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VERGLEICH: KÜNSTLICHES SURFACTANT (EXOSURF)
MIT NATÜRLICHEM SURFACTANT (ALVEOFACT, SURVANTA)

Die Gabe von natürlichem Surfactant aus Rinder-oder Schweinelungen hat die Überlebensraten Frühgeborener mit Atemnotsyndrom deutlich erhöht (vgl. a-t 4 [1990], 38). Die nun in den USA entwickelten künstlichen Surfactantpräparate lassen sich in unbegrenzter Menge herstellen und sollen eine Sensibilisierung gegen Fremdeiweiß verhindern.

WIRKUNG: Surfactant verringert die Oberflächenspannung in den Alveolen und erleichtert damit den Gasaustausch. Hauptbestandteile des künstlichen Surfactants sind oberflächenspannungsreduzierende Phospholipide. Natriumchlorid fördert die Resorption der dem Surfactant zugesetzten Flüssigkeitsmenge.1 Proteine fehlen beim künstlichen Surfactant.

APPLIKATION: Im Gegensatz zu der natürlichen Surfactantapplikation, bei der durch die Bolusgabe für kurze Zeit die Beatmung unterbrochen wird, wird künstliches Surfactant als Kurzinfusion zwischen 4 und 30 Minuten über einen Adapter direkt in den Tubus gegeben. Während der Bolus eine schnelle Verbesserung der Oxygenierung mit rascher Reduktion der Beatmungsparameter ermöglicht, sinkt der Sauerstoffbedarf nach EXOSURF-Gabe vergleichsweise langsam, möglicherweise erst nach zwei bis sechs Stunden.2

KLINISCHE STUDIEN: Bisher liegen nur Doppelblindstudien mit der Instillation von Luft oder Natriumchlorid als Plazebo vor. Kontrollierte Vergleichsstudien zwischen künstlichem und natürlichem Surfactant fehlen.

Natürliche Surfactantpräparate (ALVEOFACT/ SURVANTA): In 11 plazebokontrollierten Studien (381 behandelte Kinder versus 371 Kinder ohne Therapie) konnte nachgewiesen werden, daß Surfactant die Überlebensrate kleiner Frühgeborener von 67% auf 81% erhöht. Außerdem nimmt das Risiko einer bronchopulmonalen Dysplasie (BPD) in der Therapiegruppe ab (54% zu 34%).3 Die breite prophylaktische Gabe von Surfactant hat sich nicht als sinnvoll erwiesen.4

Künstliche Surfactantpräparate (EXOSURF): In amerikanischen Untersuchungen wurden insgesamt 419 Kinder mit einem Geburtsgewicht von 700 - 1.350 g behandelt (Kontrollgruppe 213 Kinder).5 Dabei stieg die Überlebensrate ohne BPD-Entwicklung von 61% auf 75% an. Die Letalität sank von 28% auf 15%.

In einer weiteren Doppelblindstudie wurden 1.237 Kinder mit einem Geburtsgewicht über 1.250 g behandelt (Kontrollgruppe 619 Kinder). Die Überlebensrate ohne BPD-Entwicklung stieg von 89% auf 94%, die Letalität sank von 8% auf 5%.6

In 11 kontrollierten Studien mit unterschiedlichen künstlichen Surfactantpräparaten an insgesamt 809 Frühgeborenen sank die Letalität von 23% auf 16% und die BPD-Entwicklung von 21% auf 17%.7

NEBENWIRKUNGEN: Eine Sensibilisierung ist durch die Bildung von Anti-Surfactant Immunkomplexen möglich, die nach Gabe von natürlichem Surfactant im Plasma nachweisbar sind. Nach heutigen Untersuchungen bleiben diese ohne klinische Relevanz, die immunogene Potenz ist letztlich nicht geklärt.8,9

Lungenblutungen treten bei 1% der behandelten Kinder unter künstlichem Surfactant auf und korrelieren mit der Lungenreife. Bei 0,3% tritt ein Tubusverschluß auf. Die Inzidenz für Hirnblutungen ist erhöht (52% zu 48%). Nosokomiale Pneumonien kommen vermutlich infolge Hemmung zellulärer Immunmechanismen durch die exogene Surfactantgabe vermehrt vor (7% zu 5%).10 Apnoen treten bei behandelten Kindern häufiger (65%) als ohne Behandlung (48%) auf, werden aber aufgrund der kürzeren Beatmungsdauer in diesem Kollektiv als Marker für eine bessere Überlebenschance des Kindes gedeutet.

KONTRAINDIKATIONEN: Im Gegensatz zu den natürlichen Surfactantpräparaten ist künstliches Surfactant erst bei Frühgeborenen über 700 Gramm zugelassen.

DOSIERUNG UND KOSTEN: Die Surfactantgabe kann bis zu viermal erfolgen, wobei die Einzeldosis des künstlichen Surfactants höher ist als die des natürlichen. Die Kosten von SURVANTA (4 ml/kg Körpergewicht [KG]) betragen 2.553,60 DM (8 ml Flasche, ausreichend für 2 kg KG) und liegen damit 3-4fach über denen von ALVEOFACT (1,2 ml/kg KG) mit DM 880,99 (1,2 ml Flasche, ausreichend für 1 kg KG) und von EXOSURF (5 ml/kg KG) mit DM 600,00 (8 ml Flasche, ausreichend für 1,6 kg KG). Auf die Verschwendung durch die 8 ml Ampulle SURVANTA bei Kindern unter 1000 g wiesen wir in a-t 4 (1990), 38 hin. Auch durch die 8 ml EXOSURF-Ampulle ist Verschwendung unumgänglich. Die kühlgelagerte Suspension muß vor Gebrauch auf Körpertempertur angewärmt werden. Wegen fraglicher Stabilität sind Reste zu verwerfen.

FAZIT: Eine endgültige Aussage über Vor- und Nachteile von natürlichen und künstlichen Surfactantpräparaten wird erst zu treffen sein, wenn kontrollierte Studien vorliegen, die beide Substanzgruppen miteinander vergleichen. Die in einigen Untersuchungen angedeutete schlechtere Wirksamkeit von künstlichem Surfactant könnte auf das Fehlen wichtiger Proteine zurückzuführen sein. Die Kombination von künstlichem Surfactant und gentechnisch hergestellten rekombinanten menschlichen Surfactantproteinen verbessert möglicherweise die Wirksamkeit. Aufgrund der Applikationsart und des langsamen Ansprechens ist die Gabe von künstlichem Surfactant in Notfallsituationen nicht angezeigt. Der Preis erscheint wegen der kostengünstigeren industriellen Produktion im Vergleich zu natürlichen Präparaten als zu hoch.


© 1992 arznei-telegramm

Autor: Redaktion arznei-telegramm - Wer wir sind und wie wir arbeiten

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