Krätze (Skabies) betrifft in einigen tropischen Regionen z.B. Zentral- und Mittelamerikas nahezu jeden. Die Parasitose der Haut kommt aber auch in
Industriestaaten in Gemeinschaftseinrichtungen häufig vor.1,2 Einer kanadischen Studie zufolge sind Bewohner jedes vierten befragten Pflegeheimes
von Skabies betroffen.3 Für Deutschland finden wir keine Daten zur Häufigkeit, vor einer Zunahme wird jedoch gewarnt.4
SYMPTOMATIK UND DIAGNOSE: Die knapp 0,5 mm große weibliche Krätzemilbe (Sarcoptes scabiei) gräbt bis zu mehrere Zentimeter
lange Gänge in die obere Hornschicht der Haut.2,5 Aus den dort abgelegten Eiern schlüpfen nach zwei bis drei Tagen Nymphen, die sich
innerhalb von elf Tagen zur Milbe entwickeln. Befallen werden vor allem Fingerzwischenräume, Handgelenke, Achseln sowie Hautareale um die Mamillen und
an den Genitalien. Typisch ist starker Juckreiz, besonders nachts. Neben dem charakteristischen Milbengang gehören knotige oder papulös-urtikarielle
Entzündungsreaktionen, Kratzeffekte und manchmal bakterielle Superinfektionen zum klinischen Bild. Die Symptomatik ist Folge einer Immunreaktion auf die
eingegrabene Milbe und tritt bei Erstinfektion nach zwei bis sechs Wochen, bei Reinfektion eventuell bereits in den ersten zwei Tagen auf.
Krätze wird primär durch direkten Hautkontakt, selten auch indirekt z.B. durch kontaminierte Wäsche übertragen.5 Kinder und alte
Menschen weisen oft ein anderes Befallsmuster mit Einschluss des Kopfes auf. Zudem dominieren hier atypische Skabiesmanifestationen. Der klassische
Milbengang ist bei ihnen nur selten sichtbar.2,6 Eine schwere Verlaufsform (krustöse/Norwegische Skabies) geht mit ausgeprägter Krustenbildung
und hoher Milbenlast einher, ist daher hochkontagiös und schwer zu behandeln. Sie betrifft vor allem Immungeschwächte, die in Therapiestudien meist
ausgeschlossen werden.
Die Diagnose wird klinisch gestellt und soll durch mikroskopischen Nachweis von Milben oder Milbeneiern z.B. aus Hautgeschabsel untermauert werden. Da es
falsch-negative Ergebnisse gibt, sollte bei ausgeprägten klinischen Zeichen eine Behandlung erfolgen, auch wenn der Nachweis misslingt.1
BEHANDLUNG: Zur Therapie der Krätze sind in Deutschland Externa mit Lindan (JACUTIN), Permethrin (INFECTOSCAB), Bioallethrin (SPREGAL), Crotamiton (ERAXIL u.a.) und Benzylbenzoat (ANTISCABIOSUM) zugelassen.
Schwefelzubereitungen können als Rezeptur verordnet werden. International einheitliche Therapiestandards fehlen. In Deutschland wird empfohlen, das
Krätzemittel bei Erwachsenen und - abgesehen von Lindan und Benzylbenzoat - auch bei Kindern abends vor dem Zubettgehen am ganzen Körper und
besonders sorgfältig an den Prädilektionsstellen und unter den Fingernagelrändern aufzutragen. Nach acht bis zwölf Stunden wird es mit
lauwarmem Wasser abgeduscht, lediglich Benzylbenzoat soll erst am vierten Tag abgewaschen werden. Vollbäder vor Anwendung eines Krätzemittels
werden manchmal ebenfalls empfohlen. Bei zu geringem zeitlichen Abstand besteht jedoch die Gefahr einer erhöhten Wirkstoffabsorption, ebenso wie durch
Hautpflege mit fetthaltigen Salben und Ölen. Schleimhäute dürfen nicht eingerieben werden. Bei Erwachsenen soll der Kopf nach Herstellerangaben
nur bei sichtbarem Befall (Lindan) bzw. bei über 65-Jährigen (Permethrin) behandelt werden. Bei Therapieversagen ist aber daran zu denken, dass
übersehene Infektionen des Kopfes auch bei Erwachsenen der Grund für wiederkehrenden Skabiesbefall sein können. In Großbritannien wird
für die dort zugelassenen Mittel (Permethrin, Benzylbenzoat, Malathion [in Deutschland außer Handel, GB: DERBAC-M]) generell die Mitbehandlung des
Kopfes empfohlen.7 Hygienische Maßnahmen wie Waschen der Wäsche bei 60°C und Mitbehandlung von Kontaktpersonen sind
zusätzlich erforderlich.2
Die Skabiestherapie ist überwiegend in kleinen, älteren Studien in Ländern der Dritten Welt geprüft worden, deren epidemiologische und
hygienische Gegebenheiten ebenso wie die Resistenzlage nicht ohne Weiteres auf hiesige Verhältnisse übertragbar sind. Resistenzen bei
Krätzemilben scheinen sich analog zur Situation bei Kopfläusen zu entwickeln, wenngleich langsamer.8
International und in Studien variieren bei allen Skabiesmitteln sowohl Zusammensetzung als auch Art der Anwendung, die jedoch beide Wirksamkeit und
Toxizität der Mittel mitbeeinflussen.2,5 Auch der Therapieerfolg ist in Studien nicht einheitlich definiert. Meist wird Abheilen vorhandener Läsionen
ohne Auftreten neuer Schädigungen vorausgesetzt, eventuell auch Besserung des Juckreizes. Da sich die Symptome häufig nur langsam
zurückbilden, sollte die abschließende Bewertung erst nach vier Wochen erfolgen, wird in Studien aber zwischen ein und fünf Wochen
getroffen.5
Lindan und Permethrin werden als Pestizide und Biozide auch in der Landwirtschaft und im Haushalt verwendet. Kumulation von Lindan, das unter anderem in der
Muttermilch nachweisbar ist, sowie Persistenz von Permethrin, das zum Beispiel bei der Eulanisierung (Mottenschutz) von Wollteppichen genutzt wird, führen zu
chronischer Belastung mit Niedrigdosen, für die unter anderem immunogene und hormonelle Wirkungen diskutiert werden.
Lindan (Hexachlorcyclohexan; JACUTIN): Der zyklische
Chlorkohlenwasserstoff Lindan wirkt vermutlich über Beeinflussung von ATPasen als Nervengift. Er wird in vielen Ländern nach wie vor bei Krätze
empfohlen, wird aber von der amerikanischen Umweltschutzbehörde (US-EPA) als wahrscheinliches Kanzerogen eingestuft und darf nach europäischen
Umweltschutz-Richtlinien nur noch bis zum 31. Dez. 2007 verwendet werden.9 Veröffentlichte Studien zur Wirksamkeit wurden mit 1%igem Lindan
durchgeführt, das überwiegend einmal aufgetragen wurde. In mehreren Studien in Ländern der Dritten Welt liegt der Therapieerfolg bei 65% bis
96%.6,10,11 In einer amerikanischen Multicenterstudie wirkt Lindan ähnlich wie Permethrin mit Heilung bei 86% von 205 versus 91% von 199
Patienten.12 In Deutschland wird seit Ende der 80er Jahre 0,3%iges Lindan verwendet, das bei Erwachsenen an drei aufeinanderfolgenden Abenden
aufgetragen wird. Veröffentlichte kontrollierte klinische Studien zu Wirksamkeit und Sicherheit dieser Zubereitung finden wir nicht und sind auch auf Nachfrage
weder vom Hersteller noch von der Zulassungsbehörde zu erhalten.
Neurologische Komplikationen wie Krampfanfälle, weitere schwerwiegende Störwirkungen wie aplastische Anämie und Todesfälle sind nach
Anwendung von Lindan beschrieben.13,14 Laut US-amerikanischer Arzneimittelbehörde beruhen die schweren Schadwirkungen überwiegend
auf Fehlanwendung, sind aber auch nach korrektem Gebrauch vorgekommen.13 Besonders gefährdet sind Patienten mit Anfallsleiden oder Einnahme
krampffördernder Mittel wie Antidepressiva sowie Kinder und Erwachsene, die weniger als 50 kg wiegen oder deren Haut stark geschädigt ist.13
Bereits nach älteren Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sollen Kinder unter zehn Jahren nicht mit 1%igem Lindan behandelt werden. Jetzt
ist es ganz aus der Liste der "Essential Drugs" gestrichen worden. In Deutschland dürfen über Dreijährige mit 0,3%igem Lindan eingerieben werden,
das nach drei Stunden wieder abzuwaschen ist. Ob die deutsche Zubereitung mit dem empfohlenen dreimaligen Auftragen insgesamt und bei Kindern sicherer ist,
bleibt offen. Bei bestimmungsgemäßem Gebrauch werden 10% bis 20% des Wirkstoffes aus der 0,3%igen Emulsion durch die Haut absorbiert.15
Absorbiertes Lindan kann sich im Fettgewebe, aber auch in den Hoden anreichern und zur Zerstörung von Leydig-Zellen führen.16
Permethrin: Das synthetische Langzeit-Pyrethroid Permethrin
(INFECTOSCAB) wird heute international in Literatur und Leitlinien vielfach als Mittel der ersten Wahl empfohlen. Selbst bei Neugeborenen und Säuglingen gilt
es bei deutschen Dermatologen als eines der am ehesten verwendbaren Mittel.17 In den USA ist der Gebrauch ab dem dritten Lebensmonat zugelassen.
Laut deutscher Fachinformation fehlen jedoch ausreichende Erfahrungen bei Kindern unter zwei Jahren. Im Gegensatz zur langjährigen Verwendung in den
USA und Großbritannien ist in Deutschland erst seit Ende 2004 eine 5%ige Zubereitung zur Behandlung der Krätze zugelassen (INFECTOSCAB). Deren
Hilfsstoffzusammensetzung weicht jedoch von der britischer und US-amerikanischer Mittel wie ELMITE ab, die in den publizierten Wirksamkeitsstudien mehrheitlich
verwendet wurden. Pyrethroide sind ebenfalls Nervengifte. Sie wirken vorrangig auf die Natriumkanäle von Nervenzellmembranen. Die toxischen Eigenschaften
werden möglicherweise auch durch Wirkung auf weitere Ionenkanäle und verschiedene Enzyme mitbestimmt. Einmaliges Auftragen, gegebenenfalls nach
14 Tagen wiederholt, reicht nach der deutschen Fachinformation aus. In Großbritannien wird nach langjährigem Gebrauch bei Krätze inzwischen zu
einer zweiten Anwendung nach sieben Tagen geraten.7 Nach ein- bis zweimaliger Applikation liegt der Therapieerfolg für 5%iges Permethrin in
kontrollierten Studien zwischen 89% und 100%.6,10,12,18-20
Etwa jeder zehnte Patient leidet nach dem Auftragen an Parästhesien in Form von Taubheit, Prickeln, Brennen und Stechen. Häufig tritt auch
Hautausschlag auf. Berichte über Dystonie21 und Krampfanfälle5 weisen auch auf zentrale Neurotoxizität hin. Nach einer
Auswertung von Störwirkungsberichten an die WHO gehört Permethrin neben Lindan vermutlich zu den toxischeren Skabies-Mitteln.5 Unter den
gemeldeten Todesfällen betreffen fünf Permethrin, vier Lindan, einer Crotamiton und keiner Benzylbenzoat.22 Das Fehlen von Verordnungszahlen
und von Angaben darüber, ob bestimmungsmäßiger Gebrauch zu Grunde liegt, schränkt die Aussagekraft dieser Zahlen ein. Ob irreversible
neurologische Schäden, wie sie unter Permethrin im Tierversuch insbesondere in der Neonatalphase beschrieben sind, auch bei Menschen auftreten
können, wird kontrovers diskutiert, ebenso die Frage einer möglichen Kumulation. Die indirekt bestimmte Absorption über die Haut soll 0,5% bis 2%
betragen.23 Auf Haut und Haaren scheint Permethrin durch Wirksubstanzrückstände zu einer unnötig langen Belastung des Anwenders zu
führen.24 Diese Langzeitwirkung gilt als resistenzfördernd.24 Resistenz bei Kopfläusen wurde bereits vier Jahre nach
Einführung von Permethrin beschrieben.25 Von der US-amerikanischen EPA wird es als mögliches Kanzerogen eingestuft.
Bioallethrin: Mit dem Piperonylbutoxid-haltigen Bioallethrin-Spray
(SPREGAL) ist in Deutschland ein weiteres Pyrethroid zur Skabiesbehandlung zugelassen. Randomisierte kontrollierte Studien, die die Wirksamkeit in dieser
Indikation belegen, finden wir nicht. Die Vernebelung erhöht die Aufnahme des Insektizides mit der Atemluft und gefährdet insbesondere Asthmatiker. In
Frankreich starb 1997 ein Kind mit Asthma nach Anwendung eines Pyrethroid-haltigen Sprays.2 Der Wirkverstärker Piperonylbutoxid steht im Verdacht,
kanzerogen und mutagen zu sein.26 Wir raten von der Anwendung ab (a-t 1995; Nr. 12: 116-8).
Crotamiton: Der Toluidinabkömmling Crotamiton (ERAXIL 10%,
CROTAMITEX Gel 5%), der in den 50er Jahren die zuvor gebräuchlichen Schwefelzubereitungen ablöste, wird insbesondere im deutschsprachigen Raum
als Mittel der ersten Wahl für Säuglinge empfohlen.17,27 Wirksamkeit und Sicherheit bei Kindern sind laut amerikanischer Produktinformation
jedoch nicht nachgewiesen. Crotamiton wird an drei bis fünf aufeinanderfolgenden Tagen aufgetragen. Der Wirkmechanismus ist unbekannt. Juckreiz soll
verringert werden.28 In einer älteren Studie, in der Crotamiton (10%) allerdings nur einmal über Nacht aufgetragen wird, sind 28 (60%) von 47
unter fünfjährigen Kindern nach vier Wochen von der Krätze befreit im Gegensatz zu 42 (89%) von 47 unter Permethrin.19 Bei jeweils 50
Patienten mit mikroskopisch bestätigter Skabies und zweimaligem Auftragen über Nacht ist 10%iges Crotamiton in einer ägyptischen Studie nach vier
Wochen in 88% erfolgreich, Permethrin in 98% und Lindan in 84%.10 In einer unkontrollierten Studie in deutschen Hautarztpraxen, in der zwei 10%ige
Crotamitonpräparate geprüft werden, sind nach fünfmaliger Applikation 62 (97%) von 64 Patienten mit mikroskopisch nachgewiesener Skabies nach
12 bis 15 Tagen milbenfrei.29
Rötung, Wärmegefühl und makulopapulöses Exanthem kommen vor. Ein Krampfanfall nach Fehlanwendung ist beschrieben.30 Die
Toxizität wird als gering eingestuft.31 Durch perkutane Absorption werden individuell stark variierende Plasmaspiegel erreicht, die vereinzelt noch nach
Tagen feststellbar sind. Nach extensiver Anwendung des Toluidinabkömmlings Crotamiton bei einem Säugling wurde Methämoglobinämie
beobachtet.32 Die akute Toxizität von Toluidin selbst äußert sich vor allem durch Methämoglobinämie. Toluidin ist bei
längerer Exposition vermutlich kanzerogen.
Benzylbenzoat: Das nicht zu den Pestiziden gehörende
Benzylbenzoat (ANITSCABIOSUM) ist in Deutschland als 10%ige Zubereitung für Kinder über zwölf Jahre und 25%ig für Erwachsene
erhältlich. Der Wirkmechanismus des Benzoesäurederivats ist nicht bekannt. Es soll an drei aufeinanderfolgenden Abenden aufgetragen und am vierten
Tag abgeduscht werden. In drei kleinen Studien, die Benzylbenzoat (10% bzw. 25%) mit Ivermectin (Frankreich: STROMECTOL)33-35 vergleichen, wird in
der Mehrzahl der Studien mit völlig divergierenden Therapieschemata etwa die Hälfte der Patienten geheilt, in einem weiteren Vergleich mit Schwefel
nach 14 Tagen 91%.36 Wegen abgeschwächter Wirkung bei verdünnter Anwendung rät das British National Formulary vom Gebrauch bei
Kindern ab.7 Daten zur dermalen Absorption des lokal reizenden Mittels fehlen. Neben Hautreizungen sind Überempfindlichkeitsreaktionen und nach
Daten der WHO auch Krampfanfälle bekannt.5,23
Schwefel: Als wenig toxisches und daher auch für Kinder geeignetes
Therapeutikum wird international auch präzipitierter Schwefel in Vaseline empfohlen (2% bis 10%, als Rezeptur).37 Der Nachweis der Unbedenklichkeit
steht für dieses Uraltmittel jedoch aus.2,17 Die Zubereitung wird drei- bis viermal in Folge und gegebenenfalls wiederholt aufgetragen. Bei 158 Kindern
und Erwachsenen in Indien bilden sich nach dreimaligem und gegebenenfalls wiederholtem Auftragen einer nicht näher beschriebenen Schwefelzubereitung
die Skabiesläsionen nach 14 Tagen bei 97% zurück im Vergleich zu 91% unter Benzylbenzoat.36 In einer sehr kleinen mexikanischen Studie
führen zwei mehrfach aufgetragene 10%ige Schwefel-Zubereitungen bei Kindern je nach Salbengrundlage in 88% und 100% zur Heilung. Neben anhaltendem
Juckreiz sind Hauttrockenheit, Brennen und Erythem beschrieben.38 Gesichtsödem und Infekte der oberen Atemwege können
auftreten.39 Schwefel färbt die Wäsche und riecht unangenehm, da Schwefelwasserstoff (H2S) gebildet wird. In höheren
Konzentrationen wirkt H2S reizend auf Bindehäute und Atemwege und kann zu Vergiftungen führen.
Ivermectin (Frankreich: STROMECTOL): Früher war Ivermectin das
profitabelste Veterinärmedikament der Welt. Wie die Makrolidantibiotika handelt es sich um ein makrozyklisches Lakton. Es wird seit langem unter anderem bei
der Flussblindheit des Menschen verwendet und ist als einziges Mittel zur systemischen Skabiestherapie in Frankreich zugelassen. Es bindet an Glutamat-gesteuerte
Ionenkanäle von Nerven- und Muskelzellen und führt beim Parasiten zu Hyperpolarisation und Lähmung. Nach ein- bis zweimaliger Einnahme von
100 µg bis 200 µg pro kg Körpergewicht ist es in einer nur siebentägigen plazebokontrollierten Studie40 und fünf
Vergleichsstudien mit Benzylbenzoat,33-35 Permethrin18 und Lindan11 bei 70% bis 95% wirksam. Nach Serien von Einzelberichten zu
Patienten, die an krustöser ("Norwegischer") Krätze erkrankt sind, scheint mehrmalige Einnahme von Ivermectin zusätzlich zum Gebrauch topischer
Mittel und keratolytischer Therapie bei dieser Skabiesform nützlich zu sein.41,42 Bei Ausbrüchen in Senioren- und Pflegeheimen empfiehlt es das
Robert Koch-Institut zur ergänzenden Behandlung von Problempatienten z.B. mit Norwegischer Skabies. Ivermectin kann importiert
werden.43
Vorübergehend gesteigerter Juckreiz,18,35 Hautreaktionen,34 Blutdruckabfall,11 Bauchschmerzen und Erbrechen11 sowie
Kopfschmerzen44 sind beschrieben. Kinder mit weniger als 15 kg Körpergewicht und Schwangere sollen Ivermectin nicht verwenden. Junge Tiere mit
unreifer Bluthirnschranke reagieren empfindlicher auf Ivermectin, das auch über die Muttermilch aufgenommen wird. Erhöhte Neurotoxizität und
Todesfälle bei Hunden basieren offenbar auf einer Mutation, die das P-Glykoprotein der Bluthirnschranke betrifft. Gehäufte Todesfälle bei Patienten
in Kamerun nach Ivermectin-Einnahme beruhen möglicherweise ebenfalls zum Teil auf einer dadurch bedingten Idiosynkrasie.45 Auch bei
Pflegeheimbewohnern mit Verhaltensstörungen, die nach erfolgloser Skabiesbehandlung mit verschiedenen Externa einmalig Ivermectin einnehmen, werden
Lethargie und Appetitlosigkeit sowie Übersterblichkeit beobachtet.46 Andere Untersuchungen in Pflegeheimen bestätigen dies nicht.47-
49 Ob dabei Interaktionen mit Psychopharmaka aufgetreten sein könnten, ist unklar.46 Das Phenothiazin Trifluoperazin (nicht mehr im Handel),
Verapamil (ISOPTIN u.a.) und Ciclosporin A (SANDIMMUN u.a.) steigern in Tierversuchen die Serumspiegel von Ivermectin bzw. dessen
Neurotoxizität.50,51
Sonstige: Für Malathion, das hierzulande nicht mehr als
Skabiesmittel im Handel ist, und pflanzliche Produkte wie Neem- oder Teebaumöl, die in Deutschland nicht für diese Indikation
zugelassen sind, finden wir keine ausreichenden Nutzenbelege.
SCHWANGERSCHAFT: Alle verfügbaren Krätzemittel sind in der Schwangerschaft problematisch: Sie sollen laut Fachinformationen nicht
(Lindan), nur in begründeten Ausnahmefällen oder nur bei zwingender Indikation (Permethrin, Crotamiton, Benzylbenzoat) bzw. erst nach dem ersten Drittel
der Schwangerschaft (Bioallethrin) angewendet werden. Systematische Studien fehlen. Daten zur Teratogenität dieser Mittel beim Menschen sind spärlich.
Bei 21 Frauen mit Pyrethroidexposition in der Schwangerschaft werden nach Angaben des britischen Missbildungsregisters (NTIS) ein Spontanabort und drei Kinder
mit Anomalien festgestellt. Die Unbedenklichkeit des oft als Alternative genannten Schwefels ist nicht gesichert. Deutsche Experten empfehlen auf der Grundlage
einer unbefriedigenden Datenbasis Crotamiton, Benzylbenzoat und Permethrin.52,53
Die Wirksamkeit aller Skabiesmittel ist schlecht geprüft. Alte methodisch
mangelhafte Kleinstudien, die in Ländern der Dritten Welt durchgeführt wurden, überwiegen. Eine Standardisierung der verwendeten Produkte und
der Art der Anwendung fehlt. Ein gut wirksames Mittel, das gleichzeitig toxikologisch unbedenklich ist, gibt es nicht.
Permethrin (INFECTOSCAB) 5% und Lindan (JACUTIN) sind besser geprüfte Mittel mit guter Wirksamkeit bei Krätze. Beide gehören jedoch zu den
toxischeren Substanzen. Neurologische Störwirkungen und Resistenzentwicklung sind Anlass zur Sorge. Nach Abwägen der Daten zu Wirksamkeit und
Toxizität und wegen fehlender gut untersuchter Alternativen stufen wir dennoch Permethrin als Mittel der Wahl ein.
Das von uns bisher bevorzugte Lindan erachten wir inzwischen allenfalls noch als
Mittel der Reserve. Es darf nach europäischen Umweltrichtlinien nur noch bis zum 31. Dezember 2007 verwendet werden.
Crotamiton (ERAXIL u.a.) und Benzylbenzoat (ANTISCABIOSUM) sind schlechter
geprüft mit widersprüchlichen Daten. Die Beleglage für Schwefelrezepturen ist ebenfalls unzureichend. Diese Krätzemittel werden in der
Literatur vielfach als weniger toxisch eingeschätzt. Eine definitive Bewertung lässt die Datenlage jedoch nicht zu. Bei Schwangeren können
Crotamiton und Benzylbenzoat, bei Kindern alternativ zu Permethrin Crotamiton und
Schwefel in Betracht gezogen werden.
Ivermectin per os (Frankreich: STROMECTOL) ist in Deutschland nicht zugelassen.
Es ist bei krustöser Skabies zusätzlich zu topischen Mitteln möglicherweise von Nutzen. Auch Ivermectin ist offenbar neurotoxisch und die Einnahme
war mit einem Anstieg von Todesfällen in einem Pflegeheim assoziiert. Bei Versagen oder Nichtanwendbarkeit anderer Mittel ist es Mittel der letzten
Reserve.
|