Doxycyclin (DOXYHEXAL u.a.) zur Vorbeugung der Lyme-Borreliose - viele Fragen offen: Bisherige Empfehlungen raten von der
antibakteriellen Prophylaxe der Borreliose nach Zeckenstich ab, weil das Nutzen-Schaden-Verhältnis negativ ist. Die einmalige Einnahme von 200 mg
Doxycyclin (DOXYCYCLIN AL u.a.) nach Stich scheint besser abzuschneiden - zumindest in Regionen mit hoher Borrelioserate. In einer randomisierten
Doppelblindstudie (1987 bis 1996) nehmen knapp 500 Erwachsene und Kinder über 12 Jahren aus dem Staat New York (USA) innerhalb von drei Tagen nach
Entfernung einer Zecke (nachweislich nur Ixodes scapularis) entweder das Tetrazyklin oder ein Scheinmedikament. Primärer Endpunkt ist ein Erythema migrans
in der Umgebung des Zeckenstichs innerhalb von sechs Wochen. Sekundäre Endpunkte sind Serokonversion bzw. Erythema migrans an anderen
Körperregionen. 8 (3,2%) von 247 Patienten der Plazebo-Gruppe und 1 (0,4%) von 235 Patienten der Doxycyclin-Gruppe entwickeln ein Erythema migrans an
der Stichstelle (relative Risikoreduktion 87%). Auf Grund der geringen Ereignisrate ist der Vertrauensbereich weit (25% bis 95%), der wahre Nutzen also
möglicherweise geringer. Alle klinisch auffälligen Borreliosen entwickeln sich nach Stichen von Nymphstadien der Zecken. Diese sind zwar halb so
häufig wie adulte Zecken mit Borrelien infiziert, werden aber wegen geringer Größe später entdeckt und entfernt. Die Dauer des Saugvorgangs
gilt dabei als wichtiger Prädiktor für eine Borrelieninfektion. 30% der mit der Doxycyclin-Einmaldosis Behandelten (11% unter Plazebo) berichten über
Störwirkungen - vorwiegend im Magen-Darm-Bereich. Ob sich die Ergebnisse auf hiesige Verhältnisse übertragen lassen, ist fraglich. Borrelien- und
Zeckenspezies (I. ricinus) weichen von denen in den USA ab (NADELMAN, R.B. et al. sowie SHAPIRO, E.D.: N. Engl. J. Med.: 12. Juni 2001; vorabveröff. in
http://www.nejm.org). Zudem sind die Erkrankungsraten (0,3% bis 1,4%) nach Zeckenstich bei geringerer Durchseuchung der Zecken niedriger als in der
Studienregion mit extrem hohem Borrelienbefall (Epid. Bull. 1999; Nr. 22: 165-7). Im ungünstigsten Fall müssten bei uns mehr als 1.000 Personen behandelt
werden, um ein Erythema migrans zu verhindern. Unklar bleibt, ob auch Borreliose-Spätstadien verhütet werden und ob die breite Anwendung die
Resistenzlage enteraler Keime beeinflusst. Hierzulande erscheint die Prophylaxe nur in besonderen Situationen gerechtfertigt - lange Verweildauer (vollgesogener)
Nymphen/Zecken, Stich innerhalb von Hochendemiegebieten. Die Indikationsstellung wird erschwert, weil in Deutschland Hochendemiegebiete unzureichend
erfasst sind.
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