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Kurz und bündig

AWMF verharmlost Interessenkonflikte

Zwei Positionspapiere1,2 der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF e.V.) zu Fortbildung und Kooperation mit der Industrie sorgen für Irritationen. Im Bestreben, Regelwerke für die Schaffung von Transparenz zu etablieren, verharmlost die Arbeitsgemeinschaft die Problematik der Beziehungen zwischen Fachkreisen und Warenanbietern. Formulierungen, wonach die Zusammenarbeit von Wissenschaft und Industrie auf „die Natur der Medizin als Anwendungs- und Handlungswissenschaft zurückzuführen“1 sei, erwecken – wie Leitlinienwatch, Transparency International und MEZIS kritisch anmerken3 – den Eindruck, es handele sich um eine natürliche Symbiose. Zudem schwächt die AWMF die Bemühungen um Industrie-unabhängige Fortbildungsveranstaltungen: Sie behauptet, dass Kongresse und Industrieveranstaltungen ohne finanzielle Unterstützung „nicht in dem notwendigen Maße umsetzbar“1 seien und akzeptiert und festigt so die finanzielle Abhängigkeit der Fortbildung von der Industrie – als gäbe es keine Vorbilder für teilnehmerfinanzierte Fortbildung, wie beispielsweise bei Juristen. In einer Pressemitteilung4 anlässlich der Kritik3 an den Positionspapieren relativiert die Arbeitsgemeinschaft: Verzicht auf Kofinanzierung werde „nicht in jedem Fall gelingen“.4 Die Einstufung von Industrieausstellungen während wissenschaftlicher Kongresse als „im Hinblick auf ergänzende Inhalte sinnvolle und für die Neutralität der wissenschaftlichen Tagung unschädliche Veranstaltungen“, sofern Interessenkonflikte dokumentiert werden,2 kommt einem Freibrief gleich. Die AWMF betont zwar, dass das Wohl der Patienten im Vordergrund jeder Kooperation stehen muss,1 verliert aber kein Wort über die potenziellen negativen Folgen des Firmeneinflusses für Patienten, Ärzte und die Fachgesellschaften selbst (vgl. a-t 2019; 50: 108-10). Sichtbarmachen von Interessenkonflikten reicht nicht aus. Eine Arbeitsgemeinschaft wissenschaftlicher Fachgesellschaften, die Werbeveranstaltungen wie Industrieausstellungen unkritisch als „wertvolle Ergänzungen zum wissenschaftlichen Vortragsangebot“2 sieht, schadet der Reputation und dem Vertrauen in die wissenschaftliche Kompetenz und Unabhängigkeit von Fachgesellschaften. Die AWMF wäre gut beraten, beide Positionspapiere1,2 zurückzuziehen und durch überarbeitete Versionen zu ersetzen, die Nutzen und Schaden von Industriekontakten abwägen, –Red.

1AWMF: Die Kooperation medizinischer Wissenschaften und Industrie, Nov. 2021; https://a-turl.de/mtb8
2AWMF: Positionspapier zur Qualitätssicherung wissenschaftlich basierter Fortbildungen, Febr. 2022; https://a-turl.de/y69j
3leitlinienwatch.de, Transparency International Deutschland, MEZIS: Stellungnahme vom 2. März 2022; https://a-turl.de/9jjr
4AWMF: Pressemitteilung vom 9. März 2022

© 2022 arznei-telegramm, publiziert am 18. März 2022

Autor: Redaktion arznei-telegramm - Wer wir sind und wie wir arbeiten

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