Nach wie vor sind Ursache und Ätiologie der in Schüben verlaufenden und auf den Dickdarm beschränkten Kolitis ulzerosa unbekannt
(vgl. a-t 5 [1990], 44).
Das in den 30er Jahren zur Behandlung der Kolitis ulzerosa entdeckte Sulfonamid-Salizylat-Derivat Sulfasalazin (AZULFIDINE, COLO-PLEON) gilt immer
noch als Mittel der Wahl zur Behandlung der milden bis mäßigen Erkrankung sowie zur Erhaltungstherapie nach Remission. Mesalazin (5-
Aminosalizylsäure; CLAVERSAL u.a.), die Salizylathälfte des Sulfasalazin-Moleküls, wirkt in äquivalenten Dosierungen vergleichbar gut. Wird
Sulfasalazin vertragen, ist eine Umstellung des Sulfasalazin (monatlich ca. 115 - 145 DM bei 3 g/Tag) auf Mesalazin (monatlich ca. 145 - 155 DM bei 1,5 bzw. 1,6
g/Tag) nicht notwendig. Das Doppelsalizylat Olsalazin (DIPENTUM) wird erst im Kolon bakteriell in zwei Mesalazin-Moleküle gespalten. Bis zu 30% der
Patienten klagen über Durchfall.1 Ob die pharmakokinetischen Unterschiede zwischen Mesalazin und Olsalazin klinisch von Bedeutung sind, bleibt zu
klären. Alle Mesalazinpräparate können nephrotoxisch wirken. Für Patienten mit vorbestehenden Nierenschäden sind
Mesalazinpräparate ungeeignet.2
In einer aktuellen Vergleichsstudie zwischen Olsalazin und Mesalazin an 100 Patienten schneidet Olsalazin besser ab.3 Olsalazin ist Mesalazin
überlegen, vor allem bei linksseitiger Colitis,1,3 vermutlich durch zuverlässige Wirkstofffreisetzung im linken Colon.3
Die gegen Ende der 40er Jahre in die Therapie ulzerierender Darmschleimhauterkrankungen eingeführten systemischen Kortikosteroide und das
adrenokortikotrophe Hormon ACTH (Corticotrophin [ACETHROPAN]) ermöglichen eindrucksvolle Remissionen und eine Verringerung von
Komplikationen und Mortalität. Wegen der bekannten Störwirkungen der Steroide ist die systemische Langzeitanwendung bzw. Schubprophylaxe
problematisch. Hochdosierte systemische Steroide bzw. ACTH eignen sich daher in erster Linie zur Kontrolle schwerer Krankheitsverläufe.1
Rektale Darreichungsformen vermindern systemische unerwünschte Wirkungen. Mit Mesalazin-Zäpfchen und Klysmen läßt sich die
ulzerative Proktitis gut behandeln sowie die Therapie der linksseitigen Kolitis ergänzen. Die von den meisten Patienten besser vertragenen Zäpfchen
kommen wahrscheinlich besonders für die auf 1-5 cm begrenzte Proktitis in Betracht, während Klysmen für Patienten mit ausgedehnterer Erkrankung
Vorteile bieten können.1
Rektale Steroide sind Mesalazin nicht überlegen. Für einige Patienten eignen sich evtl. Steroid-Klysmen besser. Bezüglich der Dauertherapie gelten
die gleichen Vorbehalte wie für die Einnahme per os. Verschiedene rektal schlecht absorbierbare Steroide wie Prednisolon (KLISMACORT Rektalkapseln) und
in der Aerosoltherapie gebräuchliche Abkömmlinge wie Beclomethasondipropionat (SANASTHMYL u.a.), Tixocortolpivalat (TIOVALON) und Budesonid
(BUDESONID) wurden zur Behandlung der Kolitis ulzerosa verwendet.1
Die in unkontrollierten Studien mit Zytostatika beobachteten Erfolgsraten von 70 - 80% ließen sich im kontrollierten Versuch nicht bestätigen. Der
Antimetabolit 6-Mercaptopurin (PURI-NETHOL) ist bei der Hälfte der Patienten mit Kolitis ulzerosa, die nicht auf Steroide ansprechen, erfolgreich. Methotrexat
(METHOTREXAT u.a.) eignet sich für die Behandlung des therapieresistenten Morbus Crohn, anscheinend jedoch weniger für Kolitis ulzerosa. Das
intravenös verabreichte Ciclosporin (SANDIMMUN) scheint bei Patienten mit schwerer Kolitis ulzerosa, die ohne diese Behandlung eine Kolektomie
benötigt hätten, eine Remission zu bewirken. Die orale Behandlung hat vermutlich wegen geringer Absorption keinen Erfolg. Chloroquin
(RESOCHIN) wirkt bei Kolitis ulzerosa besser als bei M. Crohn.1
Die aus Arachidonsäure über Cyclooxigenase bzw. 5-Lipoxigenase entstehenden Entzündungsmediatoren Prostaglandin E2 und Leukotrien B4 sind
bei Patienten mit Kolitis ulzerosa erhöht. Antagonisten dieser Entzündungsmediatoren, z.B. die 5-Lipoxigenasehemmstoffe, werden als weitere
Behandlungsmöglichkeit angesehen. Derzeitig wird der 5-Lipoxigenaseinhibitor Zileuton in kontrollierten Studien untersucht. Durch Einnahme von Fischöl
ließ sich wegen verminderter Bildung von Entzündungsmediatoren eine geringe klinische Besserung der Kolitis ulzerosa erreichen. Fischöl wird als
Adjuvans zur Verringerung der Steroiddosis diskutiert.1
Weitere, bisweilen für die Behandlung der Kolitis ulzerosa empfohlene Medikamente wie Cromoglizinsäure (INTAL u.a.), Levamisol, Clonidin
(CATAPRESAN u.a.), Zink und Sucralfat (ULCOGANT u.a.) haben keinen nachgewiesenen Nutzen. Auch Antibiotika und Metronidazol (CLONT u.a.) ergeben keine
überzeugenden Symptombesserungen bei Kolitis ulzerosa.1
Basierend auf einem epidemiologischen Zusammenhang zwischen Nichtrauchen bzw. Aufgeben des Rauchens und Kolitis ulzerosa wurde Nikotinkaugummi in einer
kleinen plazebokontrollierten Studie untersucht. Bei 3 von 5 Patienten besserten sich die Symptome.1
FAZIT: Zur Behandlung der milden bis mäßig ausgeprägten Kolitis ulzerosa eignen sich Sulfasalazin (AZULFIDINE, COLO-PLEON) bzw. das
besser verträgliche und teurere Mesalazin (CLAVERSAL u.a.). Hochdosierte systemische Steroide und ACTH (Corticotrophin [ACETHROPAN]) bleiben der
Kontrolle schwerer Krankheitsverläufe vorbehalten. Die Dauertherapie mit Steroiden oral oder rektal ist wegen unerwünschter Wirkungen nur schweren
Verlaufsformen zuzuordnen. Rektale Steroide entsprechen in ihrer Wirksamkeit dem Mesalazin. Je nach Ausdehnung der Entzündungserscheinungen sind
Zäpfchen bzw. Klysmen anzuwenden.
Immunsuppressiva und Antimetaboliten wie Ciclosporin (SANDIMMUN), 6-Mercaptopurin (PURI-NETHOL) und Methotrexat (METHOTREXAT) kommen für
Patienten mit therapieresistenter ulzerierender Schleimhauterkrankung des Dickdarms in Betracht. Antagonisten von Entzündungsmediatoren wie Leukotriene
befinden sich noch in Erprobung.
1 | Editorial: Ann. Intern. Med. 116 (1992), 692/ati d |
2 | Drug Ther. Bull. 30 (1992), 50 |
3 | COURTNEY, M. G. et al.: Lancet 339 (1992), 1279 |
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