FIDAXOMICIN (DIFICLIR) BEI CLOSTRIDIEN-ASSOZIIERTER DIARRHÖ
Clostridium-difficile-assoziierte Diarrhöen gehören zu den häufigsten nosokomialen Infektionen und machen bis zu einem Drittel der Antibiotika-assoziierten Durchfallerkrankungen aus.1,2 Der sporenbildende grampositive Anaerobier proliferiert meist in einer durch Antibiotikatherapie veränderten Dickdarmflora. Pathogene Stämme bilden Toxine, die bei einem Teil der Infizierten zu einer Entzündung der Darmwand führen. Folge können leichte Diarrhöen sein, aber auch schwere Verläufe mit systemischer Beteiligung bis hin zu lebensbedrohlichen Komplikationen wie pseudomembranöse Kolitis, toxisches Megakolon, Darmperforation oder Sepsis. Inzidenz und Schwere der Erkrankung nehmen vor allem bei älteren hospitalisierten Patienten zu. Dies wird unter anderem auf die wachsende Verbreitung des hypervirulenten NAP1/BI/027-Stammes* zurückgeführt. Überdies steigt die Zahl ambulant erworbener Erkrankungen, auch bei jungen Gesunden.1-4
Bei milden Verläufen kann es ausreichen, die antibiotische Therapie zu beenden. Andernfalls empfehlen europäische und US-amerikanische Leitlinien4-6 bei milden bis moderaten Verläufen zehn Tage lang Metronidazol (CLONT, Generika), bei schweren Vancomycin (VANCOMYCIN LYOMARK u.a.) per os, obwohl der Stellenwert eines solchen stratifizierten Vorgehens schlecht belegt ist.7,8 Unter beiden Mitteln erleiden bis zu einem Viertel der Patienten Rückfälle, die wie die erste Episode behandelt werden. Bei wiederholten Rezidiven soll Vancomycin zehn Tage lang eingenommen und über mehrere Wochen ausgeschlichen werden.4-6
Bislang fehlen aussichtsreiche Alternativen. Lediglich die experimentelle Behandlung mit Stuhltransplantation ist in einer kleinen randomisierten klinischen Studie Vancomycin überlegen.9 Seit Januar 2013 ist das ausschließlich zur Behandlung Clostridium-difficile-assoziierter Diarrhöen zugelassene Antibiotikum Fidaxomicin (DIFICLIR) im Handel.10
EIGENSCHAFTEN: Fidaxomicin gehört zur neuen Klasse der Makrozykline und wirkt bakterizid. Es hemmt die bakterielle RNA-Polymerase und somit die RNA-Synthese. Fidaxomicin wirkt hauptsächlich gegen Clostridien und deren Sporen, deutlich weniger gegen andere grampositive und kaum gegen gramnegative Bakterien.3,10,11
WIRKSAMKEIT: Die Zulassung von Fidaxomicin beruht maßgeblich auf zwei randomisierten doppelblinden Nichtunterlegenheitsstudien12,13 gegen Vancomycin mit identischem Design. 629 bzw. 535 Patienten mit milder bis schwerer Clostridium-difficile-assoziierter Diarrhö, die durchschnittlich 62 bzw. 63 Jahre alt sind, nehmen zehn Tage lang zweimal täglich 200 mg Fidaxomicin oder viermal täglich 125 mg Vancomycin ein. Zu den Ausschlusskriterien gehören mehr als eine Episode in den letzten drei Monaten, lebensbedrohlicher oder fulminanter Verlauf, toxisches Megakolon und entzündliche Darmerkrankungen. Primärer Endpunkt ist klinische Heilung, definiert als anhaltende Besserung der Durchfälle und kein weiterer Antibiotikabedarf nach Einschätzung des Studienarztes am zweiten Tag nach Therapieende. Die Teilnehmer wurden zu 39% bzw. 38% über maximal 24 Stunden mit Vancomycin oder Metronidazol anbehandelt und haben zu 17% bzw. 15% in den letzten drei Monaten bereits eine symptomatische Clostridieninfektion durchgemacht.12,13
88,2% bzw. 87,7% der mit Fidaxomicin und 85,8% bzw. 86,8% der mit Vancomycin behandelten Patienten gelten zwei Tage nach Therapieende als klinisch geheilt. In beiden Studien wird Nichtunterlegenheit für Fidaxomicin festgestellt. Rezidive innerhalb von vier Wochen nach letzter Studienmedikation (sekundärer Endpunkt) kommen mit 15,4% versus 25,3% und 12,7% vs. 26,9% jeweils signifikant seltener vor. Bei Patienten, die mit dem hypervirulenten Clostridienstamm infiziert sind (38,1% bzw. 33,2%), unterscheidet sich die Rückfallrate jedoch nicht.12,13
Sowohl die europäische als auch die amerikanische Arzneimittelbehörde (EMA, FDA) erachten die Gleichwertigkeit von Fidaxomicin mit Vancomycin als ausreichend belegt.2,11 Im europäischen Beurteilungsbericht wird jedoch bemängelt, dass wichtige Patientengruppen ausgeschlossen waren, insbesondere auch solche mit mehrfachen Rezidiven, und dass die Erfahrungen mit schwer Erkrankten begrenzt sind. Außerdem wird bemerkt, dass Fidaxomicin hauptsächlich die innerhalb von zwei Wochen auftretenden Frührezidive mindert, spätere Rückfälle hingegen gleich häufig vorkommen.2 Die jüngste amerikanische Leitlinie kritisiert die zu kurze Nachbeobachtungszeit, da Rezidive nach Einschätzung der Autoren bis 90 Tage nach Therapieende auftreten können.5 Ein direkter Vergleich mit Metronidazol, das für einen großen Teil der Studienteilnehmer aufgrund der erstmaligen und milden bis moderaten Episode Mittel der Wahl gewesen wäre, fehlt.4-6,14
STÖRWIRKUNGEN: Fidaxomicin wird in den Phase-III-Studien häufiger wegen Wirkungslosigkeit abgesetzt als Vancomycin (2,3% versus 0,9%). Ein toxisches Megakolon (n = 3) entwickelt sich nur in den Fidaxomicingruppen. Die wenigen Berichte erlauben zwar keine definitiven Folgerungen, bedeuten aber ein Risikosignal. Auf ein Potenzial zur Resistenzentwicklung deutet die verminderte Empfindlichkeit des Keims bei einem Patienten mit Rückfall unter Fidaxomicin hin.11 Hinreichende Daten zur Resistenzbildung fehlen. Wiederholungsbehandlungen mit Fidaxomicin sind bisher gar nicht geprüft.2
Unter Fidaxomicin und Vancomycin treten bei etwa zwei Drittel der Studienteilnehmer unerwünschte Wirkungen auf, die bei jeweils einem Viertel schwerwiegend verlaufen. Zu den häufigsten unerwünschten Ereignissen gehören Übelkeit (jeweils 11%), Erbrechen (7% vs. 6%) und Hypokaliämie (jeweils 7%), Kopfschmerzen (7% vs. 5%), Bauchschmerzen (6% vs. 4%) und Durchfall (5% vs. 7%), die auch durch die Grunderkrankung verursacht sein können.2,11
Gastrointestinale Blutungen werden unter Fidaxomicin häufiger beobachtet (3,5% vs. 1,7%). Auch Neutropenien (2,5% vs. 1%), Lymphopenien (1,9% vs. 0,9%) und nicht näher bezeichnete vaskuläre Störwirkungen (1,8% vs. 0,7%) scheinen unter der Neuerung zuzunehmen. Dies deutet auch darauf hin, dass trotz geringer Absorption systemische Störwirkungen möglich sind.2,11
KOSTEN: Die zehntägige Behandlung mit Fidaxomicin kostet für 400 mg/Tag 2.190 € und damit 16- bzw. 83-mal mehr als die Behandlung mit Vancomycin (VANCOMYCIN LYOMARK; 134 € bei 10 Tagen täglich 500 mg) bzw. Metronidazol (ARILIN; 26 € bei 10 Tagen täglich 1.500 mg).
Das Makrozyklin-Antibiotikum Fidaxomicin (DIFICLIR) wird seit Januar 2013 für die Behandlung der Clostridium-difficile-assoziierten Diarrhö angeboten.
In zwei randomisierten Studien ist Fidaxomicin bezüglich der klinischen Heilungsrate dem Standardantibiotikum Vancomycin (VANCOMYCIN LYOMARK u.a.) nicht unterlegen, aber auch nicht überlegen.
Fidaxomicin geht in beiden Zulassungsstudien mit geringerer Rezidivrate als Vancomycin einher. Dies gilt nicht für den häufigen hypervirulenten Bakterienstamm NAP1/BI/027. Für eine definitive Beurteilung ist die Nachbeobachtung nach Einschätzung amerikanischer Experten zu kurz.
Daten zu Patienten mit lebensbedrohlichen Verläufen, mehrmaligen Rezidiven und entzündlichen Darmerkrankungen fehlen. Untersuchungen zur Resistenzentwicklung und wiederholten Behandlung mit Fidaxomicin sowie Vergleiche mit Metronidazol stehen aus.
Bis weitere aussagekräftige Daten zu Wirksamkeit und Sicherheit vorliegen, raten wir von einer Anwendung des extrem teuren Antibiotikums ab.
(R =randomisierte Studie, M = Metaanalyse) | |
1 | LESSA, F.C. et al.: Clin. Infect. Dis. 2012; 55 (S2): S65-S70 |
2 | EMA: Europ. Beurteilungsbericht (EPAR) DIFICLIR, Stand 22. Sept. 2011; http://www.ema.europa.eu/docs/en_GB/document_library/EPAR_-_Public_assessment_report/human/002087/WC500119707.pdf |
3 | KELLY, C.P., LaMONT, J.T.: N. Engl. J. Med. 2008; 359: 1932-40 |
4 | COHEN, S.H. et al.: Infect. Control. Hosp. Epidemiol. 2010; 31: 431-55 |
5 | SURAWICZ, C.M. et al.: Am. J. Gastroenterol., online publ. am 26. Febr. 2013; doi: 10.1038/avg.2013.4 |
6 | BAUER, M.P. et al.: Clin. Microbiol. Infect. 2009; 15: 1067-79 |
7 | DREKONJA, D.M. et al.: Ann. Intern. Med. 2011; 155: 839-47 |
8 | NELSON, R.L. et al.: Antibiotic treatment for Clostridium difficile-associated diarrhoea in adults. Cochrane Database of Systematic Reviews, Stand Okt. 2010; Zugriff März 2013 |
9 | van NOOD, E. et al.: N. Engl. J. Med. 2013; 368: 407-15 |
10 | Astellas: Fachinformation DIFICLIR, Stand Jan. 2013 |
11 | FDA: Medical Review DIFICID, Stand Apr. 2011; http://www.accessdata.fda.gov/drugsatfda_docs/nda/2011/201699Orig1s000MedR.pdf |
12 | LOUIE, T.J. et al.: N. Engl. J. Med. 2011; 364: 422-31 |
13 | CORNELY, O.A. et al.: Lancet Infect. Dis. 2012; 12: 281-89 |
14 | Drug Ther. Bull. 2012; 50 (11): 130-2 |
15 | Riemser: Fachinformation VANCOMYCIN ENTEROCAPS, Stand März 2009 |
* | NAP1/BI/027 = North American Pulsed field gel electrophoresis type 1/restriction endonuclease analysis type BI/polymerase chain reaction ribotype 027 |
© 2013 arznei-telegramm, publiziert am 15. März 2013
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