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Neu auf dem Markt

COX-2-HEMMER ETORICOXIB (ARCOXIA)

Seit September bietet MSD mit Etoricoxib (ARCOXIA) einen weiteren Cyclooxygenase (Cox)-2-Hemmer an, der in seiner chemischen Struktur Ähnlichkeiten mit dem soeben wegen Kardiotoxizität aus dem Handel gezogenen Cox-2-Hemmer Rofecoxib (VIOXX; vgl. Seite 116) besitzt.1 Die Neuerung (Werbung: "breites Indikationsspektrum"2) ist zugelassen bei Arthrose, rheumatoider Arthritis und akutem Gichtanfall. Bei der Markteinführung 2002 in Großbritannien, dem Referenzland für die EU-Zulassung im Rahmen der gegenseitigen Anerkennung, war das Anwendungsgebiet jedoch wesentlich breiter und umfasste zusätzlich beispielsweise chronische Rückenschmerzen, akute Schmerzen nach Zahnextraktion und Dysmenorrhö. Während des Zulassungsverfahrens wurden diese Indikationen fallen gelassen.3 Von den französischen und deutschen Behörden geäußerte Sicherheitsbedenken hatten MSD zudem dazu veranlasst, in diesen beiden Ländern den Zulassungsantrag vorübergehend zurückzuziehen, um die Markteinführung in anderen europäischen Ländern nicht zu verzögern.4 In den USA ist Etoricoxib bislang nicht zugelassen. Auch dort hatte MSD den Antrag 2002 zunächst zurückgezogen. Wenige Wochen später forderte die US-amerikanische Arzneimittelbehörde FDA mehr Daten zur kardiovaskulären Sicherheit.5 Inzwischen hat MSD die Zulassung in den USA erneut beantragt.

EIGENSCHAFTEN: Wie Rofecoxib besitzt Etoricoxib eine Methylsulfon-Struktur.1 Die Neuerung hat eine Halbwertszeit von 22 Stunden und wird einmal täglich eingenommen. Maximale Plasmakonzentrationen liegen nach einer Stunde vor. Etoricoxib wird fast vollständig in der Leber metabolisiert, hauptsächlich über CYP-Enzyme wie CYP 3A4, und überwiegend renal ausgeschieden.6

WIRKSAMKEIT: Ein Wirksamkeitsvorteil von Etoricoxib gegenüber herkömmlichen NSAR ist für keines der zugelassenen Anwendungsgebiete nachgewiesen. Alle dazu veröffentlichten Studien7-12 wurden unter maßgeblicher Beteiligung von MSD durchgeführt. Methodische Mängel schmälern die Aussagekraft der Mehrzahl der Untersuchungen erheblich.

Bei akuter Gicht ist Gleichwertigkeit mit Indometazin (INDO VON CT u.a.) zumindest durch eine qualitativ ausreichende Studie belegt.7 Bei rheumatoider Arthritis9,10 und Arthrose11,12 ist eine ähnliche schmerzlindernde Wirkung wie unter Naproxen (PROXEN u.a.) oder Diclofenac (VOLTAREN u.a.) dokumentiert. Gleichwertigkeit lässt sich aus den veröffentlichten Studien dagegen nicht sicher ableiten.

UNERWÜNSCHTE WIRKUNGEN: Nachdem Rofecoxib soeben wegen kardiovaskulärer Toxizität weltweit vom Markt genommen worden ist, stellt sich die Frage der Herz-Kreislauf-Verträglichkeit von Etoricoxib besonders dringlich. Zweifel an der Unbedenklichkeit sind angebracht: In einer der Studien bei rheumatoider Arthritis9 mit insgesamt 816 Patienten treten beide beobachteten und von einem externen Komitee bestätigten thrombotischen kardiovaskulären Ereignisse, ein Herzinfarkt und eine transitorische ischämische Attacke (TIA), unter Etoricoxib auf. Beide werden übrigens von den Studienleitern als "definitiv nicht arzneimittelbedingt" eingestuft, im Gegensatz zu Vorhofflimmern bei einem Patienten aus der Naproxen-Gruppe.9 In der zweiten veröffentlichten Studie bei rheumatoider Arthritis mit 891 Patienten gibt es drei thrombotische kardiovaskuläre Ereignisse - zwei unter Etoricoxib (Angina pectoris und Lungenembolie) und eines unter Plazebo (Thrombose). Ein möglicher Zusammenhang mit den Arzneimitteln wird wiederum verneint.10

Die Beurteilung der kardiovaskulären Verträglichkeit und die Übertragbarkeit der Ergebnisse in die Praxis werden dadurch erschwert, dass in beiden Studien Personen mit Herzinfarkt, Schlaganfall, Angina pectoris u.a. in der Vorgeschichte von vornherein ausgeschlossen waren. In den übrigen oben erwähnten Studien sollen schwerwiegende kardiovaskuläre Ereignisse entweder nicht vorgekommen sein, oder es werden explizit nur solche erwähnt, die nach Bewertung der Studienleiter zumindest "möglicherweise" auf die Arzneimitteltherapie zurückgeführt werden. Zu fordern sind daher ausreichend große randomisierte kontrollierte Studien, die die kardiovaskuläre Verträglichkeit von Etoricoxib prüfen.13

Eine bessere Magen-Darm-Verträglichkeit von Etoricoxib gegenüber herkömmlichen NSAR ist nicht hinreichend belegt. Auch hierfür bedarf es großer kontrollierter Studien, die primär darauf angelegt sind, die Häufigkeit klinisch relevanter gastrointestinaler Ereignisse zu untersuchen.

KOSTEN: Etoricoxib (ARCOXIA; 45 €/Monat für täglich 60 mg oder 90 mg) verdreifacht die Kosten einer Behandlung der Arthrose oder rheumatoiden Arthritis im Vergleich zu einem preiswerten Diclofenac-Nachfolger (z.B. von Aliud: 14 €/Monat bei 3 x tgl. 50 mg) und ist immer noch 75% teurer als das Hochpreisprodukt VOLTAREN (25 €/ Monat).

Der neue Cox-2-Hemmer Etoricoxib (ARCOXIA) kommt ohne belegten Nutzen- oder Verträglichkeitsvorteil auf den Markt.

Ob Etoricoxib, das Strukturmerkmale des soeben wegen Kardiotoxizität vom Markt genommenen Rofecoxib (VIOXX) besitzt, vermehrt thrombotische kardiovaskuläre Ereignisse einschließlich Herzinfarkt und Schlaganfall hervorruft, ist nicht hinreichend untersucht. Wir raten von der Anwendung ab.

© 2004 arznei-telegramm

Autor: Redaktion arznei-telegramm - Wer wir sind und wie wir arbeiten

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