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Therapiekritik

JAPANISCHE STUDIE MIT AGGRENOX
... kein Hinweis auf Vorteil gegenüber ASS allein, aber Risikosignal

Für die ASS-Dipyridamol-Fixkombination AGGRENOX wird auf der Basis der ESPS**-2-Studie1 ein Vorteil gegenüber der Monotherapie mit Azetylsalizylsäure (ASS; ASPIRIN, Generika) in der Sekundärprävention nach Schlaganfall behauptet. ASS wurde in dieser Studie mit täglich 50 mg jedoch nicht standardgemäß dosiert. Bei einer Tagesdosis unter 75 mg ist der Nutzen von ASS zur Thrombozytenaggregationshemmung weniger gut belegt als bei höheren Dosierungen.2 Auch in der ESPRIT**-Studie,3 nach der eine ASS-Dipyridamol-Kombination Schlaganfall- und TIA-Patienten besser vor vaskulären Ereignissen schützen soll als ASS allein, nehmen in der Kontrollgruppe 50% der Patienten pro Tag weniger als 75 mg ASS ein, 44% nur 30 mg (a-t 2002; 33: 64 und 2006; 37: 55-6). In der PRoFESS**-Studie schneidet AGGRENOX andererseits nicht besser ab als Clopidogrel (PLAVIX, Generika, täglich 75 mg): Formal misslingt sogar der Nachweis der Nichtunterlegenheit (Reinsulte bei 9% versus 8,8%; Hazard Ratio (HR) 1,01; 95% Konfidenzintervall (CI) 0,92-1,11). Schwere Blutungen (4,1% vs. 3,6%) und speziell intrakranielle Blutungen (1,4% vs. 1,0%) sind unter ASS plus Dipyridamol jedoch signifikant häufiger als unter Clopidogrel.4 Da sich Clopidogrel in der Sekundärprävention des Schlaganfalls nicht von ASS unterscheidet,5 erklären sich die widersprüchlichen Ergebnisse zu ASS plus Dipyridamol - hier Überlegenheit, da noch nicht einmal Gleichwertigkeit - am ehesten durch Überschätzung des Nutzens der Kombination in ESPS 2 und ESPRIT aufgrund der zu niedrigen ASS-Dosierungen in den Kontrollgruppen (a-t 2008; 39: 94-5).

Bereits vor gut einem Jahr wurde die JASAP**-Studie abgeschlossen, unseres Wissens der erste Vergleich von AGGRENOX mit ausreichend dosierter ASS (täglich 81 mg) zur Sekundärprävention nach Schlaganfall. 1.295 Patienten haben an der vom AGGRENOX-Hersteller Boehringer-Ingelheim gesponserten japanischen Studie teilgenommen.6 Bis heute finden wir keine vollständige Publikation. Wie jetzt einem Bericht der Pharmakovigilanzarbeitsgruppe der europäischen Arzneimittelbehörde EMA zu entnehmen ist, bekräftigen die Ergebnisse die Vorbehalte: Mit einer numerisch höheren Reinsultrate (6,9% vs. 5%; HR 1,47; 95% CI 0,93-2,31) wird das Studienziel, Nichtunterlegenheit gegenüber ASS allein nachzuweisen, verfehlt. Die obere Grenze des 95%igen Konfidenzintervalls und sogar der Punktschätzer*** liegen oberhalb der im Protokoll definierten Nichtunterlegenheitsgrenze von 1,37. In den Subgruppen mit Diabetes mellitus oder Hypercholesterinämie soll AGGRENOX laut EMA signifikant schlechter abschneiden als ASS allein.7

Die EMA sieht, wie so häufig, keinen Anlass zur Besorgnis. Da in den Subgruppen mit Diabetes mellitus oder Hypercholesterinämie der europäischen Studien ESPS 2 und PRoFESS kein erhöhtes Reinsultrisiko unter AGGRENOX zu beobachten sei und man als Erklärung für die Befunde in der japanischen Studie keinen plausiblen Mechanismus gefunden habe, änderten die neuen Ergebnisse nichts an der positiven Risikobilanz der ASS-Dipyridamol-Kombination für die hiesige Bevölkerung, so die Behörde. Nicht einmal eine Änderung der Fachinformation, in der die ESPS-2-, ESPRIT- und PRoFESS-Studie ausführlich besprochen werden, hält die EMA für erforderlich.7 Unseres Erachtens ist die schnellstmögliche und vollständige Publikation der JASAP-Studie für eine definitive Bewertung jetzt dringend geboten.

∎  Nach den von der europäischen Arzneimittelbehörde EMA mitgeteilten Ergebnissen der bislang nicht vollständig veröffentlichten JASAP-Studie schneidet die Azetylsalizylsäure (ASS)-Dipyridamol-Fixkombination AGGRENOX in der Sekundärprävention des Schlaganfalls numerisch schlechter ab als täglich 81 mg ASS (ASPIRIN, Generika) allein.

∎  Die Ergebnisse bekräftigen die bisherigen Zweifel an der angeblichen Überlegenheit von AGGRENOX gegenüber ausreichend dosierter ASS.

∎  Mittel der Wahl zur Thrombozytenaggregationshemmung nach Schlaganfall ist die Monotherapie mit ASS in Standarddosierung.

  (R = randomisierte Studie, M = Metaanalyse)
R1DIENER, H.C. et al.: J. Neurol. Sci. 1996; 143: 1-13
M2Antithrombotic Trialists' Collaboration: BMJ 2002; 324: 71-86
R3ESPRIT Study Group: Lancet 2006; 367: 1665-73
R4SACCO, R.L. et al.: N. Engl. J. Med. 2008; 359: 1238-51
R5CAPRIE Steering Committee: Lancet 1996; 348: 1329-39
 6Boehringer Ingelheim: ClinicalTrials.gov, März 2010
 7EMA: Pharmacovigilance Working Party April 2010 plenary meeting, 29. Apr. 2010;
http://www.ema.europa.eu/pdfs/human/phvwp/25435010en.pdf

 *Vorversion am 3. Mai 2010 als blitz-a-t veröffentlicht.
 **ESPRIT = Europ./Australian Stroke Prevention in Reversible Ischemia Trial
ESPS 2 = Second European Stroke Prevention Study
JASAP = Japanese Aggrenox Stroke Prevention vs. Aspirin Programme
PRoFESS = Prevention Regimen for Effectively Avoiding Second Stroke
 ***Erläuterung siehe Glossar, Seite 47

© 2010 arznei-telegramm, publiziert am 14. Mai 2010

Autor: Redaktion arznei-telegramm - Wer wir sind und wie wir arbeiten

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