Wie beurteilen Sie die Wirksamkeit/das Nebenwirkungspotenzial von Anastrozol (ARIMIDEX) nach der ATAC*-Studie?
M. MÜLLER (Apothekerin)
D-27801 Neerstedt
Interessenkonflikt: Keiner
Mittel der Wahl zur adjuvanten hormonellen Therapie des Brustkrebses ist das Antiöstrogen Tamoxifen (NOLVADEX u.a.). Die optimale Einnahmedauer liegt
bei fünf Jahren (a-t 2001; 32: 62).
Aromatasehemmer wie Anastrozol (ARIMIDEX) sind bisher nur bei fortgeschrittenem Brustkrebs zugelassen. Sie blockieren die Umwandlung von Androgenen in
Östrogene in peripheren Geweben und damit den Hauptsyntheseweg der Östrogene nach den Wechseljahren. Vor der Menopause sind
Aromatasehemmer allein nach bisherigen Erkenntnissen unwirksam. In der ATAC*-Studie wird erstmals ein Aromatasehemmer der dritten Generation im Rahmen der
adjuvanten Therapie mit Tamoxifen verglichen. Die Studie wird unter aktiver Beteiligung des Herstellers beider Mittel, AstraZeneca, durchgeführt, ausgewertet
und publiziert.1
9.366 Frauen nach den Wechseljahren mit operablem Brustkrebs und abgeschlossener Primärtherapie (Operation, bei 21% zusätzlich adjuvante
Chemotherapie) nehmen in der dreiarmigen Studie täglich 20 mg Tamoxifen, 1 mg Anastrozol oder Tamoxifen plus Anastrozol ein. Bei 84% der Frauen ist der
Hormonrezeptorstatus des Tumors positiv, bei jeweils etwa 8% negativ oder unbekannt. Primärer Endpunkt ist das krankheitsfreie Überleben, ein
"weicher", verzerrungsanfälliger Endpunkt. Die Gesamtsterblichkeit gehört zu den sekundären Endpunkten.1
Nach medianer Nachbeobachtung von 33 Monaten werden jetzt die ersten Ergebnisse vorgelegt. Die Rate der überlebenden Frauen ohne lokales Rezidiv,
Fernmetastasen oder zweiten Primärtumor (krankheitsfreies Überleben) ist unter Anastrozol geringfügig, aber statistisch signifikant höher als
unter Tamoxifen (hochgerechnete Häufigkeit nach drei Jahren 89,4% vs. 87,4%; NNT3Jahre = 50). Ein Vorteil von Anastrozol zeigt sich
nur bei positivem Hormonrezeptorstatus. Die Kombination ist mit einer Rate von 87,2% nicht besser als Tamoxifen allein. Die Gesamtsterblichkeit unterscheidet sich
nicht (6,4% bzw. 6,5% unter Monotherapie, 6,9% unter der Kombination).1
Anastrozol geht mit signifikant weniger Hitzewallungen (34% vs. 40%), vaginalen Blutungen (5% vs. 8%), Ausfluss (3% vs. 11%), Endometriumkarzinomen (0,1% vs.
0,5%), zerebrovaskulären Ischämien (1% vs. 2,1%) und tiefen venösen Thromboembolien (1,0% vs. 1,7%) einher. Tamoxifen-Anwenderinnen erleiden
seltener Frakturen (3,7% vs. 5,9%).1
Die Ergebnisse der ATAC-Studie sind für Anastrozol vielversprechend, reichen aber nicht aus, die Empfehlungen zur adjuvanten hormonellen Therapie des
Brustkrebses zu verändern. So hat sich derzeit auch die Amerikanische Gesellschaft für klinische Onkologie (ASCO) für die Beibehaltung von
Tamoxifen als Standardtherapeutikum ausgesprochen (a-t 2002; 33: 65).2,3
Der lebensverlängernde Nutzen von Tamoxifen (NOLVADEX u.a.) in der
adjuvanten hormonellen Therapie des Brustkrebses ist gut dokumentiert. Dies trifft für Aromatasehemmer nicht zu.
Zum Vergleich des Aromatasehemmers Anastrozol (ARIMIDEX) mit Tamoxifen in der
adjuvanten Therapie lässt sich bisher nur eine Nachbeobachtung von 33 Monaten überblicken. In diesem Zeitraum verlängert Anastrozol das
krankheitsfreie Überleben geringfügig. Ein Unterschied in der Gesamtsterblichkeit ergibt sich nicht.
Der klinische Nutzen von Tamoxifen nimmt in den ersten Einnahmejahren mit der
Dauer der Anwendung zu. Optimal sind fünf Jahre. Beim derzeitigen Stand der ATAC-Studie lässt sich nicht ausschließen, dass Anastrozol nach
fünf Jahren schlechter abschneidet als Tamoxifen.2
Tamoxifen ist an einer großen Zahl von Patientinnen langfristig erprobt.
Aromatasehemmer der dritten Generation sind bislang hauptsächlich in Studien mit medianer Dauer von weniger als einem Jahr geprüft. Die Langzeitrisiken
sind nicht überschaubar.2
Nach US-amerikanischer Empfehlung kommt ein Therapieversuch mit Anastrozol bei
Frauen nach den Wechseljahren in Betracht, bei denen eine absolute oder relative Kontraindikation für Tamoxifen besteht. Bei relativer Kontraindikation ist die
Nutzen-Risiko-Bilanz einer Entscheidung für Anastrozol sehr sorgfältig abzuwägen. Auch bei schweren Nebenwirkungen von Tamoxifen kann ein
Wechsel zu Anastrozol erwogen werden. Nutzen und optimale Dauer einer solchen Sequenztherapie sind allerdings nicht bekannt.2
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