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Therapiekritik

VORHOFFLIMMERN BEI HERZINSUFFIZIENZ: RHYTHMUS- ODER FREQUENZKONTROLLE?

Herzinsuffizienz ist in einem hohen Prozentsatz mit Vorhofflimmern assoziiert. Die Sterblichkeit herzinsuffizienter Patienten mit dieser Rhythmusstörung ist deutlich erhöht. Der Nutzen einer gezielten antiarrhythmischen Therapie bei Vorhofflimmern ist jedoch unklar: Mehrere große Studien1-6 ergaben keinen Überlebensvorteil für Patienten, bei denen die Strategie verfolgt wurde, den Sinusrhythmus medikamentös wiederherzustellen und aufrecht zu erhalten (Rhythmuskontrolle) anstatt das Vorhofflimmern zu tolerieren und lediglich die Ventrikelfrequenz zu bremsen (Frequenzkontrolle; a-t 2006; 37: 50-1). Zum Teil wird sogar ein Trend zu höherer Mortalität oder Hospitalisationsrate gesehen.1 Patienten mit - vor allem schwerer - Herzinsuffizienz waren in diesen Studien allerdings unterpräsentiert.

Eine aktuelle randomisierte Studie7 vergleicht die kardiovaskuläre Sterblichkeit unter beiden Strategien bei 1.376 Patienten mit linksventrikulärer Auswurffraktion unter 35%, die in den vorangegangenen sechs Monaten Episoden einer symptomatischen Herzinsuffizienz und eines längeren oder behandlungsbedürftigen Vorhofflimmerns aufwiesen. Zur Rhythmuskontrolle ist eine aggressive Strategie vorgesehen, die durch medikamentöse und elektrische Kardioversion den Sinusrhythmus wieder herstellen soll. Zur Aufrechterhaltung des Sinusrhythmus soll vorrangig Amiodaron (CORDAREX, Generika), alternativ Sotalol (SOTALEX, Generika) oder Dofetilid (hierzulande nicht im Handel) eingenommen werden. Zur Frequenzkontrolle dienen Betablocker und Herzglykoside. Die Herzfrequenz soll unter 80 Schlägen pro Minute in Ruhe und bei Belastung unter 110 pro Minute liegen.

Die Charakteristika der Patienten beider Behandlungsgruppen sind ähnlich. Die Auswurffraktion liegt im Mittel bei 27%. Zwei Drittel der Patienten leiden an dauerhaftem Vorhofflimmern. Jeder zweite Patient hat eine koronare Herzkrankheit, jeder dritte aktuell eine Herzinsuffizienz NYHA III-IV.

Über die Beobachtungsdauer von durchschnittlich 37 Monaten haben 70% bis 80% der Patienten mit Rhythmuskontrolle einen Sinusrhythmus, unter alleiniger Frequenzkontrolle 30% bis 40%. Wegen Unwirksamkeit oder Störwirkungen nimmt im Verlauf der Studie die Häufigkeit der Einnahme von Amiodaron ab (nach 12 Monaten: 82%, nach 36 Monaten: 73%). Patienten mit Rhythmuskontrolle nehmen seltener Herzglykoside (51% versus 75%) und Betablocker (80% vs. 88%) ein als die in der Kontrollgruppe. Die übrige medikamentöse Therapie (Diuretika, ACE-Hemmer, orale Antikoagulation etc.) ist in beiden Gruppen etwa gleich.7

Kardiovaskuläre Todesfälle treten bei 27% der Patienten mit Rhythmuskontrolle und bei 25% unter Frequenzkontrolle auf (p = 0,59). Die Gesamtsterblichkeit unterscheidet sich mit 32% gegenüber 33% ebenfalls nicht signifikant (p = 0,68). Auch bei weiteren sekundären Endpunkten wie Schlaganfällen oder Verschlechterungen einer Herzinsuffizienz ergeben sich keine signifikanten Unterschiede. Patienten mit Rhythmuskontrolle müssen aber vor allem im ersten Jahr häufiger stationär behandelt werden (46% vs. 39%; p = 0,001) und benötigen öfter elektrische Kardioversion (59% vs. 9%; p < 0,001).7 Somit ist nach derzeitigem Kenntnisstand auch bei Patienten mit Herzinsuffizienz und Vorhofflimmern die Frequenzkontrolle die günstigere Therapieoption.

In einer aktuellen randomisierten Studie mit Patienten mit Herzinsuffizienz und Vorhofflimmern führt die Rhythmuskontrolle nicht zu einer Senkung der kardiovaskulären Mortalität gegenüber alleiniger Frequenzkontrolle. Unter Einnahme von Antiarrhythmika steigt jedoch die Zahl der Krankenhausaufnahmen und die Notwendigkeit für elektrische Kardioversion.

Nach diesen Ergebnissen ist die Rhythmuskontrolle bei Vorhofflimmern auch für Patienten mit Herzinsuffizienz keine primär zu bevorzugende Therapiestrategie. Ob neuere Antiarrhythmika oder nicht medikamentöse Verfahren (Katheter-Ablationen) Vorteile bieten, muss in - zum Teil bereits laufenden - Studien geklärt werden.

  (R = randomisierte Studie)
R1WYSE, D.G. et al.: N. Engl. J. Med. 2002; 347: 1825-33
R2BRIGNOLE, M. et al.: Eur. Heart J. 2002; 23: 892-900
R3CARLSSON, J. et al.: J. Am. Coll. Cardiol. 2003; 41: 1690-6
R4HOHNLOSER, S.H. et al.: Lancet 2000; 356: 1789-94
R5OPOLSKI, G. et al.: Chest 2004; 126: 476-86
R6Van GELDER, I.C. et al.: N. Engl. J. Med. 2002; 347: 1834-40
R7ROY, D. et al.: N. Engl. J. Med. 2008; 358: 2667-77

© 2008 arznei-telegramm, publiziert am 4. Juli 2008

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