ZUM AUSTAUSCH VON LEVOTHYROXIN-PRÄPARATEN
In a-t 2013; 44: 44-5 fassen wir den Kenntnisstand zur Umstellung von Antiepileptika-Originalen auf Nachfolgepräparate zusammen (vgl. auch Seite 54). Besonders umstritten ist der Wechsel auf und zwischen Generika auch beim Schilddrüsenhormon Levothyroxin (EUTHYROX, Generika). Levothyroxin gilt vielfach als Mittel mit enger therapeutischer Breite,1 wenngleich nicht im Sinne akuter Toxizität bei geringer Dosiserhöhung.2 Aus Studien zu den Folgen einer subklinischen Schilddrüsendysfunktion, definiert als erhöhtes oder erniedrigtes thyreotropes Hormon (TSH) bei normalen Schilddrüsenhormonspiegeln, ergeben sich aber Hinweise, dass geringe Dosisänderungen langfristig relevante klinische Konsequenzen haben können.3,4 Über- oder Unterbehandlung kann mit negativen Effekten etwa auf Wachstum und Entwicklung von Kindern und Jugendlichen, Knochenmetabolismus oder kardiovaskuläre Funktion einhergehen.1 Eine sorgfältige Dosistitrierung wird empfohlen,1 insbesondere im Rahmen der Therapie von Patienten mit Schilddrüsenkarzinom, bei älteren Patienten – vor allem mit vorbestehenden kardiovaskulären Erkrankungen – Kindern oder Schwangeren.2,5,6
Um die Schwierigkeiten zu überwinden, die durch die unterschiedlichen Spiegel des vom zugeführten Levothyroxin nicht unterscheidbaren endogenen Schilddrüsenhormons bedingt sind, wird die Bioäquivalenz heute mit einer supratherapeutischen Dosis von 600 µg bei gesunden Freiwillligen geprüft, bei einem Äquivalenzbereich von 80% bis 125% (vgl. a-t 2013; 44: 44-5).2,7 Dieses Vorgehen wird besonders von Markenherstellern und den von ihnen unterstützten Meinungsbildnern seit Jahren als zu insensitiv kritisiert. Die im Gegenzug vorgeschlagene Bioäquivalenzprüfung bei athyreoten Patienten mit der TSH-Konzentration als Messparameter wird von den Behörden nicht akzeptiert, vor allem wegen der hohen Variabilität des TSH-Spiegels, der vielen Einflüssen unterliegt.8
Daten zu den klinischen Folgen des Wechsels von Levothyroxinoriginalen auf Generika oder zwischen verschiedenen Generika sind außerordentlich spärlich. Eine 2010 publizierte Umfrage von zwei amerikanischen endokrinologischen Gesellschaften und der internationalen Endocrine Society, die alle vom Markenanbieter Abbott unterstützt werden, ergibt 199 Verdachtsberichte über unerwünschte Effekte in Zusammenhang mit einer Änderung des TSH-Spiegels, von denen 89% nach einem Präparatewechsel aufgetreten sind.9 Die Aussagekraft dieser Umfrage ist allerdings zweifelhaft: Da die Autoren im Kopf des Fragebogens bereits mögliche Probleme mit der Austauschbarkeit von Levothyroxinpräparaten thematisieren,10 ist nicht von einem repräsentativen und unverzerrten Rücklauf auszugehen, der zudem offenbar weniger als 10% beträgt. In einer Anfang dieses Jahres veröffentlichten offenen randomisierten Cross-over-Studie mit 31 hypothyreoten Kindern wird das US-amerikanische Markenpräparat SYNTHROID mit einem Generikum verglichen, das laut Zulassung mit SYNTHROID bioäquivalent ist. Unter der achtwöchigen Einnahme des Generikums liegen die TSH-Werte signifikant höher als unter dem Markenpräparat (im Median 1,8 mU/l versus 0,7 mU/l). Der Unterschied betrifft nur die Kinder mit kongenitaler Hypothyreose. Bei der Mehrzahl liegen die TSH-Werte jedoch auch unter dem Generikum im Referenzbereich. Von den drei klaren „Ausreißern” (TSH 9,4 mU/l bis 17,8 mU/l) unter dem Nachfolgepräparat sind zudem zwei wegen Non-Compliance nicht interpretierbar. Die Autoren schließen dennoch aus den Ergebnissen, dass die beiden Präparate bei kongenitaler Hypothyreose nicht bioäquivalent sind und raten zur Vorsicht vor dem Austausch auch bei anderen gefährdeten Patientengruppen.11
Bioäquivalenzstudien zu den in Deutschland verfügbaren Levothyroxingenerika wurden mehrheitlich, aber nicht durchgängig mit LEVOTHYROXIN-HENNING als Referenzprodukt durchgeführt. Referenzpräparat kann zum Beispiel auch eine in einem anderen EU-Land erhältliche Levothyroxinzubereitung sein.12 Nachvollziehen lässt sich dies für Verordner nicht: Wenn sich in Fachinformationen der Generika überhaupt Angaben zu Bioäquivalenzstudien finden, ist das Referenzpräparat nicht näher bezeichnet.
Nach Einschätzung der Britischen Arzneimittelbehörde gehört Levothyroxin nicht zu den Arzneimitteln mit hoher Löslichkeit, sodass von einem möglichen Einfluss von Hilfsstoffen oder Produktionsverfahren auf die Absorption auszugehen ist.2 Vergleiche zur Wirkstofffreisetzung, wie sie das Zentrallaboratorium Deutscher Apotheker (ZL) regelmäßig zu Original- und Nachfolgepräparaten durchführt, wurden in Verbindung mit Levothyroxinzubereitungen seit Jahren nicht mehr vorgenommen.13
Levothyroxin hat zudem bekanntermaßen ein komplexes Stabilitätsprofil. Die Stabilität von Levothyroxinzubereitungen ist anfällig gegenüber Einflussfaktoren wie Licht, Feuchtigkeit, Temperatur, Sauerstoff oder bestimmten Hilfsstoffen. Auch für den Herstellungsprozess ergeben sich aufgrund der Stabilitätsprobleme besondere Anforderungen.2 Der Wirkstoffgehalt von Arzneimitteln darf im Allgemeinen nicht mehr als 5% nach oben oder unten von der deklarierten Menge abweichen. Bei instabilen Stoffen können die Grenzen weiter sein. Konkrete Zahlen für Levothyroxinpräparate in Deutschland verweigert das BfArM auf Anfrage: Dabei handelt es sich nach Einschätzung der Behörde um Betriebsgeheimnisse.7
Die Kosten für ein günstiges Levothyroxingenerikum unterscheiden sich von einem Original bei einer Tagesdosis von 150 µg um maximal 3,84 € pro Jahr (Jahreskosten auf der Basis der Listenpreise für 100er-Packungen 57,41 € bis 61,25 €). Auch mit Rabattverträgen dürften sich angesichts dieser Preise nur sehr geringe Einsparungen erzielen lassen. Nach Empfehlung der Fachinformationen soll ein Präparatewechsel nur unter Überwachung auch der labordiagnostischen Parameter erfolgen. Angesichts der geringen Ersparnismöglichkeiten erscheint uns dieser zusätzliche Aufwand, der ja auch mit Mehrkosten verbunden ist (TSH-Test: 3 €), wenig gerechtfertigt. Bei Gesamtschau der Daten ist es unseres Erachtens daher vernünftig, bei gut auf ein Levothyroxinpräparat eingestellten Patienten das Produkt nicht zu wechseln.
Levothyroxin (EUTHYROX, Generika) ist ein preisgünstiges Altarzneimittel, bei dem sich durch Wechsel zwischen den Handelspräparaten nur sehr geringe Einsparungen erzielen lassen.
Levothyroxin wird andererseits zu den Arzneimitteln mit enger therapeutischer Breite gerechnet, bei denen der Austausch von Handelspräparaten problematisch sein kann.
Daten zu den klinischen Folgen eines Wechsels von Levothyroxinpräparaten sind äußerst begrenzt. Für die in Deutschland vermarkteten Levothyroxinprodukte mangelt es zudem an nachvollziehbaren vergleichenden Bioäquivalenz- und Qualitätsdaten.
Uns scheint es daher vernünftig, bei gut auf ein Levothyroxinpräparat eingestellten Patienten das Präparat nicht zu wechseln, sondern aut idem anzukreuzen.
1 | AbbVie Inc.: US-amerikanische Produktinformation SYNTHROID, Stand Sept. 2012 |
2 | MHRA: Levothyroxine Tablet Products: A Review of Clinical & Quality
Consideration, Jan. 2013;
http://www.mhra.gov.uk/home/groups/
pl-p/documents/drugsafetymessage/con222566.pdf |
3 | GREEN, W.L.: AAPS J. 2005; 7: E54-8 |
4 | FRANKLYN, J.A.: Clin. Endocrinol. 2013; 78: 1-8 |
5 | American Thyroid Association et al.: Thyroid 2004; 14: 486 |
6 | Arzneimittelbrief 2009; 43: 31b |
7 | BfArM : Schreiben vom 16. Apr. 2013 |
8 | LIONBERGER, R. (FDA): Diavortrag Public Meeting for Levothyroxine Sodium Therapeutic Equivalence, Mai 2005; zu finden unter: http://www.fda.gov/Drugs/DrugSafety /PostmarketDrugSafetyInformationfor PatientsandProviders/ucm161290.htm |
9 | HENNESSEY, J.V. et al.: Endocr. Pract. 2010; 16: 357-70 |
10 | American Thyroid Association et al.: Thyroid Pharmacovigilance Project; http://www.thyroidpharmacovigilance.org/ ?uid=718bd1fd6955edd5f0246188c919ee49 |
R 11 | CARSWELL, J.M. et al.: J. Clin. Endocrinol. Metab. 2013; 98: 610-7 |
12 | BfArM: Schreiben vom 1. Okt. 2009 |
13 | KAUNZINGER, A. (ZL): persönliche Mitteilung |
© 2013 arznei-telegramm, publiziert am 7. Juni 2013
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