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neue bedenken gegen vitamin e
 
NEUE BEDENKEN GEGEN VITAMIN E

Die Indikationsangaben der meisten Vitamin-E-Präparate lauten in der Roten Liste lapidar "Vitamin-E-Mangel", so beispielsweise beim Marktführer OPTOVIT, von dem im Jahr in öffentlichen Apotheken über 1,5 Mio. Packungen zum Preis von 40 Mio. Euro verkauft werden. Eigentlich müssten solche Produkte bedeutungslos sein, da die Existenz von Vitamin-E-Mangelkrankheiten bei Menschen nicht nachgewiesen ist und sich somit ein Nutzen für solche Supplemente nicht ableiten lässt.

Das Geschäft läuft über andere Versprechungen, die nur wenige Hersteller apothekenpflichtiger Produkte in den offiziellen Produktinformationen deklarieren, wie zum Beispiel die Firma Wiedemann als Indikationen für VITAMIN E Dragees: "vorzeitiges Altern, klimakterische Beschwerden, Vitalitätsverlust, Leistungsschwäche". "Leistungsschwäche" nennen auch Hersteller wie Merck Selbstmedikation (EMBIAL 600) und Sanorell (TOCORELL VIT. E). Andere Firmen wecken Erwartungen im Internet, beispielsweise Stada: "Vitamin E, in höheren Mengen zugeführt, verfügt über besondere Schutzwirkungen, vermutlich gegen Krebs, Arteriosklerose, koronare Herzkrankheit und ...?" Belege hierfür fehlen. Im Gegenteil: Die Datenlage fällt zunehmend zu Ungunsten von Vitamin E aus.

In einer jetzt veröffentlichten randomisierten plazebokontrollierten Doppelblindstudie mit 650 mindestens 60 Jahre alten Personen wird der Einfluss eines Multivitamin-Mineral-Präparates sowie von 200 mg Vitamin E auf die Häufigkeit akuter Atemwegsinfektionen mit Scheinmedikament verglichen: Sowohl das Multivitamin-Mineral-Präparat als auch Vitamin E lassen Häufigkeit und Schwere akuter Atemwegsinfektionen im Studienzeitraum von 14 Monaten unbeeinflusst. Wer jedoch an einer Atemwegsinfektion erkrankt, hat unter Vitamin E eine längere Krankheitsdauer zu überstehen als unter Plazebo (19 vs. 14 Tage) und häufiger Fieber (37% vs. 25%). Die Aktivität ist häufiger eingeschränkt (52% vs. 41%). An Vitamin-E-Mangel litten die Teilnehmer der Studie nicht. Nur bei einem der 650 Patienten (0,2%) stufen die holländischen Autoren die Vitamin-E-Ausgangsspiegel als "suboptimal" ein. (1)

Ältere Personen sollen nach den Ergebnissen dieser Studie keine Vitamin-E-Supplemente einnehmen. Auch in anderen Bereichen erfüllt das Vitamin nicht die Erwartungen: Die Rate von Herzinfarkten und Schlaganfällen sowie die Sterblichkeit aus kardiovaskulärer Ursache unterscheidet sich in einer großen Studie nicht von Plazebo (a-t 2000; 31: 22). Auch in der soeben veröffentlichten Heart Protection Study bleibt ein Vitamin-Cocktail aus Vitamin E, C und Betakaroten ohne Einfluss auf Sterblichkeit, schwere Herz-Kreislauf-Komplikationen und Krebserkrankungen (a-t 2002; 33: 83-4).

Die präventive Einnahme von Vitamin E erscheint somit nicht nur nutzlos und überflüssig, sondern - zumindest ab einem Alter von 60 Jahren - potenziell nachteilig.

1

GRAAT, J.M. et al.: JAMA 2002; 288: 715-21



© Redaktion arznei-telegramm
blitz-a-t 19. August 2002

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