Die Tumornekrosefaktor (TNF)-α-Hemmstoffe Etanercept (ENBREL; a-t 2000; 31: 26-
7), Infliximab (REMICADE; a-t 2001; 32: 2-3) und Adalimumab (HUMIRA; a-t 2003; 34: 91-2) können
lebensbedrohliche Infektionen hervorrufen. Auch der Verdacht, dass sie Lymphome und andere Krebserkrankungen auslösen können, ist bislang nicht
ausgeräumt. Die Störwirkungen sind biologisch plausibel, da TNF α an der Abwehr von Infektionen und bösartigen Erkrankungen beteiligt ist.
Eine Auswertung der in randomisierten klinischen Studien und offenen Verlängerungsphasen bei Patienten mit rheumatoider Arthritis unter Etanercept, Infliximab
und Adalimumab dokumentierten Lymphome ergibt, jeweils bezogen auf eine hinsichtlich Alter und Geschlecht vergleichbare
"Normalbevölkerung", für Etanercept ein relatives Risiko von 2,31 (95% Konfidenzintervall [CI] 0,85-5,03), für Adalimumab von 5,52 (95% CI 2,6-10,0)
und für Infliximab von 6,35 (95% CI 1,7-16,3).1 Dabei ist zu berücksichtigen, dass Patienten mit rheumatoider Arthritis ein gegenüber der
Normalbevölkerung etwa zwei- bis dreimal so hohes Lymphomrisiko haben sollen.1,2 Zudem gibt es Hinweise, dass das Risiko mit zunehmender Dauer
und/oder Schwere der Erkrankung steigen könnte.1,3 Daher bleibt offen, ob die in einigen Kohortenstudien gegenüber konventionell
behandelten Rheumapatienten beobachtete tendenziell4 oder numerisch2 höhere Rate an Lymphomen unter TNF-α-Blockern auf die
Therapie selbst zurückzuführen ist oder auf eine möglicherweise höhere Krankheitsaktivität bei den Anwendern von Biologika. Maligne
Erkrankungen insgesamt kommen bei Patienten mit rheumatoider Arthritis in der Mehrzahl der Studien nicht häufiger vor als in der
Normalbevölkerung.3
Randomisierte kontrollierte Studien sind in der Regel zu klein und zu kurz, um eine aussagekräftige Datenbasis für seltene Ereignisse zu schaffen. Jetzt
erscheint eine Metaanalyse5 der zu den Antikörpern Adalimumab und Infliximab bei rheumatoider Arthritis vorliegenden mindestens
zwölfwöchigen plazebokontrollierten Studien, in der alle Krebserkrankungen und schwerwiegenden Infektionen (Antibiotika oder Krankenhauseinweisung
erforderlich) ausgewertet werden. Den Ausschluss von Etanercept begründen die Autoren mit Wirkunterschieden des löslichen Rezeptors.
Eingeschlossen sind 5.014 Patienten überwiegend mit fortgeschrittener therapieresistenter rheumatoider Arthritis aus neun Studien, von denen acht
vollständig veröffentlicht und von relativ guter methodischer Qualität sind und eine nur als Poster vorliegt. Adalimumab wird in einer Dosis von 20 mg
alle zwei Wochen bis 80 mg pro Woche angewendet (zugelassene Dosis 40 mg/[1-] 2 Wochen), Infliximab zwischen 1 mg und 10 mg/kg Körpergewicht (KG)
alle vier oder acht Wochen (hierzulande zugelassene Dosis bei rheumatoider Arthritis 3 mg/kg KG alle acht Wochen). Die maximale Studiendauer beträgt ein
Jahr.5
Unter Berücksichtigung zusätzlicher Daten der US-amerikanischen Arzneimittelbehörde FDA erkranken 29 (0,8%) von 3.493 mit den
Antikörpern behandelten Patienten an Krebs im Vergleich zu 3 (0,2%) von 1.512 Patienten der Kontrollgruppen (Odds Ratio [OR] 3,3; 95% CI
1,2-9,1). Dies entspricht einem zusätzlichen Malignom pro 154 Patienten, die sechs bis zwölf Monate behandelt werden (Number needed to harm [NNH] =
154). Eine prädefinierte Subgruppenanalyse ergibt eine deutliche Dosisabhängigkeit. Bei den diagnostizierten Tumoren handelt es sich um nicht-
melanotischen Hautkrebs (10 vs. 2), Lymphome (4 vs. 0) sowie Karzinome verschiedener Organe (Brust, Lungen u.a.). Sechs weitere Lymphome, alle unter
Adalimumab, gehen nicht in die Auswertung ein, da sie zwar während der Nachbeobachtung, aber außerhalb des eigentlichen Studienzeitraums entdeckt
werden.5
126 (3,6%) Patienten unter TNF-α-Blockern und 26 (1,7%) unter Plazebo erkranken an einer schwerwiegenden Infektion (OR 2,0; 95% CI
1,3-3,1; NNH = 59). Das Risiko ist unter höheren Dosierungen ebenfalls tendenziell größer als unter niedrigeren.5
Unmittelbar nach Veröffentlichung der Metaanalyse deklarieren zwei der Autoren umfangreiche, zuvor nicht erwähnte Interessenkonflikte, deren
potenzieller Einfluss auf die Ergebnisse zu klären bleibt. Die Herausgeber von JAMA haben eine Untersuchung angekündigt.6
Kritik gibt es an der Definition der Dosisgruppen in der Metaanalyse: Während bei Adalimumab die zugelassene Dosis der Hochdosisgruppe zuzurechnen ist,
entspricht die für Infliximab empfohlene Dosis der Niedrigdosisgruppe. Im Gegensatz zu Adalizumab treten die meisten Malignome in Verbindung mit Infliximab
unter sehr hohen, hierzulande nicht zugelassenen Dosierungen auf. Allerdings sind in den USA - anders als in Europa - bei rheumatoider Arthritis bis zu 10 mg/kg KG
Infliximab erlaubt. Eine "Entwarnung" für hierzulande übliche Dosierungen lässt sich aus dem Ergebnis ohnehin nicht ableiten: Die deutsche
REMICADE-Fachinformation weist neuerdings darauf hin, dass in einer Studie bei Rauchern und ehemaligen Rauchern mit chronisch obstruktiver Lungenerkrankung
unter Infliximab "in vergleichbaren Dosen wie bei rheumatoider Arthritis oder Morbus CROHN" 9 (5,7%) von 157 Patienten an Krebs erkrankt sind im Vergleich zu 1
(1,3%) der 77 Kontrollpatienten.7
- Nach einer Metaanalyse plazebokontrollierter Studien bei rheumatoider Arthritis erhöhen die Tumornekrosefaktor-α-Hemmer Adalimumab (HUMIRA) und Infliximab (REMICADE) dosisabhängig das Risiko von
schweren Infektionen und Krebserkrankungen.
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