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Korrespondenz

HOCHDOSIS-CHEMOTHERAPIE (HDCT)

Die Hochdosis-Chemotherapie (HDCT) mit peripherer Blutstammzelltransplantation (PBST) - zum Teil auch bereits ambulant durchgeführt - wird in der Literatur und Fachöffentlichkeit sehr kontrovers diskutiert, insbesondere was die Anwendung bei soliden Tumoren betrifft. Wie bewerten Sie die Erkenntnislage? Kann man die HDCT, insbesondere bei soliden Tumoren, den Krebspatienten derzeit empfehlen?

Wie ist der Aspekt der Gefährdungshaftung bei hochdosierten Chemotherapeutika (oberhalb der in der Zulassung bzw. Fachinformation genannten Dosierung) zu beurteilen?

NN (Name und Anschrift der Redaktion bekannt)

In der Hochdosis-Chemotherapie (HDCT) solider Tumoren werden bis um den Faktor 30 höhere Dosierungen als üblich verwendet. Weltweit am häufigsten dient die HDCT zur Behandlung des Mammakarzinoms.1 Die einzige bisher veröffentlichte randomisierte Studie2 zum Stellenwert in der Primärtherapie des metastasierenden Karzinoms gilt jedoch als nicht schlüssig.3 Für andere solide Tumoren wie Hodenkrebs gibt es lediglich Phase I-/II-Studien.4,5 Bisherige Studien zum Brustkrebs können aufgrund niedriger Zahlen der Patientinnen und methodischer Mängel keinen relevanten Vorteil der sehr toxischen Hochdosis-Chemotherapie gegenüber konventioneller Chemotherapie belegen.1,6 Neben der Zerstörung des blutbildenden Systems, die durch nachfolgende Transplantation von Blutstammzellen aufgefangen werden soll, ist auch mit irreversibler Schädigung anderer Organe wie Herzmuskel, Lunge und Nervensystem zu rechnen sowie mit beträchtlicher Minderung der Lebensqualität. Spätfolgen lassen sich mangels Erfahrungen nicht absehen.

Patienten, bei denen sich eine HDCT rechtfertigen lässt, sollten innerhalb sorgfältig geplanter kontrollierter Studien im Vergleich mit bestmöglicher konventioneller Chemotherapie behandelt werden. Nur so lässt sich der Erkenntnisgewinn beschleunigen. Die - gar ambulante - Durchführung außerhalb von Studien halten wir für unverantwortlich.

Für Kliniken wird auf dem Wege des Binnenkonsens eine Qualitätszertifizierung als Voraussetzung zur Abrechnung von Fallpauschalen angestrebt.7 Pro Behandlung mit HDCT geht es beim Erwachsenen immerhin um einen Betrag von bis zu 160.000 DM. Dies bedeutet allein beim metastasierten Mammakarzinom ein potentielles Umsatzvolumen von einer Milliarde DM pro Jahr, bei adjuvanter HDCT von ein bis vier Milliarden DM. Budgetabsprachen können zur Folge haben, dass - nur um das Budget zu erfüllen - ungeeignete Patienten in die HDCT eingeschleust werden, wenn geeignete Studienpatienten fehlen.

Im Schadensfall scheiden Ansprüche an die Pharmahersteller aus, da nicht zugelassene Hochdosierungen verwendet werden. Somit gerät der Arzt unter Haftungsdruck. Die Begründung wird schwer fallen, warum beim gegenwärtigen Kenntnisstand eine Therapie mit experimentellem Charakter außerhalb von Studien und zugelassenen Dosierungen als "individueller Heilversuch" durchgeführt wurde, -Red.


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