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Korrespondenz

HYALURONAT: MEDIZINPRODUKT SYNVISC
VERSUS ARZNEIMITTEL HYALART

Warum wird das Hyaluronsäure-haltige Präparat SYNVISC nicht als Arzneimittel, sondern als Medizinprodukt vertrieben? Braucht ein Medizinprodukt eventuell keinen Wirksamkeitsnachweis? Darf ich als Arzt Medizinprodukte wie Arzneimittel z.B. intraartikulär injizieren?

Dr. med. P. FRITZ (Facharzt für Orthopädie und Chirurgie)
D-49808 Lingen

Als Medizinprodukte gelten nicht nur Verbandstoffe, chirurgisches Nahtmaterial oder Hüftgelenkprothesen, sondern prinzipiell auch intraartikulär injizierbare Präparate: Die Definition schließt Zubereitungen von Stoffen ein, die der "Ersetzung ... eines physiologischen Vorgangs ... zu dienen bestimmt sind und deren ... Hauptwirkung ... weder durch pharmakologisch oder immunologisch wirkende Mittel, noch durch Metabolismus erreicht wird" (Paragraph 3 Abs. 1 Medizinproduktegesetz [MPG]).

Die Eingruppierung Hyaluronsäure-haltiger Gelenkschmiere wie SYNVISC als Arzneimittel oder Medizinprodukt "hängt davon ab, welche Eigenschaften durch den pharmazeutischen Unternehmer für sein Produkt beansprucht werden".1 Die durch unpräzise Gesetzestexte ermöglichte willkürliche Einstufung hat weitreichende Konsequenzen:

  • Medizinprodukte gelangen ohne behördliche Prüfung auf Wirksamkeit und Unbedenklichkeit auf den Markt. Stattdessen erfolgen Zulassung und Zertifizierung (CE [Conformité Européen]-Kennzeichnung) durch privatrechtliche Prüfstellen ("benannte Stellen"; Paragraph 20 MPG).
  • Da Medizinprodukte keine Arzneimittel sind, bleiben sie beim Arzneimittelbudget unberücksichtigt. Daher wirbt Brenner-Efeka für SYNVISC als "Schrittmacher für Budgetentlastung und therapeutische Freiheit".2
  • Die Leistungspflicht der GKV für Medizinprodukte wie HYA-JECT/SYNVISC ist nicht eindeutig geregelt - gilt z.B. auch für als Medizinprodukte angebotene befeuchtende Nasenmittel wie RHINOMER. Einige Kassen erstatten, andere verweigern dies.
  • Das Medizinprodukt SYNVISC kann als Nichtarzneimittel unter Umgehung von Apotheken beispielsweise direkt über Orthopäden geliefert und abgerechnet werden. HYA-JECT hingegen ist apothekenpflichtig.
  • Das MPG kennt Begriffe wie "Nebenwirkungen" nicht.3 Die Gebrauchsanweisung von SYNVISC nennt keine Störeffekte, obwohl solche beschrieben sind.
  • Cave: Medizinprodukte, die wie SYNVISC lediglich auf physikalischem Wege als Gelenkschmiere wirken sollen, können dennoch neben örtlichen auch systemische Störwirkungen verursachen.2 So sind unter SYNVISC generalisierte Urtikaria, Gesichtsröte mit Lippenschwellung, Schüttelfrost mit Kopfschmerzen, Übelkeit, Atembeschwerden u.a. beschrieben.4

SYNVISC unterscheidet sich von dem seit 1993 als Arzneimittel angebotenen HYALART (a-t 5 [1993], 45) lediglich durch Quervernetzung der Hyaluronsäure und damit größere Viskosität. Klinische Vergleichsstudien zwischen den verschiedenen Hyaluronsäure-Varianten einschließlich dem Anfang 1998 eingeführten hühnereiweißfrei produzierten HYA-JECT fehlen.

Die Autoren eines Vergleichs von SYNVISC mit nichtsteroidalen Entzündungshemmern bzw. SYNVISC plus Entzündungshemmer an jeweils rund 30 Personen finden die Hypothese bestätigt, SYNVISC wirke gegen Schmerzen bei Gonarthrose mindestens ebenso gut wie nichtsteroidale Antirheumatika.5 Die Aussagekraft der kleinen Studie wird eingeschränkt, da Angaben zur Randomisierung, zum Verbrauch der Entzündungshemmer sowie eine Kontrollgruppe mit physiologischer Kochsalzlösung fehlen. Aus Untersuchungen mit anderen Stoffgruppen ist bekannt, dass auch Plazebolösung Linderung verschafft. Offen bleibt zudem, warum unter SYNVISC mehr Patienten aus der Auswertung ausscheiden als in den anderen Gruppen. Bestätigung der Befunde durch größere randomisierte Studien bleibt abzuwarten.

FAZIT: Hyaluronsäure-Zubereitungen werden sowohl als Arzneimittel (HYALART) als auch als Medizinprodukt (HYA-JECT, SYNVISC) angeboten. Die Spaltung des Marktes behindert die Transparenz. Die Eingruppierung hängt willkürlich davon ab, welches Wirkprinzip (pharmakologisch/physikalisch) der Hersteller in den Vordergrund stellt. Die Zulassung von Medizinprodukten erfolgt durch privatrechtliche Prüfstellen und nicht wie bei Arzneimitteln durch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte. Auf der Basis unpräziser Gesetzestexte wird das Arzneimittelgesetz somit praktisch unterlaufen.

Für SYNVISC fehlen Angaben zu Störwirkungen in der Gebrauchsanweisung. Der unzureichend dokumentierte Nutzen ist gegen lokale und systemische Störwirkungen abzuwägen, -Red.


© 1998 arznei-telegramm

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