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Korrespondenz

CINEOL (SOLEDUM KAPSELN) BEI COPD?

In der letzten Zeit legten mindestens fünf Patienten einen Zeitungsausschnitt vor, in dem auf eine neue Studie der Uni Erlangen an COPD-Patienten Bezug genommen wird. Demnach soll Cineol (SOLEDUM Kapseln) "die Symptome einer COPD äußerst effektiv minimieren". Was sagt die erwähnte Studie aus? Wie verlässlich sind die Daten? Handelt es sich nur um eine Werbemaßnahme der Pharmafirma?

Dr. A. BEZLER (Arzt)
D-73431 Aalen
Interessenkonflikt: keiner

Cineol (SOLEDUM Kapseln u.a., in GELOMYRTOL), ein bizyklisches Monoterpen, ist Hauptbestandteil von Eukalyptusöl. Als SOLEDUM ist es zugelassen zur symptomatischen Behandlung bei Bronchitis und Erkältungskrankheiten sowie als Zusatz bei chronischen und entzündlichen Atemwegserkrankungen. Laut Fachinformation soll es schleimlösend, entzündungshemmend und schwach spasmolytisch wirken.1

Die in dem Zeitungsausschnitt erwähnte Studie mit Cineol bei chronisch obstruktiver Lungenerkrankung (COPD) liegt seit Juli 2009 publiziert vor.2 Sie wurde bereits in den Winterhalbjahren 2003/04 und 2004/05 in elf deutschen allgemeinmedizinischen und pneumologischen Praxen durchgeführt. 242 Patienten mit COPD nehmen zusätzlich zu ihrer bisherigen Medikation nach randomisierter Zuteilung sechs Monate lang dreimal täglich eine halbe Stunde vor der Mahlzeit 200 mg Cineol oder Plazebo ein. Primärer Endpunkt ist ein Score, der aus der Summe aller Exazerbationen, ihrem Schweregrad (in drei Stufen) und ihrer Dauer (in Tagen) gebildet wird. Er wird unter Cineol signifikant gesenkt (p = 0,012). Lungenfunktionsparameter wie FEV1 unterscheiden sich nicht signifikant.2

Die Aussagekraft der Studie wird durch erhebliche Mängel infrage gestellt. Wie das primäre Zielkriterium kalkuliert wurde, lässt sich nicht hinreichend nachvollziehen. Da in die Berechnung rezidivierende Exazerbationen eingehen, können die Daten durch einzelne Patienten mit häufigen Komplikationen verzerrt sein. Das Ergebnis wird nur als p-Wert mitgeteilt, sodass die klinische Bedeutung nicht einzuschätzen ist. Wir finden zudem keinen Hinweis auf Validierung des Zielkriteriums. Das Intention-to-treat-Prinzip wird verletzt: 22 (9%) der randomisierten Patienten werden mit der Begründung, dass sie die Einschlusskriterien nicht erfüllten, von der Analyse ausgeschlossen. Wie viele von den übrigen Teilnehmern vollständig nachbeobachtet wurden, wird nicht mitgeteilt.

Als weitere Studien zu Cineol bei chronisch obstruktiven Atemwegserkrankungen finden wir vier sehr kleine Kurzzeitstudien mit 29 bis 51 Patienten, die zudem ausschließlich oder zumindest zum Teil an Asthma bzw. reversibler Obstruktion leiden.3-6* Zuverlässige Aussagen über Nutzen und Risiken von Cineol bei COPD lassen sich auf dieser Datenbasis nicht treffen. In der im Februar 2010 aktualisierten nationalen Versorgungsleitlinie COPD findet Cineol keine Berücksichtigung.7

∎  In einer ersten randomisierten plazebokontrollierten Studie mit Cineol (SOLEDUM Kapseln) bei COPD findet sich ein signifikanter Effekt des ätherischen Öls. Wegen erheblicher Mängel dieser Studie schätzen wir den Nutzen für Cineol bei COPD als nicht belegt ein.

  (R = randomisierte Studie)
 1Cassella-med: Fachinformation SOLEDUM, Stand Mai 2009
R2WORTH, H. et al.: Respir. Res. 2009; 10: 69
R3JUERGENS, U.R. et al.: Respir. Med. 2003; 97: 250-6
R4WITTMANN, M. et al.: Atemw.-Lungenkrkh. 1998; 24: 67-74
R5KASPAR, P. et al.: Atemw.-Lungenkrkh. 1994; 20: 605-14
R6HABICH, G. et al.: Therapiewoche 1994; 44: 356-65
 7Bundesärztekammer et al.: Nationale Versorgungs-Leitlinie COPD, Feb. 2010 http://www.versorgungsleitlinien.de/themen/copd/pdf/nvl_copd_lang.pdf

 *Alle aufgeführten Studien2-6 stammen übrigens aus Deutschland und wurden unter Beteiligung eines heute in Aachen ansässigen Forschungsinstituts und/ oder eines Aachener Biostatistikers durchgeführt.

© 2010 arznei-telegramm, publiziert am 14. Mai 2010

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