Mit zunehmendem Alter nimmt bei Männern und Frauen die Knochenmasse ab, bei Frauen vor allem in der ersten Zeit nach den Wechseljahren.
Deshalb erleiden Frauen früher osteoporotisch bedingte Brüche. Besonders gefürchtet sind proximale Oberschenkelfrakturen. "FOSAMAX
stoppt den Knochenklau",1 wirbt MSD für Alendronat, das nach Etidronat (DIDRONEL u.a.; vgl. a-t 4
[1995], 36) jetzt als zweites Bisphosphonat zur Behandlung der manifesten postmenopausalen Osteoporose zugelassen wurde.
EIGENSCHAFTEN: Wie alle Bisphosphonate leitet sich Alendronat vom Pyrophosphat ab, einem körpereigenen Hemmstoff des Knochenabbaus. Im
Tierversuch unterbindet es die Resorption des Knochens stärker als Etidronat.2 Selbst wenn Alendronat unter optimalen Bedingungen zwei
Stunden vor dem Frühstück mit Wasser eingenommen wird, gehen nur 0,7% der Dosis ins Blut über. Wird die Zeitspanne auf eine halbe bis
eine Stunde verkürzt, halbiert sich die Bioverfügbarkeit nahezu, ebenso wenn die Tabletten statt mit Leitungswasser mit Kaffee oder Orangensaft
eingenommen werden. Die Hälfte des aufgenommenen Alendronats verläßt innerhalb von drei Tagen den Körper über die Nieren, der Rest
wird in die Knochen eingebaut. Die terminale Halbwertszeit wird auf mehr als 10 Jahre geschätzt. Wegen fehlender Erfahrungen ist Alendronat bei schwerer
Niereninsuffizienz (Kreatinin-Clearance unter 35 ml/min) zu meiden.3
WIRKSAMKEIT: In mehreren herstellerunterstützten Studien4,5,6 nehmen 1.700 Frauen nach der Menopause im Alter von 42 bis 80 Jahren,
deren Knochensubstanz vermindert ist und die zum Teil bereits eine Fraktur erlitten haben, mindestens eine Stunde vor dem Frühstück 5 mg bis 40 mg
Alendronat oder Plazebo ein sowie täglich 500 mg Kalzium. Innerhalb von zwei bis drei Jahren steigt die Knochendichte an Wirbelkörpern und Hüfte
bzw. proximalem Oberschenkel unter der jetzt empfohlenen Dosis von 10 mg Alendronat gegenüber Scheinmedikament um 6% bis 9%. Der größte
Zuwachs findet sich im ersten Jahr.4,5
Die für die Beurteilung der Wirksamkeit ausschlaggebende Häufigkeit von Knochenbrüchen wird nur mit Hilfe gepoolter Daten zweier Studien
bestimmt: Demnach soll Alendronat in drei Jahren das Risiko von Wirbelbrüchen von 6% auf 3% halbieren.4 Offenbar profitieren vor allem Frauen, die
bereits zuvor eine Wirbelfraktur hatten: Unter Scheinmedikament erleiden innerhalb von drei Jahren 19% einen Wirbelbruch, unter Alendronat 13% das
entspricht einer Fraktur pro 50 Frauenjahre weniger. Um das erstmalige Auftreten einer einzigen Wirbelfraktur zu verhindern, müssen dagegen 300 Frauen das
Bisphosphonat ein Jahr lang einnehmen. Für Brüche anderer Knochen läßt sich kein Vorteil absichern.4 Nach einer auf dem letzten
Osteoporose-Weltkongreß vorgestellten, bislang nur als Abstract vorliegenden Studie scheint Alendronat bei Frauen mit bestehenden osteoporosebedingten
Wirbelbrüchen auch das Risiko von Schenkelhalsfrakturen (von 2% auf 1%) und des Handgelenks zu halbieren.7,8
Im offenen Vergleich steigern täglich 100 I.E. intranasales Calcitonin (KARIL), also die Hälfte der hierzulande und in den USA empfohlenen Dosis, die
Knochenmasse im Gegensatz zu Alendronat nicht wesentlich.9 Nach Zwischenergebnissen einer Untersuchung mit 1.600 Frauen zur Vorbeugung der Osteoporose
schneiden 5 mg des neuen Bisphosphonats gegenüber Estradiol plus Norethisteron (Typ KLIOGEST N u.a.) gemessen an der Beeinflussung der
Knochendichte deutlich schlechter ab.10 Vergleichsstudien mit Etidronat sind erst in Planung.11
STÖRWIRKUNGEN: Während der Studien äußern sich Störwirkungen vor allem in Magen-Darm-Beschwerden wie
Bauchschmerzen (7%), Übelkeit (4%), Durchfall und Verstopfung (je 3%) sowie Kopfschmerzen (3%) und Myalgien (4%). 1,5% der Anwenderinnen erleiden
Geschwüre der Speiseröhre.3 Nach Markteinführung in den USA zwingt die Häufung der Berichte über schwere
Ösophagusschäden den Hersteller, einen Warnbrief an Fachkreise zu versenden und die Einnahmevorschriften zu verschärfen.12
Alendronat ist stets mit einem vollen Glas Wasser im Stehen oder Sitzen einzunehmen. Hinlegen ist frühestens eine halbe Stunde später und nach
Aufnahme von Nahrung erlaubt.12,13 Gleichzeitige Einnahme von Azetylsalizylsäure (ASPIRIN u.a.) erhöht das Risiko.13 Erosive
Schäden der Speiseröhre sind auch für Pamidronat (AREDIA) bekannt. Häufig fallen Serumkalzium und -phosphat ab, ohne daß klinische
Zeichen eines Kalziummangels in Erscheinung treten.13
Das hierzulande seit Frühjahr 1996 zur Behandlung der Osteoporose zugelassene Etidronat kann bereits in therapeutischer Dosierung die Mineralisation des
Skeletts beeinträchtigen und soll deshalb zyklisch angewendet werden. Die US-amerikanische Zulassungsbehörde verwehrt dieses Anwendungsgebiet
dem "Alt"-Bisphosphonat bis heute, da Wirbelfrakturen in den ersten zwei Jahren der Einnahme zwar abnehmen, dann aber deutlich ansteigen. Nach drei
Jahren läßt sich kein Vorteil mehr sichern.8,14 Tierexperimentellen Daten zufolge soll Alendronat den Knochenaufbau erst in weit höheren
Dosierungen stören, als zur Hemmung des Knochenabbaus erforderlich sind.2 Soweit den Anwenderinnen Biopsien entnommen wurden, fand sich
eine normale Knochenstruktur. Erfahrungen existieren jedoch nur für maximal vierjährige Behandlung,3 so daß offenbleibt, ob Alendronat bei
Dauereinnahme mit zeitlicher Verzögerung den Knochenaufbau stören kann.
FAZIT: Das Bisphosphonat Alendronat (FOSAMAX) erhöht die Knochensubstanz um 6% bis 9% und soll das Risiko von Wirbelbrüchen innerhalb von
drei Jahren halbieren. 50 Frauen, die bereits eine osteoporosebedingte Kompressionsfraktur erlitten haben, müssen demnach die teure Neuerung ein Jahr lang
einnehmen, um einen vertebralen Bruch zu verhindern. Bestenfalls eine von 100 Frauen mit vorbestehendem Wirbelbruch könnte nach vorläufigen Daten
pro Jahr vor einer Schenkelhalsfraktur geschützt werden. Fraglich bleibt, ob sich solche Ergebnisse außerhalb von Studien und somit ohne die besonders
strengen Einnahmevorschriften bestätigen lassen. Die äußerst geringe und dabei variable Bioverfügbarkeit und die Gefahr schwerer
Entzündungen der Speiseröhre dämpfen unseres Erachtens die Erfolgschancen. Ein Vorteil gegenüber Etidronat (DIDRONEL u.a.) muß
sich durch Langzeiterprobung bestätigen.
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