Vertebroplastie bei osteoporotischer Wirbelfraktur nicht besser als Plazebo
Schmerzhafte osteoporotische Wirbelfrakturen werden traditionell analgetisch und durch Ruhigstellung behandelt. Seit einigen Jahren ist als Verfahren der Schmerzlinderung die Vertebroplastie in Mode gekommen, bei der über eine Hohlnadel Polymethylmethacrylat, so genannter Knochenzement, in den Wirbelkörper eingebracht wird. Obwohl bislang keine validen Nutzenbelege aus randomisierten kontrollierten Studien dazu vorliegen,* wird das Verfahren auf der Basis von Beobachtungsdaten breit angewendet und in Leitlinien empfohlen. Nun werden erstmals zwei randomisierte kontrollierte Studien veröffentlicht - eine australische und eine internationale (INVEST**) -, in denen die Vertebroplastie verblindet mit Scheinbehandlung verglichen wird. An der australischen Studie nehmen insgesamt 78, an der internationalen 131 Patienten teil. Die Mehrzahl (79% bzw. 76%) sind Frauen, das Durchschnittsalter liegt in beiden Studien bei über 70 Jahren. Schmerzhafte osteoporotische Wirbelfrakturen dürfen nicht länger als ein Jahr bestehen. In beiden Untersuchungen nehmen die Schmerzen jeweils sowohl in der Verum- als auch in der Plazebogruppe ab. Jedoch werden in beiden Studien weder das primäre Zielkriterium (Schmerzintensität und in INVEST zusätzlich Behinderung nach einem bzw. drei Monaten***) noch sekundäre Endpunkte durch die Intervention signifikant positiv beeinflusst (BUCHBINDER, R. et al.: N. Engl. J. Med. 2009; 361: 557-68; KALLMES, D.F. et al.: N. Engl. J. Med. 2009; 361: 569-79, ati-d). Die Vertebroplastie ist nicht risikolos: Verletzung des Duralsackes, Osteomyelitis, Austritt des Knochenzements mit Kompression von Nervenwurzeln oder systemische Embolisierung und Frakturen benachbarter Wirbelkörper aufgrund der veränderten Statik sind beschrieben. Da ein kurzfristiger Nutzen im Vergleich zu Plazebobehandlung nicht belegt ist und randomisierte Langzeituntersuchungen gänzlich fehlen, ist die Vertebroplastie unseres Erachtens nur noch im Rahmen klinischer Studien vertretbar. Dies gilt auch für die Kyphoplastie, ein verwandtes Verfahren, bei dem zur Aufrichtung des Wirbelkörpers ein Ballon verwendet wird und zu dem bislang nur eine nichtverblindete randomisierte kontrollierte Kurzzeitstudie vorliegt (WARDLAW, D. et al.: Lancet 2009; 373: 1016-24), -Red.
* | Veröffentlicht waren bisher lediglich eine randomisierte Negativstudie mit 50 Patienten (ROUSING, R. et al.: Spine 2009; 34: 1349-54) sowie eine randomisierte Studie mit 34 Patienten, die wegen eines hohen Cross over nach zwei Wochen vorzeitig beendet wird (VOORMOLEN, M.H.J. et al.: Am. J. Neuroradiol. 2007; 28: 555-60). Beide sind unverblindet. |
** | INVEST = Investigational Vertebroplasty Safety and Efficacy Trial |
*** | Australische Studie: Abnahme eines Schmerzscores (insgesamt 0-10 Punkte) nach drei Monaten um 2,6 vs. 1,9 Punkte, Differenz 0,6 (95% Konfidenzintervall [CI] -0,7 bis 1,8); INVEST: Punktwert nach einem Monat für Behinderung (modified Roland-Morris Disability Questionaire, insgesamt 0-23 Punkte) 12,0 vs. 13,0 Punkte, Effekt 0,7 (95% CI -1,3 bis 2,8) sowie für Schmerzen (insgesamt 0-10 Punkte) 3,9 vs. 4,6 Punkte, Effekt 0,7 (95% CI -0,3 bis 1,7) |
© 2009 arznei-telegramm, publiziert am 9. Oktober 2009
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