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USA: ALZHEIMER-MITTEL TACRIN (COGNEX) ZUGELASSEN

5% bis 10% der über 65jährigen und mehr als 25% der über 80jährigen leiden an Demenz. Bei der Hälfte der Betroffenen kann eine ALZHEIMER-Krankheit beteiligt sein. Amyloidablagerungen und Neurofibrillen-Knäuel im Gehirn sollen den Krankheitsprozeß bestimmen, entwickeln sich aber auch bei nicht-dementen älteren Menschen. Aktivierte Astrozyten und Mikroglia sowie sogenannte Akute-Phase-Proteine sollen eine Rolle spielen. Psychosoziale Einflüsse scheinen ebenfalls für die Ausprägung des Krankheitsbildes eine Rolle zu spielen.1 Nach neueren Untersuchungen tragen einige Patienten mit der sporadischen oder spät auftretenden familiären Form eine spezielle Variante eines auf Chromosom 19 gelegenen Gens.2

Der unaufhaltsame, zur völligen Hilflosigkeit führende geistige Verfall der ALZHEIMER-Kranken geht mit Veränderungen mehrerer Überträgerstoffe und Rezeptoren im Gehirn sowie dem Verlust cholinerger Nervenzellen einher. Für den jetzt in den USA als COGNEX zugelassenen reversiblen Cholinesterasehemmer Tacrin strebt Parke Davis die weltweite Zulassung an. Andere Unternehmen haben ähnliche Wirkstoffe entwickelt. Das zuständige Komitee der FDA verlangte vor einem Jahr für die Tacrin-Variante Velnacrin (MENTANE) von Hoechst-Roussel wegen möglicher Blutschäden bei allenfalls geringer Wirksamkeit weitere Studien und sprach sich vorerst gegen eine Zulassung aus.3

EIGENSCHAFTEN: Tacrin gehört zur Wirkstoffgruppe der Cholinesterasehemmer, aus der auch Insektengifte und Kampfstoffe hervorgingen. Es hemmt den Azetylcholin-Abbau und beeinflußt möglicherweise weitere Überträgerstoffe, Ionenkanäle und Rezeptoren im zentralen Nervensystem. Nach Positronen-Emissions-Tomographien an drei Patienten soll unter Tacrin-Einnahme mehr radioaktiv markiertes Nikotin ins Gehirn gelangen. Dies wird als Hinweis auf eine Zunahme nikotinischer Cholinrezeptoren angesehen.4

WIRKSAMKEIT: In drei plazebokontrollierten Doppelblindstudien an insgesamt über 1.300 ALZHEIMER-Patienten verbessern täglich 20 bis 160 mg Tacrin Testergebnisse für Sprache, Gedächtnis, praktische Fähigkeiten und Stimmung mäßig.5-8 Die Einnahme von zunächst 40 mg und anschließend 80 mg pro Tag für jeweils sechs Wochen soll im Durchschnitt sechs Monate des in Tests gemessenen intellektuellen Abbaus "rückgängig– machen.6 40% bis 50% derjenigen, die den Cholinesterasehemmer vertragen, sprechen auf die Behandlung an.7 Ob die ALZHEIMER-Kranken mit Tacrin ihren Alltag besser bewältigen, bleibt zweifelhaft.

STÖRWIRKUNGEN: Bei etwa 40% der mit Tacrin Behandelten steigen die Leberenzyme.6 Zu Beginn der Einnahme und nach jeder Dosiserhöhung sind die Transaminasen wöchentlich, später vierteljährlich zu kontrollieren.10 Häufig ist auch mit Kopfschmerzen, Übelkeit, Erbrechen, Durchfall, Verdauungsstörungen, Bauchschmerzen sowie Hautausschlag zu rechnen, zudem mit vermehrtem Schwitzen und häufigem Wasserlassen.6,7 Bei einem Viertel der Patienten waren die Störwirkungen so ausgeprägt, daß sie das ALZHEIMER-Mittel abgesetzt haben.6 Tacrin hemmt den Abbau von Theophyllin (SOLOSIN u.a.) und anderen Stoffen, die über Cytochrom P450 verstoffwechselt werden.9

FAZIT: 20 bis 160 mg Tacrin (USA: COGNEX) täglich bessern Testergebnisse für geistige und praktische Fähigkeiten sowie die Stimmung einer Minderheit der leicht bis mittelgradig erkrankten ALZHEIMER-Patienten.9 Belege für eine wesentliche klinische Besserung fehlen. Leberenzymanstieg, Kopfschmerzen und cholinerge Störwirkungen stehen dem mäßigen Nutzen des reversiblen Cholinesterasehemmers gegenüber.


© 1993 arznei-telegramm

Autor: Redaktion arznei-telegramm - Wer wir sind und wie wir arbeiten

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