logo
logo
Die Information für medizinische Fachkreise
Neutral, unabhängig und anzeigenfrei
vorheriger Artikela-t 2002; 33: 72-3nächster Artikel
Im Blickpunkt

DIE STOP-NIDDM*-STUDIE: VERHINDERT
ACARBOSE (GLUCOBAY) TYP-2-DIABETES?

Patienten mit gestörter Glukosetoleranz haben ein sehr hohes Risiko für Typ-2-Diabetes. In der STOP-NIDDM*-Studie erhalten 1.429 Gesunde mit gestörter Glukosetoleranz, d.h. einem Blutzuckeranstieg zwei Stunden nach 75 g Glukose per os (oraler Glukose-Toleranz-Test = OGTT) auf Werte zwischen 7,8 und 11,1 mmol/l (140 und 200 mg/dl), und einem Nüchternblutzucker zwischen 5,6 und 7,7 mmol/l (100 und 140 mg/dl) entweder 300 mg Acarbose (GLUCOBAY) pro Tag oder Plazebo.1 4% der Teilnehmer werden von der Auswertung ausgeschlossen. 31% in der Acarbosegruppe und 19% in der Plazebogruppe brechen die Einnahme meist wegen Nebenwirkungen ab. Nach einer mittleren Studiendauer von 3,3 Jahren haben 32% unter Acarbose und 42% unter Plazebo 2-Stunden-OGTT-Blutzuckerwerte über 11,1 mmol/l (200 mg/dl) und werden somit als Diabetiker eingestuft.1 Nüchternblutzucker- und HbA1c-Werte werden nicht mitgeteilt. Nach mündlicher Aussage eines der Hauptautoren der Publikation gibt es jedoch hierbei keinen Unterschied zwischen Acarbose und Plazebo.2

Der durchschnittliche 2-Stunden-OGTT-Blutzuckerwert unterscheidet sich zwischen Acarbose und Plazebo um weniger als 20 mg/dl.2 Hierbei handelt es sich vermutlich um einen isolierten Effekt von Acarbose auf die Ergebnisse des OGTT. Der OGTT ist ein Test mit schlechter Reproduzierbarkeit. Acarbose kann seine Ergebnisse beeinflussen.3 In der STOP-NIDDM-Studie sinkt die Anzahl der Diabetesdiagnosen, wenn der OGTT wiederholt wird. Nach Absetzen von Acarbose in einer dreimonatigen einfach blinden Plazebo-Run-out-Phase am Ende der Studie steigt die Rate der neu als Diabetiker klassifizierten Studienteilnehmer in der ursprünglichen Verumgruppe über die in der ursprünglichen Plazebogruppe (15% vs. 11%).1

Die relative Reduktion des Diabetesrisikos unter Acarbose beträgt 24%. Nach früheren Studien senkt Metformin (GLUCOPHAGE u.a.) das relative Risiko, einen Diabetes zu entwickeln, bei Menschen mit gestörter Glukosetoleranz um 31%.4 Änderung der Lebensgewohnheiten einschließlich Gewichtsabnahme und Steigerung der körperlichen Aktivität mindert dieses Risiko relativ um mehr als 50%.4,5

Bedenklich ist, dass die finanziellen Verbindungen zwischen den Autoren der Studie und dem Acarbose-Hersteller Bayer nicht offengelegt werden. In der Lancet- Publikation findet sich der Hinweis, dass die Autoren keinen Interessenkonflikt angegeben haben. Zumindest der Erstautor und der deutsche Autor der Studie haben jedoch mehrfach finanzielle Zuwendungen von Bayer als Zuschuss (grant) 6,7 und/oder als Honorare 2,8,9 erhalten. Die Statuten von Lancet legen klar fest, dass solche Zuwendungen als Interessenkonflikt gelten und anzugeben sind, unabhängig davon, ob ein Autor sich dieses Konfliktes bewusst ist oder nicht.10 Somit haben die Autoren die Publikationsregeln der Zeitschrift Lancet verletzt. Mit diesem Verhalten lassen sich möglicherweise die unvollständigen Angaben von Studiendaten und ihre tendenziöse Interpretation erklären.

 Acarbose (GLUCOBAY) senkt bei Patienten mit gestörter Glukosetoleranz geringfügig den Blutzucker nach einem Glukosebelastungstest. Dieser Effekt ist deutlich kleiner als der nichtmedikamentöser Maßnahmen.

 Acarbose hat keinen Einfluss auf die Nüchternblutzuckerwerte oder den HbA1c-Wert.

 Interessenkonflikte durch finanzielle Verbindung der Autoren mit der Firma Bayer werden in der Veröffentlichung verschwiegen und spiegeln sich wahrscheinlich in Unterschlagung und Fehlinterpretation von Studiendaten wider.

© 2002 arznei-telegramm

Autor: Redaktion arznei-telegramm - Wer wir sind und wie wir arbeiten

Diese Publikation ist urheberrechtlich geschützt. Vervielfältigung sowie Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen ist nur mit Genehmigung des arznei-telegramm® gestattet.

vorheriger Artikela-t 2002; 33: 72-3nächster Artikel