Temozolomid (TEMODAL) bei neu diagnostiziertem Glioblastom? Das Glioblastom, der häufigste maligne Hirntumor des Erwachsenen, hat
nach wie vor eine schlechte Prognose. Trotz Operation und Bestrahlung stirbt die Hälfte der Patienten innerhalb eines Jahres nach Diagnose. Der Nutzen einer
zusätzlichen Chemotherapie vor allem mit Nitrosoharnstoffen ist beschränkt: Sie erhöht nach einer Metaanalyse bei hochgradigen Gliomen die
Überlebenswahrscheinlichkeit nach zwei Jahren von 15% auf 20% (a-t 2002; 33: 53). Eine aktuelle
Multizenterstudie lässt jetzt erstmals einen Nutzen des bislang nur bei fortgeschrittenem malignen Gliom zugelassenen Alkylans Temozolomid (TEMODAL, a-t 1999; Nr. 6: 59) bei neu diagnostiziertem Glioblastoma multiforme (Astrozytom Grad IV) erkennen. 573 Patienten
werden randomisiert entweder alleiniger fraktionierter fokaler Radiotherapie (sechs Wochen, Gesamtdosis 60 Gy) zugeteilt oder nehmen zusätzlich täglich
Temozolomid ein (75 mg/m2 Körperoberfläche*), gefolgt von einer späteren Therapiephase mit bis zu sechs Zyklen Temozolomid gemäß
zugelassenem Schema. In die unverblindete Studie werden Erwachsene zwischen 18 und 70 Jahren in überwiegend gutem Allgemeinzustand aufgenommen,
bei denen in 84% eine Tumor-(Teil-)Resektion erfolgt ist. 71% nehmen Kortikosteroide ein. Eine palliative Chemotherapie nach Tumorprogression erhalten 72% der
Patienten mit alleiniger Bestrahlung und 58% in der Temozolomidgruppe, bei 60% bzw. 25% wird dabei Temozolomid verwendet. Die mediane Überlebenszeit
(primärer Endpunkt) nimmt von 12,1 Monaten unter alleiniger Radiotherapie auf 14,6 Monate zu (Sterblichkeitsrisiko nach 28 Monaten 0,63; 95%
Konfidenzintervall: 0,52 bis 0,75). Die Zwei-Jahres-Überlebensrate, ein nicht prädefinierter Endpunkt, erhöht sich von 10,4% unter alleiniger
Bestrahlung auf 26,5% unter Einnahme des Alkylans. Für Patienten ohne Tumor-(Teil-)Resektion oder mit schlechterem körperlichen Allgemeinzustand ist
kein Nutzen belegt. Schwere hämatologische Störwirkungen treten unter Temozolomid bei 16% auf. Übelkeit (36% vs. 16%) und Erbrechen (20% vs.
6%) kommen gegenüber alleiniger Radiotherapie wesentlich häufiger vor. Trotz Pneumocystis-carinii-Prophylaxe nehmen schwere Infektionen insgesamt
um 4% zu. Zwei Patienten unter Temozolomid sterben an einer Gehirnblutung ohne Hinweise auf Gerinnungsstörung oder Thrombozytopenie. Ergebnisse zur
Lebensqualität, einem sekundären Endpunkt, werden nicht mitgeteilt. Ob ein von der Arbeitsgruppe getesteter Tumormarker** das Ansprechen auf die
Therapie vorhersagen kann, bedarf der Überprüfung (STUPP, R. et al.: N. Engl. J. Med. 2005; 352: 987-96, HEGI, M.E. et al.: ibid, 997-1003; ati d). In
den USA wurde Temozolomid inzwischen zur frühen Therapie des Glioblastoms zugelassen, in der EU ist die Zulassung hierfür beantragt (Scrip 2005; Nr.
3039: 23). Für unter 70-Jährige in gutem Allgemeinzustand nach Tumor-(Teil-)Resektion kommt nach umfassender Aufklärung über den
derzeitigen Kenntnis- und Zulassungsstand ein Therapieversuch mit Temozolomid in Betracht, -Red.
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Keine zugelassene Indikation, nicht zugelassenes Therapieschema. |
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Weist auf "Stilllegung" eines DNA-Reparaturenzyms hin. |
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