In seiner "Halbzeitbilanz" erwähnt der Kanzler die Gesundheitspolitik mit keinem Wort. Er tut gut daran, denn es gibt nichts Positives zu
vermelden:
Während alle anderen europäischen Länder die Vorgaben der EU
hinsichtlich Nachzulassung von Altarzneimitteln bis 1990 erfüllten, sind in Deutschland auch zehn Jahre später noch mehr als 20.000
unüberprüfte Altlasten im Handel. Die deshalb verabschiedete 10. Novelle des Arzneimittelgesetzes erweist sich als Schlag ins Wasser (vgl. a-t 2000; 31: 58).
Das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) schafft es nicht, eine
tragfähige gesetzliche Festbetragsregelung vorzuschlagen und umzusetzen, um den Preisauftrieb bei Arzneimitteln
einzudämmen.
Der von der Vorgänger-Regierung eingeführte unsinnige
Wettbewerb unter den gesetzlichen Krankenkassen, der auch nahezu "virtuelle" Kassen (BKK ohne Betrieb, Betreuung nur per Internet
und Telefon) auf den Plan gerufen hat, bleibt unkorrigiert. Das Solidarprinzip wird im Streit der Kassen weiter zerstört - zum Schaden der
Patienten.
Der für die Krankenkassen zuständige Bereich des Ministeriums setzt der
Ausbeutung des Sozialsystems durch Pseudoinnovationen und durch Werbung induzierter Desinformation nichts entgegen, im Gegensatz etwa zu
England mit seinem angesehenen National Institute of Clinical Excellence (NICE). Das Instrument des Einzelregresses kommt zu spät, um die
Kostensteigerungen zu bändigen. Pharmahersteller werden dabei geschont und damit die eigentlichen Verursacher, die vom Abbau des umsatzhemmenden
Solidarsystems profitieren.
Die bereits mehrfach angekündigte Überarbeitung der
Negativliste ruht im "Bermuda-Dreieck" zwischen BfArM und BMG. Sie wurde inzwischen so verwässert, dass selbst die
Pharmaverbände sie unterstützen. Ein vernichtenderes Urteil kann es nicht geben.
Nun soll nach dem Willen der Ministerin die Fertigstellung der
Positivliste beschleunigt werden, wohl um "höheren" Druck abzubauen. Wie, bleibt angesichts der Strategiedefizite und
Verbraucherfeindlichkeit der Leitungsebene der Grünen schleierhaft. Die juristische Verzögerungsstrategie der Pharmaverbände - ein zweistufiges
Anhörungs- und Widerspruchsverfahren - ist absehbar.
Der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI), der von
Phytopharmaka-Herstellern dominiert wird, hat zudem Klage bei der EU-Kommission gegen die Positivliste erhoben, weil gegen die Transparenzrichtlinie der
Europäischen Union verstoßen werde.1 Es steht zu befürchten, dass die Firmen ihr erklärtes Ziel erreichen, die Positivliste zu
verhindern. Wäre da nicht eine gezielte Gegenstrategie zu diskutieren, etwa der generelle Ausschluss von Arzneimitteln der besonderen Therapien aus der
Verordnungsfähigkeit zu Lasten der Krankenkasse - so wie es die Niederlande unlängst vorgemacht haben?
FAZIT: Auch zu Beginn der zweiten "Halbzeit" der Rot-Grünen Bundesregierung lassen sich keine Ansätze für eine
eigenständige Gesundheitspolitik erkennen, die diesen Namen verdient. Es wird im Sinne der Klientelbedienung weitergewurstelt werden wie bei der
Vorgänger-Regierung - schade!
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