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Im Blickpunkt

NEUE CLOPIDOGRELPRÄPARATE

Die Markteinführung von zwei neuen Clopidogrelpräparaten - CLOPIDOGREL HEXAL und CLOPIDOGREL-RATIOPHARM - hat für viel Wirbel gesorgt. Die Firma Sanofi-Aventis, Zulassungsinhaber des Originalpräparates PLAVIX, reagierte prompt mit einem Rundschreiben1 an 100.000 Ärzte und Apotheker, in dem die Rechtmäßigkeit der Zulassung dieser Nachfolgepräparate in Zweifel gezogen wird. Auch Bristol-Myers Squibb (Anbieter von ISCOVER) versendet großflächig Schreiben mit anwaltlichen Hinweisen.2 Dies hat zu großer Verunsicherung geführt. Wir stellen die wichtigsten Fakten zusammen und geben unsere Einschätzung:

Die beiden neuen Clopidogrelpräparate unterscheiden sich von den Originalpräparaten lediglich durch das verwendete Salz (PLAVIX/ISCOVER: Clopidogrelhydrogensulfat; CLOPIDOGREL HEXAL/RATIOPHARM: Clopidogrelbesilat). Nach dem Arzneimittelrecht gelten verschiedene Salze eines Wirkstoffs als "ein und derselbe Wirkstoff, es sei denn, ihre Eigenschaften unterscheiden sich erheblich..."3 Pharmakologisch ist jedoch kein Wirkunterschied zwischen den beiden Clopidogrelverbindungen zu erwarten, da die Salze jeweils nach Aufnahme dissoziieren und die Wirksubstanz nicht mehr mit dem abgespaltenen Salzanteil interagiert. Ein Einfluss des Salzanteils auf die Pharmakodynamik ist daher unwahrscheinlich. Die Bioverfügbarkeit von täglich 75 mg Clopidogrel als Besilat entspricht der des Originals: Der Verlauf der Plasmakonzentrationen von Clopidogrel nach Einnahme der Mittel per os ist nahezu identisch.4 Daher ist von Wirkstoffgleichheit auszugehen, auch wenn die beiden neuen Clopidogrelpräparate nicht, wie bei Generika üblich, mit bezugnehmender Zulassung, sondern wie neue Arzneimittel zugelassen worden sind.5 Dies wird auch dadurch bestätigt, dass in den Fachinformationen6,7 auf Daten des Originalpräparates (CAPRIE-Studie; a-t 1998; Nr. 8: 70-1) verwiesen wird.

Die beiden neuen Clopidogrelpräparate sind zugelassen zur Prävention atherothrombotischer Ereignisse bei Patienten mit Herzinfarkt (wenige Tage bis 35 Tage zurückliegend), ischämischem Schlaganfall (sieben Tage bis sechs Monate zurückliegend) oder nachgewiesener peripherer arterieller Verschlusskrankheit.6,7 Die Originalpräparate ISCOVER und PLAVIX haben neben diesen identisch formulierten Indikationen auch eine Zulassung für das akute Koronarsyndrom in Kombination mit Azetylsalizylsäure (ASS; ASPIRIN, Generika).8,9 Für Patienten mit chronischer koronarer Herzkrankheit, bei denen elektiv ein koronarer Stent gelegt wird, besteht für die Kombinationsbehandlung mit ASS weder für die Originalpräparate PLAVIX/ISCOVER noch für die von ratiopharm oder Hexal vertriebenen Clopidogrelprodukte eine Zulassung.6-9

Die Preisvorteile der beiden neuen Clopidogrelpräparate gegenüber den Originalen betragen nach zwischenzeitlicher Preisreduktion bezogen auf Packungen zu 100 Tabletten bei beiden Generika 33%. Sie sind damit immer noch 50-mal teurer als ein ASS-Generikum:

Sanofi-Aventis führt in seinem Rundschreiben an die Fachkreise aus,1 dass die Rechtmäßigkeit der neuen Zulassung noch nicht endgültig geklärt sei. Tatsächlich ist sie für die beiden neuen Mittel bereits im Mai ergangen, wurde jedoch aufgrund eines Widerspruchs des Originalherstellers zwischenzeitlich ausgesetzt. Mit Entscheidung vom 29. Juli 2008 hat das Verwaltungsgericht Köln die sofortige Vollziehbarkeit der Zulassung erlaubt. Ungeachtet des noch schwebenden Verfahrens ist daher die Verordnungssicherheit gegeben. Die neuen Clopidogrelpräparate sind amtlich zugelassen, im Handel und dürfen somit auch verordnet werden.

In den zugelassenen Indikationen erscheint uns die Umstellung von einem Clopidogrel-Original auf eines der beiden neuen Präparate sowohl unter medizinischen als auch unter rechtlichen Aspekten unproblematisch. Zu beachten ist jedoch, dass auch für die neuen Präparate die vom Gemeinsamen Bundesausschuss ursprünglich für das Original beschlossenen Beschränkungen in der Verordnungsfähigkeit zu Lasten der Gesetzlichen Krankenkassen gelten dürften, wonach Clopidogrel bei chronischer Atherosklerose nur erstattet wird, wenn eine symptomatische periphere arterielle Verschlusskrankheit oder eine ASS-Unverträglichkeit vorliegt.10 Aus medizinischer Sicht spricht unseres Erachtens aber auch nichts gegen den Ersatz des Originals durch eines der neuen Präparate in der Subakutphase nach akutem Koronarsyndrom oder elektiver Stenteinlage. Haftungsrechtlich bestehen jedoch beim Off-label-Gebrauch nach akutem Koronarsyndrom besondere Anforderungen an die umfassende Aufklärung der Patienten, weil hier mit Clopidogrelhydrogensulfat eine zugelassene Alternative verfügbar ist, die aus wirtschaftlichen Gründen ersetzt wird. Klagen hinsichtlich der Verordnungsfähigkeit von Clopidogrelbesilat zu Lasten der Gesetzlichen Krankenkassen in dieser Indikation dürften nicht zu erwarten sein. Nach elektiver Stenteinlage ist keines der Mittel zugelassen. Der Off-label-Gebrauch von Clopidogrel in dieser Indikation ist aber auch haftungsrechtlich medizinischer Standard (vgl. a-t 2004; 35: 25-6).

In der Apotheke kann statt des Originals eines der beiden neuen Clopidogrelpräparate abgegeben werden, wenn auf dem Rezept nur der Wirkstoff Clopidogrel vermerkt ist. Bei Angabe des Handelsnamens auf dem Rezept ist eine Austauschbarkeit zwischen Original- und Nachfolgepräparaten nicht gegeben, da die Indikationen nicht vollständig übereinstimmen.11

Ungeachtet der Diskussion um die neuen Clopidogrelpräparate hat sich an der Datenlage zum therapeutischen Stellenwert von Clopidogrel nichts geändert. Nach wie vor ist Azetylsalizylsäure bei chronischen atherosklerotischen Erkrankungen Mittel der ersten Wahl. Auch nach Eintreten eines akuten Ereignisses unter ASS sehen wir keine Indikation für Clopidogrel: Ein Vorteil gegenüber der fortgesetzten Therapie mit ASS ist bei diesen Patienten nicht belegt (zur differenzierten Bewertung siehe auch a-t 2006; 37: 101-2, 107-9).

Die beiden neuen Clopidogrelpräparate der Firmen Hexal und ratiopharm sind trotz Verwendung eines anderen Salzes gegenüber den Originalpräparaten (PLAVIX, ISCOVER) als wirkstoffgleich anzusehen. Die Anwendung ist in den für die neuen Präparate zugelassenen Indikationen unproblematisch und nach ausführlicher Aufklärung auch in der Subakutphase nach akutem Koronarsyndrom oder elektiver Stenteinlage - off-label - möglich.

Azetylsalizylsäure (ASS, ASPIRIN, Generika) bleibt auf Grund der guten Datenlage und des weiterhin deutlich niedrigeren Preises bei chronischen atherosklerotischen Erkrankungen Mittel der ersten Wahl.

 1Sanofi-Aventis: Rundschreiben vom 1. Aug. 2008
 2Bristol-Myers Squibb: Schreiben vom 18. Aug. 2008
 3Arzneimittelgesetz § 24b, Absatz 2
 4Hexal AG: Zusätzliche Angaben zur Bioverfügbarkeit von CLOPIDOGREL HEXAL 75 mg Filmtabletten;
http://www.hexal.de/subdomains/unternehmen/praep/fi/fi_75mg_fta_641813_beschnitten.pdf
 5Hexal AG: Telefonische Mitteilung vom 20. Aug. 2008
 6Hexal AG: Fachinformation CLOPIDOGREL HEXAL, Stand Juni 2008
 7ratiopharm GmbH: Fachinformation CLOPIDOGREL-RATIOPHARM, Stand Mai 2008
 8Sanofi-Aventis: Fachinformation PLAVIX 75 mg, Stand Juni 2008
 9Bristol-Myers Squibb: Fachinformation ISCOVER 75 mg, Stand Aug. 2008
 10Gemeinsamer Bundesausschuss: Pressemitteilung vom 19. Jan. 2007
http://www.g-ba.de/informationen/aktuell/pressemitteilungen/99/
 11GRÄFE, K.A.: Pharm. Ztg. 2008; 153: 3149

 *Vorversion am 20. Aug. 2008 als blitz-a-t veröffentlicht.

© 2008 arznei-telegramm, publiziert am 12. September 2008

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