Bis zu 50% aller Männer sollen im Laufe ihres Lebens an einer Prostatitis erkranken. Etwa neun von zehn Betroffenen leiden an der abakteriellen
Form oder einer Prostatodynie. Bei etwa 10% liegen der akuten oder chronischen Entzündung der Vorsteherdrüse bakterielle Infektionen
zugrunde.
Die akute bakterielle Prostatitis setzt abrupt ein mit hohem Fieber, Schüttelfrost, Rückenschmerzen und perinealen Schmerzen sowie
Beschwerden beim Wasserlassen. Die Vorsteherdrüse ist geschwollen, heiß, teigig und berührungsempfindlich. Das Prostatasekret enthält
reichlich Leukozyten und fettbeladene Makrophagen.1 Für die Diagnose genügt im akuten Stadium der Bakteriennachweis in der über
Mittelstrahlurin gewonnenen Kultur.2 Das Keimspektrum entspricht dem der Harnwegsinfekte. Bei ambulanten Patienten dominiert E. coli., bei stationären
kommen auch Klebsiellen, Pseudomonas, Proteus und Enterokokken als Auslöser in Betracht.1,2
Mittel der Wahl ist Co-trimoxazol (BACTRIM u.a., täglich 2 x 960 mg), in zweiter Linie ein Chinolon wie Ciprofloxacin (CIPROBAY, täglich 2 x 500
mg).
Um einen chronischen Verlauf zu verhindern, wird eine Behandlungsdauer von 30 Tagen empfohlen. Die Patienten sollen viel trinken und Bettruhe einhalten. Sie
erhalten bei Bedarf schmerzstillende und fiebersenkende Mittel sowie Medikamente zur Erweichung des Stuhls. Bei Harnverhalt ist die transurethrale Katheterisierung
zu vermeiden. Statt dessen wird eine suprapubische Ableitung angelegt.1
Neben der Entwicklung einer chronischen Prostatitis können Pyelonephritis, Septikämie und ein Prostataabszess, der eine chirurgische Drainage
erforderlich macht, die Erkrankung komplizieren.1
Wiederkehrende Harnwegsinfekte beim Mann gehen häufig auf eine chronisch bakterielle Prostatitis zurück. Viele Männer klagen über
Schmerzen im Bereich des Perineums und des Rückens oder beim Wasserlassen. Die chronische Infektion kann aber auch asymptomatisch verlaufen. Fieber
ist nicht zu erwarten, der rektale Tastbefund uncharakteristisch.1
Die Diagnose mit der "4-Gläserprobe" gilt in der Literatur als Goldstandard,3 wird in der Praxis jedoch kaum durchgeführt. Sie ist zeitaufwendig
und für den Patienten unangenehm. Der erste Spontanurin, der Mittelstrahlurin, das Prostatasekret und der Urin nach Prostatamassage werden untersucht. Bei
bakterieller Prostatitis übersteigen die Keimzahlen im Prostatasekret und im Exprimatharn die im Mittelstrahlurin um mindestens eine Zehnerpotenz. In der Praxis
begnügt man sich heute mit der Untersuchung des Prostataexprimats auf Bakterien und Leukozyten.
Als auslösender Keim lässt sich am häufigsten E. coli isolieren, ferner andere Enterobakterien wie Klebsiellen und Proteus sowie Pseudomonas.
Welche Bedeutung die derzeit intensiv diskutierten atypischen Erreger wie Mykoplasmen, Ureaplasma urealyticum und Chlamydien für die Erkrankung haben,
ist umstritten.4
Bei ca. 75% der Männer mittleren Alters und bis zu 100% im hohen Alter lassen sich Prostatasteine nachweisen, die als Folge der Entzündung in der Regel
keine Beschwerden verursachen, jedoch zur Chronifizierung der bakteriellen Prostatitis beitragen können. Die Prostata lässt sich, solange die Steine
bestehen, kaum sanieren.1
Vergleichende Studien zur medikamentösen Therapie fehlen. Unter Einnahme von Co-trimoxazol über 4 bis 16 Wochen werden Heilungsraten
von 30% bis 50% angegeben. Bessere Ergebnisse sollen sich durch längere Therapie erzielen lassen.1,4
In zwei kleinen Studien bringt die vierwöchige Einnahme von 2 x täglich 500 mg Ciprofloxacin bzw. 2 x täglich 400 mg Norfloxacin (BARAZAN)
Erfolgsraten von 62% bzw. 64%.5,6 In die Ciprofloxacin-Studie wurden ausschließlich Patienten mit E. coli als auslösendem Keim aufgenommen.
Um von Heilung sprechen zu können, wird eine Rezidivfreiheit von mindestens sechs Monaten gefordert.4 Während die mittlere
Beobachtungszeit in der Ciprofloxazinstudie 30 Monate beträgt, wird in der Norfloxacin-Studie insgesamt nur durchschnittlich sechs Monate
beobachtet.
Bei häufigen Rückfällen, z. B. wegen Pseudomonas-Infektion, kann eine dauerhafte suppressive Therapie mit einem niedrig dosierten Antibiotikum
angezeigt sein. Auch bei gelungener bakteriologischer Sanierung bleiben die Beschwerden gelegentlich bestehen, wahrscheinlich ausgelöst durch
Urinrückfluss in die Prostata. Als ultima ratio kann eine Prostatektomie erforderlich werden.
Die Beschwerden bei abakterieller Prostatitis sind denen der chronisch bakteriellen Form so ähnlich, dass sie hiervon nur schwer abzugrenzen ist. Die
Ursache des entzündlichen Krankheitsbildes ist ungeklärt.
Hinweise auf rezidivierende Harnwegsinfekte in der Vorgeschichte fehlen. Mehr als 10 Leukozyten pro Zählfeld im Prostatasekret gelten als diagnosesichernd.
Ein Keimnachweis gelingt nicht. Auch hier ist die Bedeutung von Chlamydien, Ureaplasmen und Mykoplasmen umstritten. Belege für eine entscheidende Rolle
in der Ätiologie fehlen. Möglicherweise trägt ein innerprostatischer Urinrückfluss zur Entzündung bei, indirekte Hinweise hierauf gibt die
Zusammensetzung der Prostatasteine.
Bei Patienten mit chronischer Prostatitis finden sich oftmals erhöhte PSA-Werte. Dies kann die Differentialdiagnose zum Prostatakarzinom erschweren und
gelegentlich operative Eingriffe nach sich ziehen, ohne dass ein Karzinom vorliegt.
Die unklare Ätiologie der abakteriellen Prostatitis spiegelt sich in den Therapieempfehlungen wider. Wegen möglicher Beteiligung atypischer
Keime halten einige Autoren den Behandlungsversuch mit Co-trimoxazol plus einem Tetrazyklin, mit einem Chinolon oder mit Erythromycin (ERYTHROCIN u.a.)
für gerechtfertigt.1,3 40% der Männer sollen initial auf Antibiotika ansprechen. Die Wirksamkeit dieses im klinischen Alltag gebräuchlichen
Verfahrens ist nicht durch Studien belegt. Bleibt innerhalb von 14 Tagen eine Befundverbesserung aus, ist es sinnlos, die Therapie fortzuführen.
Nicht steroidale Antirheumatika verschaffen etwa drei von vier Patienten zumindest vorübergehend Linderung. Rezidive sind häufig.4
Alpharezeptorenblocker wie z.B. Terazosin (FLOTRIN, a-t 2 [1995], 11) eignen sich für Männer mit
obstruktiver Symptomatik (keine zugelassene Indikation).
Zu den zweifelhaften Therapieprinzipien gehört der Pollenextrakt CERNILTON. Wir finden keine kontrollierten Studien, die einen Nutzen belegen. Transurethral
angewendete Mikrowellen-Hyperthermie lindert in einer Untersuchung mit 20 Patienten Beschwerden besser als eine Plazeboanwendung. Ob objektive
Entzündungszeichen wie die Leukozytenzahl beeinflusst werden, bleibt offen.7
Die Behandlung mit Allopurinol (ZYLORIC u.a., keine zugelassene Indikation) stützt sich auf eine Arbeit8 mit erheblichen Mängeln im Design:9
Täglich 300 mg bzw. 600 mg über acht Monate eingenommen sollen in den ersten drei Monaten Beschwerden lindern, gemessen an einem nicht
standardisierten, von den Patienten ausgefüllten Fragebogen. Mit zunehmender Beobachtungszeit wird der Unterschied zu Plazebo kleiner. Die Leukozytenzahl
im Prostatasekret geht in beiden Gruppen im gleichen Ausmaß zurück.8
Unabhängig von den Versuchen einer medikamentösen Therapie sollen die Patienten zu einem aktiven Sexualleben ermutigt werden. Manchmal kann
eine Prostatamassage hilfreich sein. Heiße Sitzbäder bringen häufig Erleichterung. Verstärken scharf gewürzte Speisen, Kaffee oder
Alkohol die Beschwerden, sind sie zu meiden.
Die Prostatodynie oder das vegetative Urogenitalsyndrom wird dem Krankheitsbild der Prostatitis zugerechnet, obwohl es sich nicht um eine
entzündliche Erkrankung handelt. Typischerweise sind Männer jugendlichen bis mittleren Alters betroffen, die auf Stress mit diesen Beschwerden
reagieren. Im Vordergrund stehen Schmerzen und obstruktive oder irritative Störungen beim Wasserlassen, die mit den Beschwerden bei Prostatahyperplasie
vergleichbar sind.
Urodynamische Untersuchungen weisen bei den meisten Betroffenen eine spastische Dysfunktion des Blasenhalses und des prostatischen Anteils der
Harnröhre nach. Therapie der Wahl für diese Patienten ist ein Alpharezeptorenblocker. Einige unserer Berater halten eine zeitlich befristete Einnahme
eines unreinen Plazebos wie CERNILTON für akzeptabel.
Auch die Bedeutung von Spasmen der Beckenbodenmuskulatur als auslösende Ursache wird diskutiert. Hier könnte kurzfristig ein Benzodiazepin
Linderung verschaffen.1 Zur Schmerzbehandlung kommen wie bei der chronischen abakteriellen Prostatitis auch nicht steroidale Antirheumatika in
Betracht.
FAZIT: Bis zu 50% der Männer erkranken im Laufe ihres Lebens an einer Prostatitis. Die Entzündung der Vorsteherdrüse gehört
dennoch zu den Stiefkindern des urologischen Interesses. Vergleichende Studien zur Absicherung einer rationalen Therapie fehlen. Die akute bakterielle Prostatitis
spricht in der Regel gut auf die antibiotische Therapie mit Co-trimoxazol (BACTRIM u.a.) oder einem Chinolon wie Ciprofloxacin (CIPROBAY) an. Bei der chronisch
bakteriellen Form ist trotz verlängerter Einnahme häufig mit Therapieversagen oder Rückfällen zu rechnen. Die Ursachen der abakteriellen
Prostatitis und der Prostatodynie sind ungeklärt. Im Vordergrund der Behandlung stehen symptomatische, beispielsweise schmerzlindernde Maßnahmen.
Häufig propagierte Phytopharmaka bleiben ohne nachgewiesenen Nutzen.
|