logo
logo
Die Information für medizinische Fachkreise
Neutral, unabhängig und anzeigenfrei
vorheriger Artikele a-t 01/2013anächster Artikel
Neu auf dem Markt

GLYKOPYRRONIUM-INHALAT (SEEBRI BREEZHALER) BEI COPD

Mit Glykopyrronium (SEEBRI BREEZHALER) ist seit November 2012 und damit nur einen Monat nach Aclidinium (BRETARIS GENUAIR, EKLIRA GENUAIR; a-t 2012; 43: 90-1) ein weiteres inhalatives Anticholinergikum zur symptomatischen bronchodilatatorischen Dauertherapie der chronisch obstruktiven Lungenerkrankung (COPD) erhältlich.1 Der Wirkstoff ist seit 1976 als Injektionslösung (ROBINUL) im Handel, unter anderem zur Herabsetzung des Speichelflusses vor Operationen.2 Wie das bewährte und ab mittlerem Schweregrad bei COPD* empfohlene Tiotropium als Pulverinhalat (SPIRIVA; vgl. a-t 2010; 41: 118 und 2011; 42: 35-6)3 wird Glykopyrronium einmal täglich inhaliert.1

EIGENSCHAFTEN: Glykopyrronium ist wie Tiotropium, mit dem es chemisch nicht verwandt ist, ein Muskarin-Rezeptor-Antagonist, der reversibel die bronchokonstriktiven Effekte von Azetylcholin an der glatten Bronchialmuskulatur hemmt.1

WIRKSAMKEIT: Glykopyrronium-Inhalat kommt in Europa in den Handel, obwohl die optimale Dosierung nicht bekannt ist. Die jetzt zugelassene Dosis von einmal täglich 44 µg schneidet in einer Phase-II-Studie schlechter ab als zweimal täglich 22 µg. Diese „wichtige fehlende Information” soll in einer Doppelblindstudie noch ermittelt werden.4 Die US-amerikanische Arzneimittelbehörde FDA verlangt diese Daten hingegen, bevor das Mittel zugelassen werden kann.5 An den für die Zulassung der 44-µg-Dosierung maßgeblichen randomisierten doppelblinden Phase-III-Studien GLOW**16 und GLOW27 nehmen insgesamt 1.877 im Mittel 64 Jahre alte Patienten mit stabiler mittelgradiger oder schwerer COPD teil. Sie haben durchschnittlich 47 Packungsjahre*** geraucht.4 Bei zuvor stabiler Einstellung dürfen sie inhalative Glukokortikoide weiter anwenden sowie bei Bedarf Salbutamol (SULTANOL, Generika).6,7

Inhalation von einmal täglich 44 µg Glykopyrronium verbessert die Einsekundenkapazität (FEV1; morgens vor der Anwendung) nach 12 Wochen gegenüber Plazebo in einer gepoolten Analyse im Mittel um 103 ml (95% Konfidenzintervall [CI] 81-125). Dieser Wert liegt an der Grenze dessen, was noch als klinisch relevanter Unterschied beurteilt wird.4 Tiotropium-Pulverinalat, das in einem weiteren Studienarm in GLOW2 unverblindet angewendet wird, schneidet im Plazebovergleich mit einer mittleren Differenz von 83 ml4 schlechter ab als in bisherigen Studien (im Mittel 119 ml)8. Hinsichtlich des krankheitsspezifischen Gesundheitszustandes bei Studienende (nach 26 bzw. 52 Wochen) sowie der Zeit bis zur ersten moderaten oder schweren Exazerbation, die als sekundäre Endpunkte erfasst werden, zeigt Glykopyrronium gegenüber Plazebo signifikante Vorteile ähnlich denen von Tiotropium. Ein direkter Vergleich zwischen den beiden Anticholinergika ist jedoch nicht vorgesehen4 und somit für Glykopyrronium weder Überlegenheit noch Gleichwertigkeit belegt.

STÖRWIRKUNGEN: Neben trockenem Mund (2,2% unter Glykopyrronium versus 1,1% unter Plazebo vs. 1,5% unter Tiotropium) scheinen auch andere anticholinerge Störwirkungen bei geringer Anzahl an Ereignissen unter Glykopyrronium häufiger zu sein als unter Plazebo. Schlaflosigkeit berichten 1,0% vs. 0,4% unter Plazebo, Gliederschmerzen 0,9% vs. 0,2%.4 Kopfschmerzen und Harnwegsinfektionen werden bei Patienten, die älter als 75 Jahre sind, ebenfalls häufiger beobachtet als unter Scheinmedikament.1 Wie für Aclidinium soll das kardiovaskuläre Risiko in einer Sicherheitsstudie nach Markteinführung genauer untersucht werden.4 Die Bewertung der vorhandenen Daten wird dadurch erschwert, dass Patienten mit relevanter Herzerkrankung von den Studien ausgeschlossen waren9,10 und nur wenige Ereignisse auftraten. Hinweise auf ein erhöhtes Risiko finden sich in Bezug auf schwerwiegendes akutes Koronarsyndrom oder Herzinfarkt (0,4% vs. 0,2%) sowie Vorhofflimmern (0,6% vs. 0%).4

KOSTEN: Mit monatlich 56 € für einmal täglich 44 µg wird Glykopyrronium (SEEBRI BREEZHALER) etwa 5% günstiger angeboten als Tiotropium-Pulverinhalat (SPIRIVA; 59 € bei 18 µg pro Tag).

∎  Mit Glykopyrronium (SEEBRI BREEZHALER) ist seit November 2012 ein weiteres einmal täglich zu inhalierendes Anticholinergikum zur bronchodilatatorischen Dauerbehandlung der chronisch obstruktiven Lungenerkrankung (COPD) im Handel.

∎  Noch nicht einmal die optimale Dosierung wurde vor der Zulassung geklärt. In der zugelassenen Dosierung verbessert es bei mittelschwerer bis schwerer COPD die Einsekundenkapazität im Vergleich zu Plazebo in einer gepoolten Analyse von zwei Phase-III-Studien nur mäßig. Vorteile oder auch nur Gleichwertigkeit gegenüber dem bewährten Tiotropium als Pulverinhalat (SPIRIVA) sind nicht belegt.

∎  Die kardiovaskuläre Sicherheit soll ebenfalls erst nach Markteinführung genauer untersucht werden.

∎  Für das Me-too-Präparat sehen wir keine Indikation.

  (R =randomisierte Studie, M = Metaanalyse)
1 Novartis: Fachinformation SEEBRI BREEZHALER, Stand Sept. 2012
2 Riemser: Fachinformation ROBINUL, Stand Nov. 2011
3 Nationale Versorgungsleitlinie COPD, Stand Jan. 2012; http://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/nvl-003l_S3_COPD_2012_01.pdf (gültig bis 31. Dez. 2012, wird zurzeit geprüft)
4 EMA: Europ. Beurteilungsbericht (EPAR) SEEBRI BREEZHALER, Aug. 2012; http://www.emea.europa.eu/docs/en_GB/document_library/EPAR_-_Public_assessment_report/human/002430/WC500133771.pdf
5 Edison Investment Research: Update Vectura, 9. Mai 2012; http://www.vectura.com/~/media/Files/V/Vectura/siteservices/terms/Vectura090512update.pdf
R  6 D’URZO, A. et al.: Respir. Res. 2011; 12: 156 (13 Seiten)
R  7 KERWIN, E. et al.: Eur. Respir. J. 2012; 40: 1106-14
M  8 KARNER, C. et al.: Tiotropium versus placebo for chronic obstructive pulmonary disease. Cochrane Database of Systematic Reviews, Stand Feb. 2012, Zugriff Jan. 2013
R  9 Novartis: EU Clinical Trials Register https://www.clinicaltrialsregister.eu/ctr-search/trial/2009-013504-32/NL
R  10 Novartis: EU Clinical Trials Register https://www.clinicaltrialsregister.eu/ctr-search/trial/2008-008394-63/DE

* Mittelschwere COPD = Einsekundenkapazität (FEV1) 50% bis unter 80% des erwarteten Wertes nach Bronchodilatation, schwere COPD = 30% bis unter 50%
** GLOW = GLycopyrronium bromide in COPD air Ways
*** Packungsjahre = Anzahl der pro Tag gerauchten Packungen multipliziert mit der Anzahl der Jahre, in denen geraucht wurde.

© 2013 arznei-telegramm, publiziert am 18. Januar 2013

Autor: Redaktion arznei-telegramm - Wer wir sind und wie wir arbeiten

Diese Publikation ist urheberrechtlich geschützt. Vervielfältigung sowie Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen ist nur mit Genehmigung des arznei-telegramm® gestattet.