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Korrespondenz

HEROIN-ENTZUG MIT NALTREXON (NEMEXIN)?

Eine 29jährige Patientin möchte von mir zur Unterstützung ihres Heroin-Entzuges Naltrexon-HCl (NEMEXIN) haben. ... Könnten Sie mir bitte Ihre Einschätzung geben?

M. REDL (Arzt)
D-86899 Landsberg

Der Opiat-Antagonist Naltrexon (NEMEXIN) soll die psychische Entwöhnung nach Entzug unterstützen, indem er die euphorisierenden Effekte von Heroin hemmt. Wie Naloxon (NARCANTI u.a.) verdrängt er Opiate von ihren Rezeptoren, wird aber als Tablette eingenommen und wirkt länger durch 70 bis 100 Stunden anhaltende Rezeptorbindung. Bei körperlich Abhängigen löst Naltrexon Entzugssymptome aus. Vor Beginn der Behandlung ist deshalb ein opiatfreies Intervall von sieben bis zehn Tagen sicherzustellen (Urinkontrolle, Naloxon-Test).

Klinische Erfahrungen mit dem bereits vor 30 Jahren entwickelten Naltrexon stammen hauptsächlich aus unkontrollierten Untersuchungen. Innerhalb von drei bis sechs Wochen brechen bis zu 80% der Teilnehmer die Behandlung ab.1 In einer Nachbeobachtung lassen sich bei 36% der mit Naltrexon Behandelten Opiate im Urin nachweisen, ohne den Antagonisten bei 60%.2 In einer plazebokontrollierten doppelblinden Studie verlangen Opiatabhängige unter Naltrexon seltener nach Heroin ("Craving") und haben weniger positive Urinproben auf Opiate (26% vs. 38%). Nur 13 (7%) der 192 Teilnehmer beenden die Studie. Vorteile des Opiatantagonisten lassen sich statistisch nicht sichern.3

Besonders motivierte Süchtige, denen z.B. ein Verlust des Arbeitsplatzes oder Gefängnis droht, profitieren stärker von Naltrexon. Auch gleichzeitige sozialtherapeutische oder psychologische Betreuung erhöht den Erfolg.1

Naltrexon verursacht häufig Übelkeit, Erbrechen, Bauchkrämpfe und Durchfall sowie Kopf-, Gelenk- und Muskelschmerzen, Schlafstörungen, Angstzustände und Schwindel. Vor allem höhere Dosierungen können die Leber schädigen.4 Patienten, die regelmäßig Opioid-Analgetika benötigen, dürfen den Antagonisten nicht einnehmen. Schmerzbekämpfung in Notfallsituationen erfordert größere Mengen als üblich. Mit verstärkter und verlängerter Atemdepression ist zu rechnen.5

FAZIT: Der Opiat-Antagonist Naltrexon (NEMEXIN) soll die psychische Entwöhnung nach einer Entgiftung unterstützen, indem er euphorisierende Effekte von Opiaten hemmt. Ein Behandlungsversuch mag bei hochmotivierten ehemaligen Abhängigen in Verbindung mit psychotherapeutischer Betreuung lohnen. Weniger motivierte Süchtige profitieren eher von einer Substitution mit Methadon (L-POLAMIDON).


© 1996 arznei-telegramm

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