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FSME-IMMUNGLOBULIN (FSME-BULIN)
NACH ZECKENSTICH: PSEUDO-POLIO-SYMPTOME

Nach Zeckenstich sollen spezifische Immunglobuline eine Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) verhindern. Der mit IgG-Antikörpern gegen FSME-Virus angereicherte Passivimpfstoff (z.B. FSME-BULIN S "Immuno", FSME-IMMUNGLOBULIN S "Behring") wird sowohl zur etwa vier Wochen anhaltenden Immunisierung vor Aufenthalten in Endemiegebieten als auch zur sogenannten Postexpositionsprophylaxe nach bereits erfolgtem "Zeckenbiß" angeboten. Bei der Indikationsstellung ist die geringe Infektionswahrscheinlichkeit nach Zeckenstich zu berücksichtigen. Eine Schutzwirkung ist zudem nur bei zwei von drei Behandelten zu erwarten. Bei der Postexpositionsprophylaxe am 3. oder 4. Tag werden hohe Dosen verabreicht. Ein 70 kg schwerer Patient benötigt z.B. 14 ml Serum im Wert von etwa 500 DM.1

Injektionen von homologen Hyperimmunseren können neben Reizzuständen im Bereich der Einstichstelle und schweren anaphylaktischen Reaktionen sieben bis zehn Tage nach der Injektion eine Serumkrankheit auslösen mit Allgemeinsymptomen wie Fieber, Abgeschlagenheit und Krankheitsgefühl sowie mit Urtikaria, Gelenkentzündungen und generalisiertem Ödem. Eine Beteiligung des peripheren Nervensystems mit Manifestation einer Neuropathie (Armplexusneuritis) wird als möglich erachtet.1

Das a-t-NETZWERK verzeichnet drei anaphylaktische Reaktionen auf FSME-BULIN (NETZWERK-Berichte 1153, 1216, 2520) und eine Urtikaria (Bericht 6644). Ein 20jähriger erkrankt drei Wochen nach Zeckenbiß und FSME-BULIN-Passivimmunisierung unter dem Bild einer "schwersten Pseudopoliomyelitis" mit Fieber, Kopfschmerzen, Fazialisparese, Bewußtseinstrübung und Ateminsuffizienz. Mehrere serologische Untersuchungen sichern die Diagnose einer FSME. Hirnstamm- und diffuse kortikale Läsionen gehen bei dem in einer Innsbrucker Klinik behandelten jungen Mann mit schweren neurologischen Ausfällen einher (Bericht 6928).

In München und Berlin wurden nach FSME-BULIN-Injektionen ähnliche schwere Krankheitsverläufe mit Pseudopoliomyelitis-Symptomatik beobachtet.2 Ein Berliner erkrankte während seines Urlaubs in der Nähe von Passau an Meningoenzephalomyelitis mit langanhaltendem Koma. Er war am Tage des Zeckenstichs passiv immunisiert worden. Drei Wochen später kam es zu schweren Komplikationen.3

FAZIT: Es bestehen schwerwiegende Bedenken gegen die Anwendung von FSME-BULIN,4 die in Österreich zur Forderung des Verbots geführt haben.5 Das Immunglobulin schützt nicht zuverlässig und kann wahrscheinlich sogar einen schweren Verlauf der Meningoenzephalitis provozieren.


© 1993 arznei-telegramm

Autor: Redaktion arznei-telegramm - Wer wir sind und wie wir arbeiten

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