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Therapieempfehlung

BARBITURATE NACH SCHWEREN KOPFTRAUMEN?

Zu der noch immer nicht geklärten Kontroverse, welche Medikamente nach Schädel-Hirn-Traumen Verlauf und Prognose verbessern können (vgl. a-t 3 [1988], 25), gehört die Anwendung der Barbiturate. Diese gibt es seit 1864. Seit der zweiten Hälfte der dreißiger Jahre wird ihre Anwendung bei Schädel-Hirn-Traumen diskutiert, als man entdeckte, daß während der Barbituratnarkose der lumbal gemessene Liquordruck abnahm.

Nach einer kritischen Wertung des Schrifttums aus 72 Literaturhinweisen kann der Verzicht auf Barbiturate nach schweren Schädelverletzungen nicht als schädlich angesehen werden. Wer auf Barbiturate in der Behandlung intrakranieller Druckerhöhungen nicht verzichten will, sollte sie nur bei liegender arterieller und intrakranieller Druckmeßsonde verabreichen und den zerebrovaskulären Effekt mittels eines Barbituratbolus vor kontinuierlicher Gabe prüfen. Hierbei ist zu ermitteln, ob intrakranielle Drucksenkungen nicht lediglich Ausdruck einer arteriellen Drucksenkung sind. Die Orientierungsformel lautet: Zerebraler Perfusionsdruck gleich arterieller Mitteldruck minus intrakranieller Druck. Somit ergibt sich, daß Barbiturate allenfalls dann angezeigt sein können, wenn sie den zerebralen Perfusionsdruck steigern. In vielen Fällen läßt sich durch die Bolusinjektion bereits belegen, daß das Barbiturat den zerebralen Perfusionsdruck senkt und damit schadet.1

Eine prospektive Untersuchung an 16 Patienten mit hoher Barbituratdosis (3,3 - 1,8 mg/kg/h), 14 Patienten mit niedriger Barbituratdosis (1,7 - 0,6 mg/kg/h) und 13 Patienten ohne Barbituratmedikation unter maschineller Beatmung ergab keine Unterschiede hinsichtlich der Prognose und Mortalität, aber deutlich häufiger nosokomiale Pneumonien nach hoher Barbituratdosis.2

FAZIT: Für die Gabe von Barbituraten bei schweren Schädel-Hirntraumen läßt sich kein Vorteil hinsichtlich Prognose oder Mortalität nachweisen. Das Risiko nosokomialer Infektionen scheint aber erhöht zu sein, insbesondere auch durch die Eröffnung des Schädels für die intrakranielle Drucksonde.

1

MOSKOPP, D. et al.: Neurosurg. Rev. 14 (1991), 195

2

EBERHARDT, K. E. W. et al.: Infection 20 (1992), 12


© 1992 arznei-telegramm

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