Die Nachzulassung von Altarzneimitteln, wie sie in Deutschland praktiziert wird, ist nicht EU-konform. Altpräparate sind somit nach EU-Recht auf
dem europäischen Markt illegal. Dies teilt die Kommission der Europäischen Gemeinschaft der Bundesrepublik Deutschland mit Erlass vom 21. Oktober
1998 mit.1 Die Bundesregierung soll nun anscheinend innerhalb von zwei Monaten das Arzneimittelgesetz (AMG) den Richtlinien der EU vom 16. Januar
1965 anpassen.
Was ist passiert? Für die Nachzulassung hat das damalige Bundesgesundheitsamt durch Kommissionen Monographien erstellen lassen und
Altarzneimittel, die sich vor Inkrafttreten des AMG am 1. Januar 1978 im Verkehr befanden, nachträglich zugelassen, wenn sie diesen Monographien
entsprachen. Durch Besetzung der Kommissionen mit gefälligen Wissenschaftlern haben pharmazeutische Unternehmer Nachzulassungen ihrer Präparate
zum Teil selbst schreiben können. So ließ beispielsweise die Kommission E (Phytotherapeutika) die Stoffmonographie für den Ginkgo-biloba-
Blätterextrakt vom TEBONIN-Hersteller Schwabe entwerfen.2 Unkontrollierte Einflussnahmen und "Binnenkonsens" (a-t 4 [1998, 37] feierten so fröhliche Urstände, dass der Gesetzgeber die Monographien 1994 mit der 5. AMG-
Novelle abschaffte. Jetzt stellt auch die EU fest, dass deutsche Nachzulassungsentscheidungen auf der Basis der Monographien nicht EU-konform sind. Abgesehen
von wenigen Ausnahmen sind für jedes Arzneimittel bei der Nachzulassung alle pharmakologischen, toxikologischen und klinischen
Prüfungsergebnisse "in systematischer Weise"1 vorzulegen. Die industriefreundlichen Erleichterungen des deutschen AMG sind
rechtswidrig.
Auch die Regelung, dass Altlasten bis Jahresbeginn 2005 im Handel bleiben dürfen, wenn der Anbieter keinen Antrag auf Verlängerung der
Zulassung gestellt oder diesen zurückgezogen hat (s. auch a-t 7 [1997], 79), "steht in krassem
Widerspruch"1 zu den EU-Richtlinien (65/65/EWG). 1965 verpflichteten sich die Mitgliedsländer, die Nachzulassung bis Mai 1990
abzuschliessen. Andere EU-Länder haben die Vorgabe eingehalten. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), nach Aufstockung
von 200 (1980) auf 900 (1995) Mitarbeiter die personalstärkste Zulassungsbehörde der EU, die den Steuerzahler jährlich mehr als 300 Millionen DM
kostet, ist auch heute noch nicht fertig. Altarzneimittel, die bis Mai 1990 noch nicht zugelassen waren (mehr als 30.000), hätten "ab diesem Zeitpunkt nicht
mehr in Verkehr gebracht werden dürfen"1.
Die Misere ist der Leitung des BfArM und der Unterabteilung Arzneimittel im Bundesgesundheitsministerium zu verdanken - wegen Unfähigkeit beziehungsweise
distanzlosen Entgegenkommens gegenüber Warenanbietern. Wann wird die neue Bundesregierung sich von solchen Personal-Altlasten trennen?
1 | Kommission der Europäischen Gemeinschaft: "Mit Gründen versehene
Stellungnahme" vom 21. Oktober 1998, K(1998)2863 endg. |
2 | SCHÖNHÖFER, P. S., persönl. Mitteilung |
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