OPHTHALMIKA MIT PHOSPHATPUFFERN: KALKABLAGERUNGEN IN DER HORNHAUT
Viele Augenmittel enthalten als Hilfsstoff Phosphatpuffer zur Einstellung des pH-Wertes. Bei stärkerer Schädigung der Hornhautoberfläche kann das Phosphat mit dem im Hornhautstroma vorhandenen Kalzium reagieren und zur Ausfällung von Kalziumphosphat führen.1 In der Literatur sind mehrere Patienten mit vorbestehender ausgeprägter Hornhautschädigung beschrieben, die nach Anwendung phosphathaltiger Ophthalmika einschließlich der auch als Medizinprodukte angebotenen Tränenersatzmittel zum Teil innerhalb weniger Tage bis Wochen irreversible Kalkablagerungen der Kornea entwickeln. Bei einigen Betroffenen wird zur Wiederherstellung der Sehfähigkeit eine Hornhauttransplantation erforderlich.2,3 Im Tierversuch treten Hornhautkalzifizierungen unter phosphathaltigen Augenmitteln auf, nicht jedoch, wenn Präparate mit Zitratpuffern verwendet werden.4 Nach einer retrospektiven Analyse von Patienten mit Augenverätzungen kommen korneale Kalzifizierungen - mit deutlich geringerem Risiko - aber auch unter phosphatfreien Augentropfen vor.1
Der europäische Arzneimittelausschuss CHMP empfiehlt nun nach Auswertung von 117 Verdachtsberichten* über Kalkablagerungen in der Hornhaut, die überwiegend bei Patienten aufgetreten sind, bei denen eine schwere Vorschädigung der Hornhaut bekannt war, einen entsprechenden Hinweis auf die nach Einschätzung des Ausschusses sehr seltene Störwirkung in die Fachinformationen aufzunehmen. Der CHMP hält aber weder eine Restriktion bei der Verwendung von Phosphat in Augenpräparaten noch eine generelle Kontraindikation der Mittel bei Patienten mit schweren Hornhautschäden für erforderlich. Betroffene Patienten sollen stattdessen mit ihren behandelnden Ärzten eine individuelle Nutzen-Schaden-Abwägung treffen.6
Hierzulande enthalten 213 der 569 derzeit verkehrsfähigen Ophthalmika Phosphatpuffer. Insbesondere Glaukommittel sind demnach häufig mit Phosphat gepuffert und unter diesen vor allem Betablocker wie Timolol (TIM-OPHTAL u.a.) sowie Prostaglandinabkömmlinge wie Latanoprost (XALATAN, Generika).1 Nach unserer Kenntnis gibt es kein einziges phosphatfreies Timolol-Präparat** und nur ein entsprechendes Mittel mit Latanoprost (MONOPROST). Auch Clonidin-Augentropfen (ISOGLAUCON, CLONID-OPHTAL) werden ausschließlich mit Phosphat angeboten, während die beiden Pilokarpin-haltigen Augentropfen PILOMANN und SPERSACARPIN den Hilfsstoff nicht enthalten.
Unter den Tränenersatzmitteln sind vor allem Präparate mit Hypromellose (ARTELAC u.a.) mit Phosphat gepuffert. Phosphatfreie Alternative ist hier nur SICCA-STULLN. Beim Hyaluronsäure-haltigen Produkt HYLO-COMOD ersetzte Anbieter Ursapharm den Phosphatpuffer schon 2006 durch Zitratpuffer,8 nachdem Fallberichte über Hornhautkalzifizierung unter dem Mittel veröffentlicht wurden.2 Auch beim Konkurrenzprodukt HYABAK wird auf Phosphat verzichtet, nicht hingegen beispielsweise bei ARTELAC SPLASH. Bei Augentropfen mit dem Antiallergikum Cromoglizinsäure enthält unter anderem DISPACROMIL Phosphat, während z.B. CROMOPHTAL oder CROMO-RATIOPHARM ohne den Hilfsstoff angeboten werden.
Wir empfehlen, wann immer möglich auf phosphatfreie Augenmittel auszuweichen. Die Behörden sind aufgefordert, darauf zu dringen, dass Phosphatpuffer aus Ophthalmika verschwinden, -Red.
1 | BLUMBERG, A.: Bull. zur Arzneimittelsicherheit 2013; Nr. 1: 7-12 |
2 | BERNAUER, W.: Br. J. Ophthalmol. 2006; 90: 285-8 |
3 | LAKE, D. et al.: Cornea 2008; 27: 292-6 |
4 | SCHRAGE, N.F. et al.: Br. J. Ophthalmol. 2010; 94: 1519-22 |
5 | KOMPA, S. et al.: Burns 2006; 32: 744-7 |
6 | EMA: Questions and answers on the use of phophates in eye drops, 13. Dez. 2012; http://www.ema.europa.eu/docs/en_GB/document_library/Medicine_QA/2012/12/WC500136247.pdf |
7 | Théa Pharma: Schreiben vom 14. April 2013 |
8 | Ursapharm: Schreiben vom 6. Apr. 2013 |
* | darunter auch Literaturberichte, Doppelerfassungen möglich6 |
** | Das einzige phosphatfreie Timolol-Präparat, TIMOGEL, ist zwar in der Lauertaxe gelistet, wird jedoch derzeit in Deutschland nicht vermarktet.7 |
© 2013 arznei-telegramm, publiziert am 19. April 2013
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