PSYCHOSEN, SUIZIDE U.A.: IST MALARIAMITTEL MEFLOQUIN (LARIAM) NOCH TOLERABEL? |
Über auffällig häufige neuropsychiatrische Nebenwirkungen des Malariamittels Mefloquin (LARIAM) haben wir seit Ende der 80er Jahre wiederholt berichtet (z.B. a-t 1989; Nr. 8: 74 oder 1996; Nr. 3: 31), über Psychosen und Suizide zuletzt in a-t 2000; 31: 23. Üblicherweise soll die Einnahme von Mefloquin zur Malariaprophylaxe mindestens eine Woche vor Ankunft im Endemiegebiet erfolgen (1). Da mit neuropsychiatrischen Störwirkungen wie Angst, Depression und Psychose insbesondere in den ersten Einnahmewochen zu rechnen ist, empfiehlt die schwedische Arzneimittelbehörde, mit der Einnahme bereits mindestens drei Wochen vor der Reise zu beginnen (2), damit die Schadeffekte vor Reisebeginn erkannt werden können. In den USA wird in der Produktinformation von LARIAM jetzt ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es sich bei den unter der Einnahme auftretenden psychiatrischen Symptomen wie akute Angst, Depression, Ruhelosigkeit oder Verwirrtheit um Vorstadien schwerwiegender Folgen handeln kann. Die Prophylaxe mit Mefloquin soll dann abgesetzt und durch ein anderes Mittel ersetzt werden. Allerdings können die Schadeffekte - wegen der langen Halbwertszeit von mehr als drei Wochen - noch lange nach dem Absetzen anhalten. Bei Patienten mit aktiver Depression oder mit Depression in der näheren Vorgeschichte, generalisierter Angsterkrankung, Psychose, Schizophrenie oder anderen relevanten psychiatrischen Erkrankungen darf Mefloquin nicht verordnet werden (3). Die Verschärfung der Warnhinweise in der Produktinformation fällt mit einer breiten Diskussion in den US-amerikanischen Medien über das suizidfördernde Potenzial von Mefloquin zusammen. Der aktuelle Anlass: Bei mehreren Soldaten, die ihre Frauen und sich selbst ermordet haben, wird geprüft, ob die wegen des Afghanistan-Einsatzes vorgenommene Malariaprophylaxe mit Mefloquin zu der Tat beigetragen hat(4). In der derzeit gültigen deutschen Fachinformation von LARIAM (1) finden sich nur dürftige Angaben. Zwar werden "seltene Fälle von Suizidalität", deren "ursächliche Beziehung zur Verabreichung des Arzneimittels ... nicht nachgewiesen werden" konnte und die Gegenanzeige "bei Personen mit psychischen Störungen ... in der Anamnese" erwähnt. Es finden sich jedoch keine Hinweise auf die potenziellen Folgen der Anwendung bei diesen Personen. In der Rubrik "Warnhinweise" lautet es lapidar "keine". Vom Hersteller Roche war bis zum Versand dieses blitz-a-t nicht in Erfahrung zu bringen, ob hierzulande die Verschärfung von Gegenanzeigen und Warnhinweisen auf den US-amerikanischen Stand vorgesehen ist. WHO und Deutsche Gesellschaft für Tropenmedizin und Internationale Gesundheit e.V. (DTG; http://www.dtg.mwn.de) empfehlen derzeit die Malariaprophylaxe mit Mefloquin für Gebiete mit hohem Malariarisiko wie das tropische Afrika. In Abhängigkeit von der Expositionswahrscheinlichkeit und der Resistenzsituation können Chloroquin (RESOCHIN u.a.) plus Proguanil (PALUDRINE; die Kombination ist weniger zuverlässig als Mefloquin), Doxycyclin (DOXYCYCLIN AL u.a.; cave Fototoxizität) oder neuere Fixkombinationen wie Atovaquon plus Proguanil (MALARONE, extrem teuer, noch relativ geringe Erfahrungen) alternativ verwendet werden. Das Dilemma: Wegen der geringen Auswahlmöglichkeiten kann auf das ZNS-toxische Mefloquin nicht generell verzichtet werden. Sobald jedoch Hinweise auf aktuelle oder frühere psychische Erkrankungen existieren, soll Mefloquin strikt gemieden werden. Wer aber Mefloquin zur Prophylaxe erhält, muss ausdrücklich und detailliert über die potenziellen Folgen informiert werden, damit Depressionen, Psychosen und Suizidalität auf Fernreisen als arzneibedingt erkannt werden können. |
1 | Roche: Fachinformation LARIAM, Stand Mai 2000 |
2 | WHO Pharmaceuticals Newsletter 2001; Nr. 1 |
3 | Roche: LARIAM, Complete Product Information, Revised: July 2002 |
4 | United Press International: Pressemitteilung vom 26. August 2002 |
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blitz-a-t 28. August 2002 |
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