Produktion großer Mengen für Bayern und den Norden verzichtet haben, nachdem Novartis die diesjährige Ausschreibung dort gewonnen hatte, gibt es möglicherweise nicht genügend Ersatzimpfstoffe. Statt der Firma „zu erlauben“, anstelle des Vertragsimpfstoffs ihre umstrittenen Ersatzvakzinen FLUAD und OPTAFLU anzubieten (2), hätten die Kassen besser schon früher die Notbremse gezogen. OPTAFLU stößt auf geringe Akzeptanz. Einige Arztpraxen sollen die auf tumorigenen MDCK-Zellen hergestellte Vakzine wegen Sicherheitsbedenken schon zurückgeschickt haben (2). Nach Informationen des NDR treiben die Bemühungen der Kassen, ausreichend Ersatzimpfstoff zu organisieren, die Kosten zudem nach oben. „Damit wäre die Absicht, durch eine Ausschreibung und zentrale Bestellung von Grippemitteln Geld zu sparen, spektakulär gescheitert“, so der NDR (4). Darüber hinaus drohen den Kassen Schadenersatzprozesse durch Novartis. Eine einvernehmliche Aussetzung des Exklusivvertrages hatte der Hersteller wegen Gewinneinbußen (!) am Donnerstagmittag abgelehnt (2). Zu hoffen ist, dass das „spektakuläre Scheitern“ dieser Impfstoffausschreibung weitere Folgen haben wird und das Prinzip der Rabattverträge neu überdacht wird.
1 | AOK-Nordwest et al.: Presseerklärung vom 11. Okt. 2012 http://www.aok.de/assets/media/nordwest/pi_grippeimpfung_11-10-12.pdf |
2 | Hamburger Abendblatt: „Kassen ziehen Notbremse und geben Grippe-Impfstoffe frei“, 11. Okt. 2012 |
3 | DAZ.online: „AOK-Nordwest gibt Impfstoffversorgung frei“; 11. Okt. 2012
http://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/pharmazie/news/2012/10/11/aok-nordwest-gibt-impfstoffversorgung-frei/8468.html |
4 | NDR 1 Welle Nord: „Krankenkassen haben die Nase voll“, 10. Okt. 2012 http://www.ndr.de/regional/schleswig-holstein/grippe113.html |
© Redaktion arznei-telegramm, blitz-a-t 12. Oktober 2012
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