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Therapiekritik

ALBTRAUM: ROSIGLITAZON (AVANDIA)
ZUR DIABETESPROPHYLAXE

Seit 2000 ist das Thiazolidindion Rosiglitazon (AVANDIA) zur Therapie von Patienten mit Typ-2-Diabetes im Handel (a-t 2000; 31: 66-7). Ein klinischer Nutzen oder auch nur die Sicherheit der Langzeitanwendung des Glitazons bei diesen Patienten ist nach wie vor nicht belegt. Langzeitstudien mit klinischen Endpunkten fehlen. Aus Tierversuchen, Kurzzeitstudien und der Spontanberichterfassung ergeben sich aber gravierende Sicherheitsbedenken: Das Mittel kann Herzinsuffizienz und Leberversagen auslösen und steigert das Körpergewicht.

Wie mit der jetzt publizierten DREAM*-Studie1,2 deutlich wird, hat der Rosiglitazon-Anbieter GlaxoSmithKline bereits eine weitere Zielgruppe im Auge:3 gesunde Menschen mit gestörter Glukosetoleranz oder gestörter Nüchternglukose.** Die von Glaxo mitfinanzierte Studie soll prüfen, ob täglich 8 mg Rosiglitazon im Vergleich mit Plazebo die Häufigkeit einer Diabetesdiagnose - Nüchternblutzucker über 125 mg/dl oder den Zwei-Stunden-Wert im oralen Glukosetoleranztest (OGTT) über 199 mg/dl - bei diesen Menschen senkt. 5.269 Erwachsene im Alter von mindestens 30 Jahren nehmen teil. Im 2 x 2 faktoriellen Design (vgl. a-t 2003; 34: 100) wird gleichzeitig die prophylaktische Wirksamkeit des ACE-Hemmers Ramipril (DELIX u.a.) geprüft.

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DREAM = Diabetes REduction Assessment with ramipril and rosiglitazone Medication; PROactive = PROspective pioglitAzone Clinical Trial In macroVascular Events

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Gestörte Glukosetoleranz: in der Studie definiert als Nüchternblutzucker unter 126 mg/dl und Zwei-Stunden-Wert im oralen Glukosetoleranztest [OGTT] zwischen 140 und 200 mg/dl; gestörte Nüchternglukose: Nüchternblutzucker von mindestens 110 mg/dl, aber unter 126 mg/dl.

Diabetesdiagnosen werden im Verlauf von drei Jahren unter Rosiglitazon mit 10,6% vs. 25% deutlich seltener gestellt als unter Plazebo (Hazard Ratio [HR] 0,38; 95% Vertrauensbereich [CI] 0,33-0,44). Der mediane Nüchternblutzucker sinkt um 9 mg/dl, der Zwei-Stunden-OGTT-Wert um 29 mg/dl. Klinisch wirkt sich der Einfluss auf diese Surrogatparameter jedoch nicht aus - im Gegenteil, Rosiglitazon schädigt Anwender: Trotz regelmäßiger Diätberatung haben sie bei Studienende 2,2 kg mehr zugenommen als die Plazebogruppe. 6,8% berichten bei der Abschlussuntersuchung über periphere Ödeme im Vergleich mit 4,9% unter Scheinmedikament. Unter Rosiglitazon entwickeln signifikant mehr Studienteilnehmer eine Herzinsuffizienz (0,5% vs. 0,1%; HR 7,03; 95% CI 1,60- 30,9). Bei einem kardiovaskulären Kombinationsendpunkt, der Herzinfarkt, Schlaganfall, kardiovaskulär bedingten Tod, Herzinsuffizienz, neue Angina pectoris oder Revaskularisierung umfasst, ergibt sich ein Trend zu Ungunsten von Rosiglitazon (2,9% vs. 2,1%; HR 1,37; 95% CI 0,97-1,94; p = 0,08). Wie sich dieser Trend entwickelt hätte, wäre die Studie nicht in Kenntnis der Daten fünf Monate vor dem ursprünglich geplanten Ende gestoppt worden, bleibt zu spekulieren. Für das verwandte Pioglitazon ist in der PROactive*-Studie mit Diabetespatienten ebenfalls ein signifikanter Anstieg des Herzinsuffizienzrisikos belegt (a-t 2005; 36: 95-6).4 Transaminasenwerte werden nur für das erste Studienjahr und nur als wenig aussagekräftige mittlere Konzentrationen berichtet (GPT unter Rosiglitazon 4,2 U/l niedriger als unter Plazebo). Ob es Leberschädigungen gab, wird nicht mitgeteilt.

Der ACE-Hemmer Ramipril hat weder auf die Häufigkeit einer Diabetesdiagnose noch auf die kardiovaskulären Endpunkte einen Einfluss.2 Die Sterblichkeit unterscheidet sich unter keinem der beiden Mittel von der unter Plazebo.1,2

  • Für das zur Behandlung des Typ-2-Diabetes zugelassene Glitazon Rosiglitazon (AVANDIA) fehlen Langzeitinterventionsstudien zu Nutzen und Sicherheit bei diesen Patienten.
  • Die jetzt publizierte dreijährige DREAM-Studie bestätigt Sicherheitsbedenken: Obwohl es sich bei den Teilnehmern um gesunde Menschen mit gestörter Glukosetoleranz handelt, steigert Rosiglitazon das Risiko einer Herzinsuffizienz und in der Tendenz auch von anderen kardiovaskulären Komplikationen.
  • Bei Diabetespatienten hat Herzinsuffizienz eine besonders schlechte Prognose. Von der Behandlung von Diabetikern mit Rosiglitazon raten wir dringend ab.
  • Die nicht zugelassene Anwendung zur Diabetesprophylaxe erachten wir als indiskutabel.

© 2006 arznei-telegramm

Autor: Redaktion arznei-telegramm - Wer wir sind und wie wir arbeiten

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