OKTANDIOL (ETOPRIL LÄUSESCHAUM)
Seit Mai 2014 bietet die Firma Dr. Wolff unter dem Markennamen ETOPRIL neben ihrer Dimeticon-haltigen Lösung (ETOPRIL Lösung, a-t 2007; 38: 104-5 und 2008; 39: 42) eine Schaumzubereitung an, die mit Oktandiol (ETOPRIL Läuseschaum) ein hierzulande neuartiges physikalisch wirkendes Insektizid gegen Kopfläuse enthält. In Großbritannien ist ein identisches Präparat (HEDRIN TREAT & GO) schon länger im Handel.1 In Werbeanzeigen2 steht die neue Form der Zubereitung im Vordergrund. Dass das Produkt auch einen anderen Wirkstoff enthält als die Lösung, wird hingegen nicht erwähnt. Wie die Dimeticon-haltige Lösung wird der Schaum im trockenen Haar verteilt und muss mindestens acht Stunden lang bzw. über Nacht einwirken. Nach sieben Tagen ist die Anwendung zu wiederholen.3
EIGENSCHAFTEN: Oktandiol ist ein langkettiger zweiwertiger Alkohol, der auch in Kosmetika und Körperpflegemitteln verwendet wird.4 Wie bei anderen gegen Kopfläuse angebotenen Medizinprodukten, beispielsweise auf Dimeticonbasis, wird als Wirkmechanismus eine Störung des Wasserhaushalts der Läuse angenommen.3,4 Während Oktandiol dies über eine Schädigung der Schutzschicht auf dem Chitinpanzer der Tiere erreichen soll,3 dringt Dimeticon in die Tracheen der Läuse ein.5,6
Als einziger Nutzenbeleg für den Oktandiol-haltigen Schaum wird auf der Webseite des Anbieters eine Arbeit zitiert, in der neben präklinischen Daten verschiedene klinische Untersuchungen referiert werden.4 Die jetzt vermarktete Zubereitung wird allerdings nur in einer dreiarmigen randomisierten Studie mit insgesamt 121 Kindern und Erwachsenen mit mehrheitlich mäßigem oder starkem Kopflausbefall* geprüft. Den primären Endpunkt, der neben Läusefreiheit auch Reinfestation nach Beseitigung umfasst – ein unseres Erachtens fehlerträchtiges und daher wenig geeignetes Kriterium –, erreichen nach zweimaliger Anwendung bei einer Einwirkzeit von mindestens acht Stunden 31 von 40 Teilnehmern (77,5%). Bei einer verkürzten Behandlungsdauer von zwei Stunden sinkt die „Erfolgsrate" auf 41,5% (17/41). Die dritte Gruppe wendet eine Zubereitung an, die zusätzlich 20% Isopropanol enthält und sich in einer früheren Studie als wirksam erwiesen hat, deren Entwicklung wegen schlechter Verträglichkeit jedoch nicht weiter verfolgt wurde.4
* | Beim ersten Kammstrich wird mindestens eine Laus entdeckt.4 |
Unter der jetzt erhältlichen Zubereitung sollen zwei (acht Stunden Einwirkzeit) bzw. vier (zwei Stunden Einwirkzeit) Personen über Störwirkungen geklagt haben.4 Konkrete Angaben fehlen. In der Packungsbeilage werden Kribbeln oder Jucken der Kopfhaut und Reizung der Augen bei versehentlichem Kontakt aufgeführt.3 Im Gegensatz zu ETOPRIL Lösung, unter der schwerste Verbrennungen beschrieben sind (a-t 2009; 40: 24), soll der neue Schaum keine Bestandteile enthalten, die sich beim Föhnen der Haare entzünden können.1 Da aber geringe Restmengen organischer Verbindungen auf den Haaren verbleiben und eine stärkere Brennbarkeit nicht ausgeschlossen werden kann, soll das behandelte Haar von offenen Flammen ferngehalten werden.1,3
Der Oktandiol-haltige ETOPRIL Läuseschaum wird zum gleichen Preis angeboten wie die Dimeticon-haltige ETOPRIL Lösung (14,95 € für 100 ml; Österreich: HEDRIN TREAT & GO; 15,95 € für 60 ml). Nur die Dimeticon-haltige Lösung, nicht aber der Oktandiol-haltige Schaum, darf für Kinder bis 12 Jahre und Jugendliche bis 18 Jahre mit Entwicklungsstörungen zu Lasten der GKV verordnet werden. In der so genannten Entwesungsmittelliste des Umweltbundesamts ist keines der beiden Präparate gelistet.7
Mit ETOPRIL Läuseschaum ist ein weiteres Medizinprodukt gegen Kopfläuse auf dem Markt, das mit Oktandiol ein hierzulande neuartiges physikalisch wirkendes Insektizid enthält.
Wie bei anderen Läusemitteln ist die Datenlage zu Oktandiol unbefriedigend. Wir bleiben daher bei unserer Empfehlung, ein vom Umweltbundesamt geprüftes und in die Entwesungsmittelliste aufgenommenes Präparat zu verwenden, in erster Linie das physikalisch wirkende Dimeticon-haltige JACUTIN PEDICUL Fluid. Von Sprayzubereitungen wie NYDA raten wir ab (vgl. a-t 2008; 39: 125, blitz-a-t vom 8. Juli 2009).
(R = randomisierte Studie) | |
1 | Dr. Wolff: Schreiben vom 9. Okt. 2014 |
2 | Dr. Wolff: ETOPRIL Läuseschaum Werbung; Tagesspiegel v. 18. Aug. 2014 |
3 | Dr. Wolff: Gebrauchsinform. ETOPRIL Läuseschaum, Stand April 2014 |
R 4 | BURGESS, I.F. et al.: PLoS ONE 2012; 7: e35419 (11 Seiten) |
5 | BURGESS, I.F.: BMC Pharmacol. 2009; 9: 3 (8 Seiten) |
6 | KUHN, C. et al.: UMID 2010; Nr. 2: 9-11; http://www.a-turl.de/?k=eesd |
7 | Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit: Bundesgesundheitsbl. - Gesundheitsforsch. - Gesundheitsschutz 2008; 51: 1220-38 http://www.a-turl.de/?k=liru |
© 2014 arznei-telegramm, publiziert am 17. Oktober 2014
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