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Korrespondenz

HIV-DIAGNOSTIK – POOLTE DRK-HAGEN?

Die Zeittafel des a-t 10 (1993), 116 zum Jahr 1985 ist durch einige wesentliche Daten zu ergänzen:

1.  Der HIV-Antikörper(AK)-Test der Fa. Abbott war Anfang 1985 in der Bundesrepublik Deutschland leider nicht flächendeckend verfügbar. Bestellungen an Abbott wurden noch im April höchst zögerlich und keinesfalls in dem erforderlichen Umfang bedient (Quelle: eigene Erfahrung).
2.  Der HIV-AK-Test der Fa. Abbott wurde Anfang 1985 nicht nur von der Blutbank des Saarlandes eingesetzt, sondern auch in anderen Blutbanken (z.B. Hagen, Frankfurt) (Quelle: pers. Mitteilung Prof. S. SEIDL, Prof. W. SCHNEIDER, Mai 1985).
3.  Da die Fa. Abbott auch im Mai 1985 weder den Bedarf der medizinischen Laboratorien noch der Blutbanken annähernd decken konnte, wurden weder die einen noch die anderen hinreichend beliefert. Für die Blutbanken wurde nur ca. 10% des Bedarfs geliefert (Quelle: Statements von Prof. SEIDL und Prof. SCHNEIDER auf dem HIV-Symposion Mai 1985 in Wiesbaden).
4.  Die Belieferung der Blutbanken diente einem Feldversuch über die Brauchbarkeit des Tests (Quelle: Prof. SEIDL) und zur Datenerhebung zur Durchseuchung im Spenderbereich.
5.  Da die Belieferung der Blutbanken nicht ausreichte, mußten die Testmaterialien kontingentiert werden. Dies erfolgte in der BRD unterschiedlich:
Nach Darlegung von Prof. SEIDL testete der Blutspendedienst DRK Hessen bestimmte Blutspendetermine, die zufällig ausgewählt wurden. Eine Präferenz etwa von Blutspenden aus der Stadt Frankfurt oder von Erstspendern erfolgte nicht. Nach pers. Mitteilung von Prof. SCHNEIDER wurde in Hagen gepoolt, d.h. je 10 Proben gemeinsam getestet.
6.  Angehörige der Risikogruppen haben schon während des Feldversuchs von der Möglichkeit erfahren, daß im Rahmen von Blutspenden beim DRK der HIV-Test durchgeführt werde. Die Tatsache der kontingentierten Reagenzien dürfte ihnen nicht bekannt gewesen sein (Quelle: Reaktion der beim o.g. Symposion anwesenden Mitglieder der Risikogruppen: Enttäuschung).
7.  Ein Hinweis aus dem Auditorium auf dem o.g. Symposion an Herrn Prof. SEIDL auf die sich aus Punkt 6 ergebende Gefahr für die Virusübertragung von Empfängern durch Erstblutspenden aus dem Risikogruppenbereich wurde von ihm zustimmend und anerkennend zur Kenntnis genommen, eine Änderung der Feldversuch-Konzeption in seinem Bereich aber als nicht mehr machbar angesehen (Quelle: der Hinweis kam von mir; in einer längeren persönlichen Unterredung mit Prof. SEIDL stimmte er dem Hinweis uneingeschränkt zu).
8.  In einem Leserbrief in Lab. med. 9 BDL40 (1985) wird die Problematik ausführlich veröffentlicht. Eine weitere Veröffentlichung erfolgte in den Badischen Neuesten Nachrichten am 18.1.1986.
Auch auf dem Symposion in Wiesbaden wurde von mir die Fa. Abbott entsprechend aufgefordert, zur Sicherung der Diagnostik der Risikogruppen und damit zur Verhinderung von "Test-motivierten Blutspenden" vorrangig die medizinischen Laboratorien mit Testreagenzien zu beliefern, um den Druck der Risikogruppen von den (ungenügend belieferten) Blutspendezentralen auf die medizinischen Laboratorien umzulenken und dort abzufangen. Eine evtl. mögliche Haftung der Fa. Abbott für ihre Marktpolitik wurde bereits damals angesprochen.

Zusammenfassung: Von der Fa. Abbott wurde seinerzeit die gleiche Strategie eingesetzt, die (mit umgekehrten Vorzeichen) das Institut Pasteur in Frankreich verwandt hat: Protektive Markteroberung (Pasteur in Frankreich: protektive Marktabschottung). Die Blutspendedienste waren sowohl von der Belieferung als auch von ihrer Logistik her nicht in der Lage, dem Druck der Risikogruppen wirkungsvoll zu begegnen. Fragebogen zum Selbstausschluß von Angehörigen der Risikogruppen waren noch nicht ausgearbeitet.

Folge: Massiver Anstieg der durch Blutpräparate verursachten HIV-Infektionen in 1985 (und durch die Plasma-Aufarbeitung noch in 1986 ff).

Konsequenz: Einbeziehung der Fa. Abbott in die Haftung wegen ethisch nicht vertretbarer Marktpolitik.

Dr. med. B. ZIEGLER (Arzt f. Laboratoriumsmedizin)
D-76133 Karlsruhe


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