TÖDLICHE HAUTSCHÄDEN UNTER TETRAZEPAM (MUSARIL, GENERIKA)
Aufgrund schwerer zum Teil tödlich endender Hautschäden empfiehlt der französische nationale Pharmakovigilanzausschuss die Suspendierung der Zulassung von Tetrazepam (MUSARIL, Generika).1 Bis Juni 2012 sind in Frankreich insgesamt 1.616 Verdachtsberichte über Störwirkungen in Verbindung mit dem zur Behandlung von Muskelverspannungen und -spasmen zugelassenen Benzodiazepin erfasst worden, von denen 648 als schwerwiegend eingestuft werden. Jeweils etwa die Hälfte der Meldungen (805 bzw. 305) betrifft die Haut, darunter Erythema multiforme (59 Berichte), STEVENS-JOHNSON-Syndrom (33), toxische epidermale Nekrolyse (TEN, 33) und DRESS**-Syndrom (15). 11 Patienten starben. Unter weiteren, nur den Anbietern vorliegenden Berichten sind zwei zu tödlicher TEN.2
Schwere Hautschäden unter dem international wenig gebräuchlichen Benzodiazepin sind seit Langem bekannt (a-t 1999; Nr. 5: 55-6). Auch die deutsche Fachinformation weist darauf hin,3 nicht jedoch auf den zum Teil tödlichen Ausgang. Tetrazepam nimmt in Bezug auf unerwünschte Wirkungen eine Sonderstellung ein. In der französischen Auswertung ist der Anteil der Berichte über kutane Schadeffekte an der Gesamtzahl der Verdachtsmeldungen deutlich höher als bei anderen Benzodiazepinen (51% vs. unter 20%).4 Auch die dokumentierte hohe Rate an positiven Allergietests ist für diese Stoffgruppe ungewöhnlich.2 Die Ursache ist unklar.4 In Anbetracht der symptomatischen Indikation erwägt die französische Arzneimittelbehörde ANSM, die Zulassung von Tetrazepam zu widerrufen, und hat in einem Dringlichkeitsverfahren eine Neubewertung von Nutzen und Schaden durch die europäische Arzneimittelbehörde EMA eingeleitet.5 Diese wird jedoch erst im April 2013 eine Empfehlung abgeben.6
Hierzulande ist Tetrazepam hinter Botulinumtoxin Typ A (BOTOX u.a.) das am zweithäufigsten verordnete Muskelrelaxans.7 Der Nutzen des Benzodiazepins erscheint uns jedoch sowohl bei schmerzreflektorischer Muskelverspannung als auch bei spastischen Syndromen mit gesteigertem Muskeltonus nicht hinreichend belegt. Wir raten von der Verordnung von Tetrazepam ab.***
1 | ANSM: Tétrazépam (Myolastan et génériques): des effets indésirables cutanés parfois graves sont susceptibles de remettre en cause le rapport bénéfice/risque de ces spécialités - Point d'information, 11. Jan. 2013; http://ansm.sante.fr/ |
2 | ANSM: Rationale for triggering of the Article 107i procedure on Tetrazepam containing medicines; 14. Jan. 2013; http://www.ema.europa.eu/docs/en_GB/document_library/ Referrals_document/Tetrazepam_containing_medicinal_products/Procedure_started/WC500137246.pdf |
3 | Sanofi-Aventis: Fachinformation MUSARIL, Stand März 2012 |
4 | ANSM: Enquête sur les effets indésirables du tétrazépam, 20. Nov. 2012 http://ansm.sante.fr/content/download/45456/589469/version/1/file/pi-130111-Tetrazepam_Rapport-Crpv-Bordeaux.pdf |
5 | ANSM: Notification of a referral under Article 107i of Directive 2001/83/EC, 20. Dez. 2012; http://www.ema.europa.eu/docs/en_GB/document_library/ Referrals_document/Tetrazepam_containing_medicinal_products/Procedure_started/WC500137136.pdf |
6 | EMA: Zeitplan vom 10. Jan. 2013; http://www.ema.europa.eu/ |
7 | GÜNTHER, J. in: SCHWABE, U., PAFFRATH, D. (Hrsg.): "Arzneiverordnungs-Report 2012", Springer, Heidelberg 2012: Seite 767-70 |
* | Vorversion am 18. Januar 2013 als blitz-a-t veröffentlicht. |
** | DRESS = Drug Rash with Eosinophilia and Systemic Symptoms |
*** | Eine Bewertung von Alternativen ist in Vorbereitung. |
© 2013 arznei-telegramm, publiziert am 15. Februar 2013
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