Prasugrel, Lilly und FDA - bei Anruf Expertenausschluss
Trotz Zulassungspannen und Skandalen hat die US-amerikanische Arzneimittelbehörde FDA immer noch den Ruf, eine der strengsten der Welt zu sein. Zudem ist sie in punkto Transparenz - beispielsweise in Bezug auf Transkripte, die ihre Entscheidungen nachvollziehbar machen - der europäischen und deutschen Behörde weit überlegen. Pharmahersteller nutzen jedoch die Datendurchlässigkeit der FDA aus, beispielsweise um im Rahmen der Zulassung neuer Arzneimittel zu versuchen, auf die Zusammensetzung von Beratergremien Einfluss zu nehmen. So auch im Fall von Prasugrel (vorgesehene Warenzeichen EFIENT/EFFIENT), einem dem Clopidogrel (PLAVIX, Generika) chemisch verwandten Plättchenaggregationshemmer zur Behandlung des akuten Koronarsyndroms. Vier Tage vor der Anhörung fragt Lilly bei der FDA an, ob Dr. Sanjay KAUL teilnehmen werde. Dieser habe schon eine Meinung zu Prasugrel und möglicherweise einen "intellektuellen Bias", welcher der Teilnahme an der Beratung entgegenstehe. Der Kardiologe KAUL wird daraufhin kurzfristig ausgeladen. Der Direktor der FDA-Abteilung für neue Arzneimittel räumt später ein, dass dies ein Fehler gewesen sei. Die Abteilung hätte es einfacher gefunden, KAUL auszuladen, als über dessen "intellektuellen Bias" zu entscheiden - ohnehin ein schwammiges Kriterium. Die Arbeitsgruppe von KAUL hat sich mehrfach zu der für Prasugrel relevanten Zulassungsstudie geäußert, beispielsweise eine strenge Nutzen-Schaden-Bewertung angeregt und Vorschläge gemacht, wie das Blutungsrisiko reduziert werden kann (KAUL, S. et al.: Circulation 2008; 118: S818-9 [Abstract 4014, 4016 u.a.]; O'RIORDAN, M.: ",Mistakes' made: FDA acknowledges Lilly phoned to question Sanjay Kaul's inclusion on prasugrel panel", 20. Febr. 2009; http://www.theheart.org/article/943511. do). Das Beraterkomitee hat inzwischen einstimmig die Zulassung von Prasugrel empfohlen. Auch in Europa liegt ein positives Votum vor. Der Vorgang veranschaulicht, wie leicht Firmen in Beratungsprozesse einer Zulassungsbehörde eingreifen können. Man beriet danach unter Gleichgesinnten: Die Anhörung hatte den Charakter eines "Familienpicknicks", spöttelt ein renommierter Plättchenforscher (SEREBRUANY, V., zit. nach O'RIORDAN, M.: "FDA advisory panel votes unanimously in favor of prasugrel", 4. Febr. 2009; http://www. theheart.org/article/939227.do).
© 2009 arznei-telegramm, publiziert am 6. März 2009
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