Seit einiger Zeit wird von kardiologischen Zentren die Gabe von Clopidogrel (ISCOVER, PLAVIX) über sechs Monate nach Einlage
eines beschichteten Stents empfohlen. Hierbei wird auf Nachfrage auf eine mir nicht bekannte Studie verwiesen. Wie zuverlässig ist diese Studie? Ist der
Einsatz dieses teuren Medikaments über sechs Monate tatsächlich zu rechtfertigen?
Dr. med. J. WINTER
D-78713 Schramberg
Interessenkonflikt: keiner
Die bei den beschichteten Stents verwendeten antiproliferativen Mittel (CYPHER: Sirolimus, TAXUS: Paclitaxel) vermindern die Intimahyperplasie in dem mit
einem Stent versorgten Gefäßbereich und damit die Restenoserate. Sie beeinträchtigen aber auch dessen Reendotheliarisierung. Die innere
Oberfläche des Gefäßes weist dann durch Freiliegen subintimaler Strukturen für eine längere Zeit ein erhöhtes thrombogenes
Potenzial auf als nach Implantation unbeschichteter Stents.1,2 Um das Thromboserisiko innerhalb der Stents zu verringern, wird Clopidogrel (ISCOVER,
PLAVIX) - neben der Dauereinnahme von Azetylsalizylsäure (ASS; ASPIRIN u.a.) - in klinischen Studien mit beschichteten Stents länger angewendet als
für unbeschichtete empfohlen (vgl. a-t 2004: 35: 25-6 und 118-9).
Bisher liegen aber keine systematischen klinischen Untersuchungen zur optimalen Dauer der Clopidogreleinnahme bei beschichteten Stents vor.
Sirolimus wird in etwa sechs Wochen komplett aus dem CYPHER-Stent freigesetzt. Dagegen hält die Freisetzung von Paclitaxel aus TAXUS-Stents länger
an. Ein Rest scheint immer im Stent zu verbleiben. Es ist zwar nicht bewiesen, dass dies die zur Reendotheliarisierung benötigte Zeit beeinflusst. Hierin liegt
aber der Grund, weshalb Clopidogrel in Studien mit CYPHER-Stent zwei bis drei Monate, in Studien mit TAXUS-Stent dagegen sechs Monate lang eingenommen
wird.2,3 Diese Regime scheinen über eine Studiendauer von sechs bis zwölf Monaten ausreichend sicher zu sein (Stent-Thrombosen unter 1%
bis 2%).2 Bis weitere Daten vorliegen, empfiehlt es sich somit für die Praxis, Clopidogrel bei CYPHER-Stents zwei bis drei und bei TAXUS-Stents sechs
Monate lang zu verwenden.
Es gibt jedoch zunehmend Berichte über subakute Stent-Thrombosen (SAT), vor allem in den ersten vier Wochen nach Beendigung von Clopidogrel3-
6 oder bei vorübergehender Unterbrechung auch der ASS-Einnahme.3 Die wahre Inzidenz der SAT ist unklar, zumal sie typischerweise
außerhalb von Studien auftreten. Sie führen häufig zu schweren Infarkten oder verlaufen tödlich.2 Ob SAT zu vermeiden wären,
wenn Clopidogrel länger als derzeit empfohlen verwendet würde, oder ob sich Faktoren für ein erhöhtes Risiko (z.B. Anatomie der
Läsionen, Procedere, Koagulopathien, Ventrikelfunktion) mit längerem Therapiebedarf identifizieren lassen, ist dringend zu klären.7 Zudem
sind endlich Langzeitdaten zur Klärung der Frage zu fordern, ob beschichtete Stents vielleicht lediglich das Auftreten von Restenosen und Stent-Thrombosen
hinauszögern ("catch up").2,7 Bis dahin sollten die Indikationen für diese Stents kritisch gestellt und die Gefahr auch
vorübergehender Unterbrechungen der antithrombotischen Therapie (z.B. Operationen, mangelnde Compliance) bedacht werden.
| 1 | FATTORI, R., PIVA, T.: Lancet 2003; 361:
247-49 |
| 2 | WONG, A., CHAN, C.: Ann. Acad. Med.
Singapore 2004; 33: 423-31 |
| 3 | McFADDEN, E.P. et al.: Lancet 2004; 364: 1519-
21 |
| 4 | ZIMARINO, M. et al.: Thromb. Haemost.
2004; 92: 668-9 |
| 5 | KERNER, A. et al.: Catheter Cardiovasc.
Interv. 2003; 60: 505-8 |
| 6 | JEREMIAS, A. et al.: Circulation 2004; 109:
1930-2 |
| 7 | EISENBERG, M.J.: Lancet 2004; 364:
1466-7 |
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