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NEUE CLOPIDOGRELPRÄPARATE IM HANDEL

Die Markteinführung von zwei neuen Clopidogrelpräparaten der Firmen ratiopharm und Hexal hat für viel Wirbel gesorgt. Die Firma Sanofi-Aventis, der Zulassungsinhaber des Originalpräparates PLAVIX, reagierte prompt mit einem Rundschreiben (1) an 100.000 Ärzte und Apotheker, in dem die Rechtmäßigkeit der Zulassung dieser Nachfolgepräparate in Zweifel gezogen wird. Dies hat zu großer Verunsicherung geführt. Aufgrund zahlreicher Anfragen, die uns zu dem Thema in der Redaktion erreicht haben, stellen wir die wichtigsten Fakten zusammen und geben unsere Einschätzung:

Derzeit sind zwei Clopidogrelpräparate der Firma Hexal (CLOPIDOGREL HEXAL) sowie der Firma ratiopharm (CLOPIDOGREL-RATIOPHARM) im Handel. Sie unterscheiden sich von den Originalpräparaten lediglich durch das verwendete Salz (PLAVIX/ISCOVER: Clopidogrelhydrogensulfat; CLOPIDOGREL HEXAL/RATIOPHARM: Clopidogrelbesilat). Pharmakologisch ist kein Wirkunterschied zwischen den beiden Clopidogrelverbindungen zu erwarten, da die Salze jeweils nach Aufnahme dissoziieren und die Wirksubstanz nicht mehr mit dem abgespaltenen Salzanteil interagiert. Ein Einfluss des Salzanteils auf die Pharmakodynamik ist daher unwahrscheinlich. Die Bioverfügbarkeit von täglich 75 mg Clopidogrel als Besilat entspricht der des Originals: Der Verlauf der Plasmakonzentrationen von Clopidogrel nach Einnahme der Mittel per os ist nahezu identisch (2).

CLOPIDOGREL-RATIOPHARM und CLOPIDOGREL HEXAL sind zugelassen zur

Prävention atherothrombotischer Ereignisse bei Patienten mit
Herzinfarkt (wenige Tage bis 35 Tage zurückliegend),
ischämischem Schlaganfall (sieben Tage bis sechs Monate zurückliegend) oder
nachgewiesener peripherer arterieller Verschlusskrankheit (3,4).

Die Originalpräparate ISCOVER und PLAVIX haben neben diesen identisch formulierten Indikationen noch eine Zulassung für das akute Koronarsyndrom (5,6). Bei Patienten mit chronischer koronarer Herzkrankheit, bei denen elektiv ein koronarer Stent gelegt wird, besteht für die Kombinationsbehandlung mit Azetylsalizylsäure (ASS; ASPIRIN, Generika) weder für die Originalpräparate PLAVIX/ISCOVER noch für die von ratiopharm oder Hexal vertriebenen Clopidogrelprodukte eine Zulassung (3-6).

Die beiden neuen Clopidogrel-Präparate sind nicht als Generika, sondern als neue Arzneimittel zugelassen worden (7). Dennoch wird in den Fachinformationen (3,4) auf Daten des Originalpräparates (CAPRIE-Studie) verwiesen, sodass auch behördlicherseits offensichtlich von einer Wirkstoffgleichheit ausgegangen wird

Die Preisvorteile der beiden neuen Clopidogrelzubereitungen gegenüber den Originalpräparaten betragen bezogen auf Packungen zu 100 Tabletten bei CLOPIDOGREL HEXAL etwa 25%, bei CLOPIDOGREL-RATIOPHARM 16%. Die Neuerungen sind jedoch immer noch um das 56fache bzw. 63fache teurer als ein ASS-Generikum:

CLOPIDOGREL HEXAL 75 mg, 100 Tabletten: 199,99 Euro
CLOPIDOGREL-RATIOPHARM 75 mg, 100 Tabletten: 225,17 Euro
PLAVIX/ISCOVER 75 mg, 100 Tabletten: 268,12 Euro
ASS 100 Hexal, 100 Tabletten: 3,58 Euro

Sanofi-Aventis führt in seinem Rundschreiben an die Fachkreise aus (1), dass die Rechtmäßigkeit der neuen Zulassung noch nicht endgültig geklärt sei. Tatsächlich ist die Zulassung für die beiden neuen Mittel bereits im Mai ergangen, wurde jedoch aufgrund eines Widerspruchs des Originalherstellers zwischenzeitlich ausgesetzt. Mit Entscheidung vom 29. Juli 2008 hat das Verwaltungsgericht Köln den sofortigen Vollzug der Zulassung angeordnet. Ungeachtet des noch schwebenden Verfahrens ist daher die Verordnungssicherheit gegeben. Die neuen Clopidogrelpräparate sind amtlich zugelassen, im Handel und dürfen somit auch verordnet werden.

In den zugelassenen Indikationen erscheint uns die Umstellung von einem Clopidogrel-Originalpräparat auf eines der beiden neuen Präparate sowohl unter medizinischen als auch unter rechtlichen Aspekten unproblematisch. Zu beachten ist jedoch, dass auch für die neuen Präparate die vom Gemeinsamen Bundesausschuss ursprünglich für das Original beschlossenen Beschränkungen in der Verordnungsfähigkeit zu Lasten der Gesetzlichen Krankenkassen gelten dürften, wonach Clopidogrel bei chronischer Atherosklerose nur erstattet wird, wenn eine symptomatische periphere arterielle Verschlusskrankheit oder eine ASS-Unverträglichkeit vorliegt. Aus medizinischer Sicht spricht unseres Erachtens aber auch nichts gegen den Austausch des Originals durch eines der neuen Präparate in der Subakutphase nach akutem Koronarsyndrom oder elektiver Stenteinlage. Haftungsrechtlich bestehen jedoch beim Off-label-Gebrauch nach akutem Koronarsyndrom besondere Anforderungen an die umfassende Aufklärung der Patienten, weil hier mit Clopidogrelhydrogensulfat eine zugelassene Alternative verfügbar ist, die aus wirtschaftlichen Gründen ersetzt wird. Klagen hinsichtlich der Verordnungsfähigkeit von Clopidogrelbesilat zu Lasten der Gesetzlichen Krankenkassen in dieser Indikation dürften nicht zu erwarten sein. Nach elektiver Stenteinlage ist keines der Mittel zugelassen. Der Off-label-Gebrauch von Clopidogrel in dieser Indikation ist aber auch haftungsrechtlich medizinischer Standard (vgl. a-t 2004; 35: 25-6).

In der Apotheke kann statt des Originals eines der beiden neuen Clopidogrelzubereitungen abgegeben werden, wenn auf dem Rezept nur der Wirkstoff Clopidogrel vermerkt ist. Bei Angabe des Handelsnamens auf dem Rezept ist eine Austauschbarkeit zwischen Original- und Nachfolgepräparaten nicht gegeben, da die Indikationen nicht vollständig übereinstimmen (8).

Ungeachtet der Diskussion um die neuen Clopidogrelzubereitungen hat sich an der Datenlage zum therapeutischen Stellenwert von Clopidogrel nichts geändert. Nach wie vor ist Azetylsalizylsäure bei chronischen atherosklerotischen Erkrankungen Mittel der ersten Wahl. Auch nach Eintreten eines akuten Ereignisses unter der Einnahme von ASS sehen wir keine Indikation für Clopidogrel: Ein Vorteil gegenüber der fortgesetzten Therapie mit ASS bei diesen Patienten ist nicht belegt (zur differenzierten Bewertung siehe auch a-t 2006; 37: 101-2, 107-9).

   1Sanofi-Aventis: Rundschreiben vom 1. August 2008
   2Hexal AG: Zusätzliche Angaben zur Bioverfügbarkeit von CLOPIDOGREL HEXAL 75 mg Filmtabletten
http://www.hexal.de/subdomains/unternehmen/praep/fi/fi_75mg_fta_641813_beschnitten.pdf
   3Hexal AG: Fachinformation CLOPIDOGREL HEXAL; Stand Juni 2008
   4ratiopharm GmbH: Fachinformation CLOPIDOGREL-RATIOPHARM; Stand Mai 2008
   5Sanofi-Aventis: Fachinformation PLAVIX; Stand Juni 2008
   6Bristol-Myers Squibb: Fachinformation ISCOVER; Stand August 2008
   7Hexal AG: Telefonische Mitteilung vom 20. August 2008
   8GRÄFE, K.A.: Pharm. Ztg. 2008; 33; zu finden unter:
http://www.pharmazeutische-zeitung.de/index.php?id=6456&type=0

© Redaktion arznei-telegramm, blitz-a-t 20. August 2008

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