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Neu auf dem Markt

MIFEPRISTON (RU 486, MIFEGYNE)

Der medikamentöse Schwangerschaftsabbruch ist jetzt auch in Deutschland möglich. Seit Ende November wird Mifepriston (RU 486; MIFEGYNE) von der eigens zu diesem Zweck gegründeten Firma Femagen, einer Hexal-Tochter, ausgeliefert. Um Missbrauch vorzubeugen, dürfen die durchnummerierten Packungen nur direkt an Krankenhäuser und Arztpraxen ausgeliefert werden, die berechtigt sind, Schwangerschaftsabbrüche vorzunehmen, nicht jedoch über Großhandel und Apotheken.

Das Antigestagen Mifepriston ist für den medikamentösen Schwangerschaftsabbruch bis zum 49. Tag nach Beginn der letzten Regelblutung zugelassen.1 Der Zulassungsbescheid sieht ausdrücklich die Anwendung mit Misoprostol (CYTOTEC) oder Gemeprost (CERGEM) vor,2 obwohl keines der beiden Prostaglandine dafür zugelassen ist. Nach Einnahme von Mifepriston und Anwendung eines Prostaglandins unter ärztlicher Aufsicht zwei Tage später ist ein dritter Arztbesuch zur Kontrolle des vollständigen Aborts nach 10 bis 14 Tagen vorgeschrieben.

Weitere Indikationen für Mifepriston sind Erweiterung des Gebärmutterhalses vor instrumentellem Abbruch im ersten Trimenon, Beschleunigung eines mit Prostaglandinen eingeleiteten Aborts jenseits des ersten Trimenons und Abortinduktion bei intrauterinem Fruchttod.1

EIGENSCHAFTEN: Das 19-Norsteroid blockiert als Progesteron-Rezeptorantagonist über Tage wachstumsfördernde und kontraktionshemmende Effekte von Progesteron auf Schleimhaut und Muskulatur der Gebärmutter. Der Uterus spricht stärker auf Prostaglandine an. Der Gebärmutterhals wird weicher und erweitert sich. Mifepriston hat zudem antiglukokortikoide Aktivität.3,4

WIRKSAMKEIT: Das Antigestagen allein führt nur bei 60% bis 80% zu einem Abbruch. Eine Einmaldosis von 600 mg wird daher nach 36 bis 48 Stunden durch Gemeprost (1 mg vaginal) oder Misoprostol (400 µg per os) ergänzt, um Uteruskontraktionen zu fördern. Unter den Kombinationen liegt die Abbruchrate innerhalb von sieben Wochen nach der letzten Regel bei 92% bis 99%.5 Der Abbruch tritt bei der Mehrzahl innerhalb von vier Stunden nach der Prostaglandinanwendung ein.6,7 Selten kann die vollständige Ausstoßung aber bis zu 14 Tage nach Einnahme von Mifepriston dauern.6

Ab der achten Schwangerschaftswoche sinken die Abbruchraten.5,8 In der einzigen teilweise randomisierten Vergleichsstudie ist dann die Absaugmethode mit unverändert hoher Abbruchrate (98%) der Kombination aus Mifepriston plus Gemeprost (92%) überlegen. Bis zur siebten Schwangerschaftswoche wirken beide Methoden gleich gut.9

VERTRÄGLICHKEIT: Der Abort geht mit bis zu zwölf Tage anhaltenden Blutungen einher. Der Blutverlust entspricht dem nach chirurgischem Abbruch. Bei bis zu 3% machen starke Blutungen nachträgliche Ausschabungen erforderlich. Eine von 500 bis 1.000 Frauen benötigt Transfusionen.5,6 Praktisch jede klagt über schmerzhafte Kontraktionen im Unterbauch. Zwei von drei Frauen benötigen Schmerzmittel.5,10 Frauen, die Mifepriston in Kombination mit Misoprostol per os einnehmen, scheinen weniger Analgetika zu benötigen.11 Häufige Folgen sind auch Übelkeit und Erbrechen (bis 76%), Durchfall, Kopfschmerzen, Schwindel und Müdigkeit (jeweils bis 30%).5,6,10,12 Im Vergleich zur Vakuumaspiration ist offenbar seltener mit Infektionen des kleinen Beckens zu rechnen.9 Schwerwiegende Komplikationen wie Uterusruptur sind in Verbindung mit Gemeprost beschrieben, bisher aber nicht unter kontrollierter Anwendung von Misoprostol.

Extrauteringravidität, chronische Nebennierenrindeninsuffizienz und schweres, unzureichend behandeltes Asthma sind Kontraindikationen. Vorsicht ist bei Gerinnungsstörungen geboten.1 Frauen über 35 Jahren, starke Raucherinnen und Frauen mit anderen kardiovaskulären Risikofaktoren sollen auf den medikamentösen Abbruch verzichten.8,10

Prostaglandine wirken teratogen. Das fruchtschädigende Potential von Mifepriston ist ungeklärt.1

AKZEPTANZ: Die Mehrzahl der Frauen (75% bis 95%), die eine Schwangerschaft medikamentös beendet haben, ist mit der Methode zufrieden.6 Wenn sich Frauen bevorzugt für einen medikamentösen oder chirurgischen Abbruch entscheiden, haben beide Methoden gleich hohe Akzeptanz (95% vs. 90%). Im randomisierten Vergleich sind nach Vakuumaspiration mehr Frauen zufrieden (74% vs. 87%), insbesondere ab der achten Schwangerschaftswoche.13 Gründe, sich für den Abbruch mit Mifepriston zu entscheiden, sind Furcht vor Narkose und chirurgischem Eingriff. Das Erleben des Abbruchs bei vollem Bewusstsein über mehrere Tage wird andererseits als belastend empfunden. Die Narkose und die kurze Dauer des Eingriffs - nur ein Arzt- bzw. Klinikbesuch - werden daher auch als Gründe für die Entscheidung zur Absaugmethode genannt.13-15

NICHT ZUGELASSENE ANWENDUNGSGEBIETE: Mifepriston ist auch als "Pille danach" geprüft worden. Von jeweils 400 Frauen, die nach ungeschütztem Geschlechtsverkehr verhüten wollen, werden nach zweimaliger Einnahme von 100 µg Ethinylestradiol und 1 mg Norgestrel vier Frauen (1%) schwanger, nach einer Einzeldosis von 600 mg Mifepriston keine (a-t 2 [1995], 9).16 Das Antigestagen wird außerdem bei Endometriose, Mammakarzinom und Meningeom untersucht. Der Glukokortikoidrezeptor-blockierende Effekt kann möglicherweise bei CUSHING-Syndrom auf Grund ektoper ACTH-Sekretion oder Nebennierenkarzinom genutzt werden, wegen der Gefahr der ACTH- Stimulation jedoch nicht bei hypophysärem Morbus CUSHING.8

KOSTEN: Eine Packung Mifepriston (MIFEGYNE) mit drei Tabletten zu 200 mg kostet 154 DM. Die Frage der Kostenübernahme für Frauen mit geringem Einkommen ist bisher nicht geklärt. Die Kosten für den chirurgischen Abbruch übernehmen in diesen Fällen die Sozialbehörden.

FAZIT: Frauen, die eine Schwangerschaft beenden wollen, haben jetzt auch in Deutschland die Möglichkeit zum medikamentösen Abbruch. Seit Ende November wird das Antigestagen Mifepriston (RU 486; MIFEGYNE) direkt an berechtigte Kliniken oder Arztpraxen ausgeliefert. Die zusätzlich benötigten Prostaglandine sind zwar nicht dafür zugelassen, ihre Anwendung ist aber durch die klinische Datenlage und die amtlichen Vorgaben1 gedeckt. Nach Aufklärung der Frauen gehen die verordnenden Ärzte somit kein Haftungsrisiko ein.

Bis zur siebten Woche lässt sich eine Schwangerschaft mit Mifepriston plus Prostaglandin ebenso zuverlässig beenden wie mit der Absaugmethode. Furcht vor Narkose, Operation oder Infektion können Gründe sein, einen medikamentösen Abort zu bevorzugen. Das bewusste Durchleben des Abbruchs über mehrere Tage kann andererseits belasten. Mit Abdominalbeschwerden ist zu rechnen. Blutungen halten bis zu zwölf Tage an. Bei 3 von 100 Frauen sind Nachkürettagen erforderlich.


© 1999 arznei-telegramm

Autor: Redaktion arznei-telegramm - Wer wir sind und wie wir arbeiten

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