Die Wirksamkeit von Plättchenaggregationshemmern bei stabiler und instabiler Angina pectoris und nach Myokardinfarkt ist in
großen klinischen Studien vielfach belegt worden. Bei der Formulierung einer Leitlinie, die die Behandlung von Patienten mit instabiler Angina pectoris mit niedrig
dosierter Azetylsalizylsäure (ASS, ASPIRIN u.a.; 100 mg/Tag) empfiehlt (a-t 10 [1994], 97), sollte unseres
Erachtens aber der verzögerte Wirkungseintritt von ASS in niedrigen Dosierungen berücksichtigt werden:
Klinisch-pharmakologische Untersuchungen belegen, daß es nach wiederholter Einnahme von ASS-Dosen von 100 mg/Tag (und weniger) zu einem
kumulativen Hemmeffekt auf die Thrombozytenaggregation kommt. Dies bedeutet, daß erst nach ca. 5 Tagen kontinuierlicher Einnahme eine ausreichende
Thrombozytenaggregationshemmung erreicht wird, die die Plättchenaktivierung im lädierten arteriellen Gefäßsystem wirkungsvoll
verhindert.1 Dies kann in Situationen akuter Thrombozytenaktivierung, wie beim akuten Myokardinfarkt oder bei instabiler Angina pectoris, zu spät
sein.
Muß bei Patienten, die zuvor noch kein ASS eingenommen haben, ein rascher Wirkungseintritt erreicht werden, so ist die Gabe einer
"Aufsättigungsdosis" zu empfehlen ohne Rücksicht auf die dadurch bewirkte kurzdauernde Hemmung der Prostazyklinbildung. Eine
orale 500-mg-Dosis ist nach etwa einer Stunde wirksam, eine gleich große intravenöse Dosis innerhalb weniger Minuten. Die intravenöse Gabe
sichert auch bei niedriger Dosierung einen schnellen Wirkungseintritt.2
Dr. med. S. M. BODE-BÖGER, Dr. med. R. H. BÖGER,
Prof. Dr. med. J. C. FRÖLICH
Institut für Klinische Pharmakologie, Med. Hochschule Hannover
D-30623 Hannover
1 KÜSTER, L. J., J. C. FRÖLICH: Prostaglandins 32 (1986), 415
2 BÖGER et al.: Clin. Sci. 84 (1993), 517
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