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Neu auf dem Markt

INDIKATION ALS GEGENANZEIGE?
ANALGETIKUM KETOROLAC (TORATEX)

Die Bilder gleichen sich: Vor gut zehn Jahren kam der nicht-steroidale Entzündungshemmer Zomepirac (ZOMAX) mit der Behauptung "trifft nur den Schmerz und nicht den Patienten" auf den Markt,1 mußte jedoch ein Jahr später wegen häufiger und schwerer pseudoallergischer und allergischer Reaktionen mit anaphylaktischem Schock, Nierenversagen und disseminierter intravasaler Koagulation vom Markt genommen werden (vgl. a-t 3 [1983], 18).

Heute bewerben Syntex/Sanofi-Winthrop die "neue analgetische Substanz" Ketorolac (TORATEX) fast gleichlautend: "trifft den Schmerz und nicht den Menschen".2 Ketorolac ist ein naher chemischer Verwandter von Zomepirac (vgl. Formeln).

EIGENSCHAFTEN: Wie andere nichtsteroidale Entzündungshemmer wirkt Ketorolac über die Hemmung der Prostaglandinsynthese entzündungshemmend, schmerzdämpfend und fiebersenkend. Seine Wirkungen setzen innerhalb von 10 bis 15 Minuten ein und halten 6-8 Stunden an. Wie alle nichtsteroidalen Analgetika/Antiphlogistika hemmt Ketorolac Uteruskontraktionen und kann zum vorzeitigen intrauterinen Verschluß des Ductus botalli mit Lungenhochdruck des Neugeborenen führen. Es ist deshalb in der Geburtshilfe kontraindiziert.

DOSIERUNG: Zur Akutbehandlung mäßiger bis starker Schmerzen werden Tagesdosen bis zu 4 x 10 mg per os oder 4 x 30 mg i.m. angegeben. Höhere Einzel- und Tagesdosierungen bringen keinen weiteren Nutzen, verschlechtern jedoch die Verträglichkeit. Die Empfehlung von 30 mg i.m. bei starken Schmerzen erscheint nicht hinreichend begründet, da in Studien 10 mg zum Teil gleich gut wirken wie 30 mg.6 Möglicherweise ist diese Dosisempfehlung wie damals bei Zomepirac aus Marketinggründen zu hoch angesetzt, um Ketorolac in Vergleichsstudien besser abschneiden zu lassen. Das Risiko dosisabhängiger Störeffekte und pseudoallergischer Reaktionen steigt dadurch.

KLINISCHE STUDIEN: Parenteral wirken 30 mg Ketorolac i.m. etwa gleich gut wie 10 mg Morphin, 30 mg Pentazocin (FORTRAL), 100 mg Pethidin (DOLANTIN) oder 75 mg Diclofenac (VOLTAREN u.a.). 10 mg per os sollen in etwa 100 mg Pentazocin (FORTRAL) oder 1000 mg Parazetamol plus 60 mg Kodein (z.B. in NEDOLON P) entsprechen. Die Mehrzahl der Ketorolac-Studien werden im wissenschaftlichen Prospekt als unveröffentlichter "Syntex Final Report" zitiert und entziehen sich so der Beurteilung.

Wegen "dünner klinischer Dokumentation" lehnten die norwegischen Behörden eine Zulassung des Mittels auch im zweiten Anlauf ab: "Es fehlt eine hinreichende Grundlage zur Beurteilung von Störwirkungen und klinischen Effekten des Präparates im Vergleich zu anderen nichtsteroidalen Entzündungshemmern in der Schmerzbehandlung."7

UNERWÜNSCHTE WIRKUNGEN: Mit den typischen unerwünschten Effekten nicht-steroidaler Entzündungshemmer ist zu rechnen einschließlich Übelkeit (12%), Durchfall (bis 9%), Abdominalschmerzen und -krämpfen (13%), Dyspepsie (12%), Magenulzera und Magenblutungen sowie Anaphylaxie, Larynxödem, Asthma, Pankreatitis, Hepatitis mit und ohne Ikterus, postoperative Blutungen und schwere Hautschäden wie LYELL- und STEVENS-JOHNSON-Syndrom. Zomepirac löste neben diesen Stoffgruppen-typischen Störeffekten auffällig häufig allergische Erkrankungen aus. Dies könnte auch für Ketorolac gelten.

Die Ampullen werden ausschließlich zur "Akutbehandlung" postoperativer Schmerzen angeboten. Diese "Indikation" erachten wir als Kontraindikation. Bei Kreislaufbelastung wie Streß und Volumenmangel nach Polytrauma und großen Operationen bewirken Prostaglandinsynthetasehemmer Nierenversagen infolge Ausschaltung der Autoregulation des renalen Blutflusses. Medikamente dieser Stoffgruppe dürfen deshalb frühestens vier Tage nach der Operation angewendet werden (vgl. a-t 2 [1990], 25). In den USA wird deutlich auf nierenschädigende Effekte des Mittels hingewiesen: "Die gefährlichsten Risiken in Verbindung mit Ketorolac-Injektion sind Ulzera, Blutungen und Perforationen im Magen-Darm-Trakt, renale Effekte von interstitieller Nephritis bis zu akutem Nierenversagen, besonders bei Patienten mit vorbestehenden Nierenproblemen sowie Blutungen und Überempfindlichkeitsreaktionen."3 Flankenschmerz mit oder ohne Hämaturie bzw. Azotämie – Marktrücknahmegrund auch für das "abgestürzte" Suprofen* – ist beschrieben.

* SUPROL (z.B. Schweiz) von Cilag, wurde in Deutschland nicht eingeführt.

In der deutschen Fachinformation wird der Hinweis, "daß belastende operative Eingriffe mit einer Einschränkung der Nierenfunktion einhergehen können" und "der Einsatz von Ketorolac nach solchen Eingriffen erst bei Vorliegen einer adäquaten Nierenfunktion erfolgen" solle, der pathophysiologischen Zwangsläufigkeit der schweren Störwirkungen nicht gerecht. Der medizinische Direktor von Syntex steuert zudem gegen: "Aufgrund seines günstigen Nebenwirkungsprofils ist Ketorolac insbesondere zur Behandlung von postoperativen Schmerzen sehr gut geeignet."5

FAZIT: Ketorolac (TORATEX) wirkt als nichtsteroidaler Entzündungshemmer wie Diclofenac (z.B. VOLTAREN). Das teure Präparat (vgl. Kasten) soll als Schmerzmittel profiliert werden. Seine analgetische Wirksamkeit wird durch einige Studien belegt, die zum großen Teil nicht veröffentlicht sind. Die norwegischen Behörden versagten der Neuerung "wegen dünner klinischer Dokumentation" von Nutzen und Risiken die Marktzulassung.

Cave: Entgegen den Herstellerangaben erachten wir die Indikation "Akutbehandlung postoperativer Schmerzen" als Gegenanzeige, da alle nichtsteroidalen Entzündungshemmer wegen des Risikos von Nierenversagen nicht zur postoperativen Schmerzbehandlung geeignet sind und mindestens 4 Tage postoperativ gemieden werden sollen. Für die postoperative Schmerzbehandlung eignen sich Opioide am besten.

Die chemische Verwandtschaft zu Zomepirac (ZOMAX, wegen schwerer allergischer Reaktionen außer Handel) und Tolectin (TOLMETIN) rückt Ketorolac in die Nähe potentiell immunogener Problemarzneimittel. Für leichte bis mittelschwere Schmerzen sehen wir keine Anwendungsnische für Ketorolac, da ausreichend dosiertes Parazetamol (BEN-U-RON u.a.), ggf. in Kombination mit Kodein (NEDOLON P u.a.), Azetylsalizylsäure (ASPIRIN u.a.) oder Ibuprofen (BRUFEN u.a.) gut wirken. Bei Koliken der Gallen- und Harnwege können erprobte Substanzen wie Diclofenac neben Isosorbiddinitrat plus Morphin verwendet werden.


© 1992 arznei-telegramm

Autor: Redaktion arznei-telegramm - Wer wir sind und wie wir arbeiten

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